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Mit kleinen Sendern ausgerüstete Echte Karettschildkröten.

© Hays et al., Sci. Adv. 10, eadl2838 (2024)

Im Zwielicht versteckt: Rätsel um Nahrungsquelle der Karettschildkröten gelöst

Bisher vermutete man, dass sich Meeresschildkröten vor allem in flachen Küstenregionen ernähren. Doch nun fanden Biologen heraus, auf welche Regionen im Indischen Ozean sie tatsächlich angewiesen sind.

In den roten Listen der Weltnaturschutzorganisation IUCN wird die Echte Karettschildkröte Eretmochelys imbricata bereits seit 2008 als „vom Aussterben bedroht“ geführt. Die Strände, an denen die Weibchen ihre Eier ablegen, werden daher streng geschützt – und doch geht die Zahl der Tiere weltweit immer weiter zurück. Liegt es daran, dass ihre Nahrungsgrundlage schwindet? Das zu beantworten, müsste man wissen, wo und wie sie sich ernähren. Jetzt hat ein Forschungsteam um Graeme Hays von der Deakin University in Geelong in Australien entdeckt, wo die Reptilien bevorzugt fressen: in zwielichtigen Zonen des Indischen Ozeans.

Bisher hatte die Forschung „keine genaue Vorstellung, wo Karettschildkröten leben“, sagt Walter Joyce von der Schweizer Universität Fribourg, ein Schildkröten-Parläontologe. Hays Team stattete daher seit 2018 insgesamt 22 Tiere, die an den Stränden des Chagos-Archipels ihre Eier abgelegt hatten, mit GPS-Sendern aus und verfolgte nicht nur ihre Routen durch den Indischen Ozean, sondern wertete auch die Wassertiefe aus, in der sich die Tiere bevorzugt aufhielten. Zur Überraschung der Forschenden widersprachen die gewonnenen Daten der bisherigen Vorstellung, dass diese Schildkröten lichtdurchflutete Riffe in relativer Küstennähe aufsuchen. Keine einzige schwamm dorthin.

Schwämme zum Dinner

Stattdessen hielten sich die Tiere in den (insgesamt) über 6700 Beobachtungstagen weit entfernt von Küstenregionen und menschlichen Siedlungen in Tiefen von 30 bis 150 Metern auf, schreibt das Team im Fachblatt „Science Advances. Die Tiere hatten sich in bis zu 200 Kilometer vom britisch-US-amerikanischen Militärstützpunkt Diego Garcia entfernte, meist sehr abgelegenen Regionen aufgemacht, in denen sie durchschnittlich 35 bis 40 Meter tief zum Meeresgrund tauchten. Immer wieder erreichten die Echten Karettschildkröten aber auch Tiefen von mehr als 60 Metern.

Die meisten Tiere waren dabei in der Great Chagos Bank unterwegs, die mit einer Fläche von 12.642 Quadratkilometern fast so groß wie Schleswig-Holstein damit die größte zusammenhängende Atoll-Gruppe auf der Erde ist. Dort ist das Wasser im Durchschnitt 75 Meter tief.

Da Schwämme die Leibspeise der Echten Karettschildkröten sind, vermuten Graeme Hays und seine Gruppe, dass in diesen düsteren Zwielicht-Zonen in Tiefen zwischen 30 und 150 Metern nicht nur viele Exemplare dieses Tierstammes, sondern auch von anderen wirbellosen Tieren leben. Dieses wahrscheinlich reiche Unterwasserleben ist bisher kaum untersucht, scheint aber ein sehr wichtiger Lebensraum zu sein, der nicht nur Schildkröten, sondern auch andere große Meeresräuber, etwa Haie, anlockt.

„Der von den Vereinten Nationen beschlossene Schutz von Hochseegebieten sollte daher nicht nur diese Gebiete im Chagos-Archipel, sondern auch andere Regionen in diesen Meerestiefen als Schlüsselregionen für den Artenschutz in Erwägung ziehen“, folgern Graeme Hays und sein Team aus ihrer Studie. Die internationale Fischerei ist auf die reichen Unterwasser-Ökosysteme in diesen Gebieten bereits aufmerksam geworden.

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