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Dürren, die im Klimawandel häufiger und länger werden, tragen zum Hunger in Afrika bei.

© Foto: dpa/Farah Abdi Warsameh

Mehr Hitze, Hunger und Infektionskrankheiten: Report: „Gesundheit ist fossilen Brennstoffen ausgeliefert“

Gesundheitsfachleute zeigen auf, wie schwerwiegend gesundheitliche Folgen des Klimawandels bereits sind. Wirtschaftlich ist innerhalb Europas Deutschland besonders betroffen.

Der jetzt veröffentlichte „Lancet Health Countdown on Health and Climate Change“ liest sich ein wenig wie die moderne Version der sieben biblischen Plagen: Hitze, Mücken, Seuchen, Armut, Wirtschaftskrisen, Umweltverschmutzung und Krieg. All diese Faktoren nahmen auch im aktuellen Betrachtungszeitraum wieder zu.

Zwischen 2017 und 2021 gab es im Vergleich zum Zeitraum 2000 bis 2004 68 Prozent mehr Tote in Verbindung mit Hitze. „Die menschliche Gesundheit, die Lebensgrundlagen, die Haushaltsbudgets und die Volkswirtschaften werden in Mitleidenschaft gezogen, da die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen außer Kontrolle gerät“, kommentiert UN-Generalsekretär António Guterres die Ergebnisse. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse seien eindeutig: Massive, vernünftige Investitionen in erneuerbare Energien und Klimaresilienz würden den Menschen in allen Ländern ein gesünderes und sichereres Leben ermöglichen.

Der vom Wellcome Trust finanzierte Lancet Countdown wurde von 99 Fachleuten aus 51 Institutionen geschrieben, darunter die Weltgesundheitsorganisation und die Weltorganisation für Meteorologie und wurde unter der Federführung des University College London veröffentlicht.

Er umfasst 43 Indikatoren, darunter neue und verbesserte Messgrößen, die überwachen, welche Folgen extreme Temperaturen für die Ernährungssicherheit haben, wie sich die Luftverschmutzung in Haushalten entwickelt und inwiefern die fossile Brennstoffindustrie auf eine gesunde Zukunft ausgerichtet ist. Der neue Bericht erscheint in der Zeitschrift „The Lancet Public Health“.

Neben den direkten Opfern von Hitze verursachen die steigenden Temperaturen auch indirekt eine höhere Last für das Gesundheitssystem: Wärmere Temperaturen begünstigen die Ausbreitung von Infektionskrankheiten vor allem durch stärkere Verbreitung von krankheitsübertragenden Insekten. So stieg die Zahl der Monate, in denen Malaria übertragende Insekten in den eigentlich kühlen Hochlandregionen des amerikanischen Kontinents überleben können, zwischen 2012 und 2021 im Vergleich zur Zeit von 1951 bis 1961 um 31 Prozent.

In den Hochebenen Afrikas stieg dieser Faktor für die gleichen Zeiträume um 13,8 Prozent. In den letzten vier Jahrzehnten hat die Erwärmung des Klimas in Europa dazu geführt, dass die Blütezeit der wichtigsten für Allergien relevanten Bäume Birke, Erle und Olive zehn bis 20 Tage früher beginnt.

Wohlfahrtssysteme leiden unter Klimawandel

Was den menschengetriebenen Klimawandel so fatal macht, sind all die indirekten Effekte auf Lebensqualität und letztendlich auch Gesundheit: Durch die wirtschaftlichen Klimaschäden entsteht mehr Druck auf Systeme, die bereits durch die Corona-Pandemie und die Inflation betroffen sind. So drohen sozioökonomische Schäden, die wiederum zu einem schlechteren Gesundheitszustand in der Bevölkerung führen können.

470 Milliarden potenzielle Arbeitsstunden gingen laut dem Bericht alleine 2021 durch Hitzeauswirkungen verloren. In Ländern mit einem geringen Human Development Index (HDI), deren Sozialsysteme ohnehin anfällig sind, macht das 5,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, die in Form von Steuern und privaten Zahlungen wiederum im Gesundheitssystem fehlen.

Das Gesundheitssystem als vorderste Frontlinie in der Verteidigung gegen Klimafolgen ist geschwächt, folgern die Autor:innen: Nur 51 Prozent der untersuchten 95 Länder hätten ihre Klimafolgenanpassungsstrategien geprüft und 63 Prozent hätten einen hohen bis sehr hohen Umsetzungsstatus für Maßnahmen im Gesundheitsnotfallmanagement, etwa im Fall einer Pandemie.

Der Klimawandel gefährdet auch die Ernährungssicherheit. Hinzu kommen Effekte der Corona-Pandemie, die Lebensmittellieferketten und zuvor erreichte Entwicklungsziele weiter destabilisierte. „Die Zahl der Unterernährten stieg während der Covid-19-Pandemie und bis zu 161 Millionen Menschen zusätzlich sahen sich 2020 im Vergleich zum Vorjahr mit Hunger konfrontiert.“ Durch den Einfluss des Ukraine-Krieges könnten 2022 noch 13 Millionen Menschen zusätzlich unterernährt sein.

Immer noch starke Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen

Auch in Europa trifft der Klimawandel die Wirtschaft: Letztes Jahr wurden in Europa die höchsten wirtschaftlichen Verluste aufgrund von klimabedingten Extremereignissen beobachtet, mit einem absoluten wirtschaftlichen Verlust von knapp 48 Milliarden Euro. Der größte Teil der wirtschaftlichen Verluste entfiel auf Deutschland mit über 30 Milliarden Euro. Dies entspricht 63 Prozent der gesamten europäischen Verluste.

Und es sieht nicht so aus, als würden die schädlichen Folgen der Klimaveränderungen bald abebben: 30 Jahre nach der Etablierung der UN-Rahmenvereinbarung zum Klimawandel hat die Kohlenutzung global nur um ein Prozent abgenommen, erneuerbare Energien machen lediglich 8,2 Prozent des globalen Energiemixes aus. „Gesundheit ist fossilen Brennstoffen ausgeliefert“, lautet die Unterzeile des Berichts.

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Verbesserungen bei der Emissionsreduktion und der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen kämen direkt der globalen Gesundheit zugute: 1,2 Millionen Tote sind jährlich aufgrund von brennstoffverursachten Partikeln zu verzeichnen.

11,5 Millionen Menschen sterben an ernährungsbedingten Krankheiten, die durch einen Umstieg auf pflanzenbasierte Ernährungsweisen vermieden werden könnten. Das würde auch den Anteil der Landwirtschaft von 55 Prozent an den weltweiten Emissionen senken und damit Klimafolgen abmildern.

Hoffnungsfunken glimmen aber auch im Energiesektor selbst: Die Beschäftigungszahlen im Bereich der erneuerbaren Energien übertrafen zudem erstmalig die Beschäftigungsraten von Unternehmen der fossilen Industrie. Die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien stieg seit 2019 um fünf Prozent, während die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der fossilen Brennstoffe seit 2019 um zehn Prozent zurückging.

Auch der Gesundheitssektor will umdenken: So ist er zwar für 5,2 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich, im Rahmen des COP26-Programms verpflichteten sich aber 60 Länder, auf klimaresiliente und niedrig- oder null-Kohlendioxid-ausstoßende Gesundheitssysteme hinzuarbeiten.

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