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Korallenriffe wie hier vor Mexiko sind Hotspots der Artenvielfalt, aber nur, so lange die Korallen leben.

© mauritius images / Image Source / Rodrigo Friscione

Karibik ohne Korallen: Atlantische Riffe akut von Bleichen bedroht

Dass die globale Erwärmung empfindliche Korallen gefährdet, ist lange bekannt. Derzeit extrem hohe Wassertemperaturen könnten Riffe im Golf von Mexiko und der Karibik zerstören.

Wassertemperaturen über 30 Grad Celsius sind laut gängiger Empfehlung ideal für Entspannungsbäder – für Menschen, in der Badewanne. Für Korallenriffe bedeuten sie Stress. Das kann so weit gehen, dass die Polypen, die die Riffe erschaffen, Algen abstoßen, mit denen sie in Symbiose leben. Sie verbleichen und sterben nach wenigen Wochen ab, wenn sie keine neuen Algen aufnehmen. Ohne lebende Korallen verfällt das Riff. Es wiederzubeleben, ist nach Einschätzung von Fachleuten kaum möglich.

Wegen des beginnenden Klimaphänomens El Niño und damit einhergehenden hohen Meerestemperaturen könnten in den nächsten Monaten große Korallenbleichen in vielen Ozeanregionen bevorstehen. Besonders hoch ist das Risiko im Golf von Mexiko, wo die Temperaturen an der Oberfläche bereits deutlich über 30 Grad liegen – im Schnitt zwei bis drei Grad höher als gewöhnlich um diese Jahreszeit.

Wasser wie im heißen Bad

Durch den Klimawandel und die damit einhergehende Ozeanerwärmung sind die Wassertemperaturen im Vergleich zur Situation vor zehn oder 20 Jahren erhöht. „Wenn dann noch El Niño dazu kommt, kann das zu extremen Wassertemperaturen von 35 oder 36 Grad führen“, sagte Christian Wild, Ökologe an der Universität Bremen dem Science Media Center Germany. Diese Höchstwerte liegen im Bereich dessen, was man als heißes Bad empfindet.

„Für die Korallenriffe in der Karibik, aber insbesondere im Golf von Mexiko, bedeuten diese sehr hohen Wassertemperaturen ein hohes Risiko für eine großflächige Korallenbleiche“, sagt Wild. Die aktuelle Extremsituation wird nach Einschätzung des Meersökologen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Massenbleiche mit anschließendem Absterben der Korallen führen, weil die Wassertemperaturen so hoch sind, dass es lange dauern wird, bis sie wieder auf ein verträgliches Maß fallen. „Ich rechne mit mehreren Monaten.“

Bei extrem hohen Temperaturen können Korallen auch ohne vorhergehende Bleiche durch den Hitzestress absterben, wie es während des El-Niño-Sommers 2016 am Great Barrier Reef vor Australiens Ostküste beobachtet wurde. Damals ging fast ein Drittel der Korallenbedeckung des Riffs verloren – und damit besonders wertvolle Ökosysteme.

Globale Bleiche befürchtet

Korallenriffe nehmen weniger als ein Prozent der Meeresböden ein, beherbergen oder ernähren aber rund ein Viertel des marinen Lebens. Ihr Verlust ist verheerend für die Gesundheit der Ozeane und für die Menschen, die auf gesunde Riffe angewiesen sind, etwa für Fischerei oder Tourismus.

„Korallenwissenschaftler bereiten sich schon jetzt auf ein Jahr vor, das Rekorde brechen und eine vierte globale Korallenbleiche sehen könnte“, sagt Verena Schoepf, Ökologin an der Universität Amsterdam. In den nächsten Monaten seien vor allem die Korallenriffe auf der Nordhalbkugel gefährdet. „Aber auch im Südchinesischen Meer oder entlang der pazifischen Küste von Mittelamerika drohen Korallenbleichen“, sagt Schoepf. Es sei „erschreckend“, dass einige Riffe bereits jetzt betroffen sind, etwa vor Florida und Belize. Längerfristig hänge viel davon ab, wie sich El Niño weiterentwickeln wird, auch auf der Südhalbkugel.

Ist den Riffen im zu warmen Wasser kurzfristig zu helfen? „Die kurze Antwort ist leider: nein“, sagt Schoepf. Es gebe zwar Ansätze, etwa, Korallenriffe mit Strukturen zu versehen, die Licht und damit Hitze mindern. In Laborexperimenten könnten auch bestimmte Bakterien Korallen unter Hitzestress helfen, weniger stark zu bleichen und sich besser gegen Krankheiten zu verteidigen. „Solche Ansätze sind aber schwer auf größeren Flächen einzusetzen“, sagt die Biologin. Örtliche Behörden könnten betroffene Riffe nur eine Zeit lang für Taucher oder andere Nutzer sperren, um Stressfaktoren zu reduzieren. „Die einzige nachhaltige und langfristige Lösung ist, die globale Erwärmung möglichst schnell und möglichst stark zu verlangsamen“, sagt Schoepf.

Der Tauchtourismus verliert Reiseziele und die örtliche Bevölkerung Einnahmequellen.
Der Tauchtourismus verliert Reiseziele und die örtliche Bevölkerung Einnahmequellen.

© Getty Images/Michele Westmorland

Allerdings werden 70 bis 90 Prozent aller Korallenriffe selbst dann geschädigt, wenn es gelingt, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. „In diesen Szenarien wird noch nicht mit eingerechnet, dass Korallen sich möglicherweise zu einem bestimmten Grad anpassen können“, sagt Schoepf. Wie weit ist allerdings noch Gegenstand aktueller Forschung.

„Die Aufforstung von geschädigten Riffen ist leider sehr teuer und aufwendig – und nicht immer erfolgreich“, so die Biologin. Angesichts voraussichtlich weiter zunehmender Hitzewellen stelle sich auch die Frage, wie nachhaltig das sein könne. „Korallenriffe werden nur eine Chance haben, wenn an allen Fronten gekämpft wird und die Abschwächung des Klimawandels mit Aufforstung und Innovationen einhergeht, die ihre Anpassungsfähigkeit erhöhen.“

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