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Kopfunter „bestattet“: Erste fotografische Dokumentation des Statuenkopfes 2004 in der Oase Tayma in Saudi Arabien. Der Entdecker, DAI-Archäologe Arnulf Hausleiter, ist rechts im Bild, mit Kamera und weißem Turban.

© DAI Orient-Abteilung/R. Eichmann / DAI Orient-Abteilung/R. Eichmann

Schlüsselfunde der Berliner Archäologie: Ein Gesicht aus vorislamischer Zeit

Ein Statuenkopf, abgetrennt und sorgsam „bestattet“: Arnulf Hausleiter vom DAI ist bis heute begeistert von dem Fund, den er in der Oase Tayma in Saudi-Arabien machte.

„Wenn man einem Menschen nach 2400 Jahren in die Augen blickt, ist das etwas ganz Besonderes“, erzählt Arnulf Hausleiter von der Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, der seit 2004 in der Oase Tayma im Nordwesten Saudi-Arabiens gräbt. Die zweite Kampagne in jenem Jahr war fast zu Ende, als er und seine Kollegen bei der Ausgrabung an einem Mauerabsatz eines Tempels aus der Nabatäerzeit plötzlich auf etwas mit einer gerundeten Oberfläche stießen.

„Erst dachten wir an eine Steinsetzung, doch dann sahen wir einen Haaransatz und ein Ohr“, erzählt Hausleiter. Sie gruben einen Kopf aus, der nicht einfach herabgestürzt war, sondern mit dem Gesicht nach unten ordentlich deponiert worden war. Als sie den Kopf geborgen hatten, zeichnete sich das 2400 Jahre alte Gesicht noch im Sand ab, da er offensichtlich die ganze Zeit dort so gelegen hatte.

„Das ist schon etwas anderes, als wenn man etwa ein Rollsiegel findet. Es ist einfach toll, gleich am Anfang einer neuen Grabung solch einen Fund zu machen“, sagt Hausleiter. Die Begeisterung über den Fund von damals, der einiges auslöste, ist heute noch zu spüren.

Der Kopf bleibt in seiner Heimat

Vertreter der Antikendirektion von Saudi-Arabien waren ebenfalls auf der Grabung dabei, und so wurde der wertvolle Kopf gleich ins nahe gelegene Museum von Tayma gebracht, wo die Expedition untergebracht war. Der Sandsteinkopf gehörte zu einer Herrscherstatue aus der Dynastie von Lihyan aus dem 4. bis 2. Jahrhundert vor unserer Zeit. Unterkörper, Beine und Gewand der mächtigen Figur, die 3,50 Meter hoch gewesen sein muss, fanden die Archäologen verbaut im umliegenden Mauerwerk. Ein zweiter Unterkörper zeigte Spuren von Bemalung, er trug einen roten Gürtel.

„Den Kopf haben die Menschen damals ordentlich aus Respekt vor der Figur bestattet und das Gesicht verdeckt. Nach ihrer Vorstellung waren die steinernen Figuren lebendig. Dieser Fund war für uns der erste Hinweis, dass wir eine visuelle Repräsentation von Würdenträgern in Tayma haben“, erzählt Hausleiter.

Bisher kannte man Köpfe solcher Statuen nur aus der großen Nachbaroase Dedan, dem Hauptort der Dynastie von Lihyan. Damit habe man den archäologischen Beweis erbracht, dass die Oasen von Tayma und Dedan miteinander in enger Beziehung standen. Später gemachte Inschriftenfunde zeigten, dass Dedan die Oase von Tayma zu dieser Zeit kontrolliert hat.

Zeuge einer eigenständigen Kultur

Für Tayma war der Fund eine zentrale Entdeckung. Sechs bis sieben Figuren sind inzwischen ausgegraben worden. Sie sind unterschiedlich groß und drücken damit auch einen unterschiedlichen Rang aus. Der Stil der Figuren ähnelt ägyptischen Darstellungen, weist aber davon abweichende Merkmale in der Haar- und Barttracht auf. Damit ist auch bewiesen, dass die Kultur von Tayma und Dedan etwas Eigenes ist.

Mit der Entdeckung dieser Monumentalfiguren in einer scheinbar abgelegenen Gegend wird die Kultur der Arabischen Halbinsel heute neu gesehen. Tayma und Dedan waren wichtige Oasen entlang der Weihrauchstraße zwischen Südarabien und dem Mittelmeer und daher von großer Bedeutung.

Bei späteren Grabungen entdeckten die Archäologen Inschriften, die die Beziehungen zwischen Dedan und Tayma erhellen. „Alle zehn Jahre ist der König nach Tayma gekommen, um nach dem Rechten zu sehen und hat sich dann mit Inschriften verewigt“, sagt Hausleiter. Eine permanente Siedlung ist spätestens seit dem dritten Jahrtausend vor unserer Zeit nachgewiesen. Das deutet auf eine hohe Konstanz, was die Bedeutung des Ortes unterstreicht.

Später wurde in Tayma die Stele des babylonischen Königs Nabonid gefunden, die seinen Aufenthalt bezeugte, ein klares Zeichen von Eroberungskunst. Beide Objekte, der Herrscher-Kopf und die Stele, wurden auf Welttournee geschickt und waren in der Ausstellung „Roads of Arabia“ 2012 auch in Berlin auf der Museumsinsel zu sehen.  

Für Saudi-Arabien war das eine wichtige Entdeckung, unterstreicht sie doch die Kultur der vorislamischen Zeit und eine eigenständige kulturelle Tradition.

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