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Arm zu sein, ist lebensgefährlich, zeigt eine neue Studie.

© IMAGO/ZUMA Wire/Amy Katz

Lebensgefahr ab 40: Armut ist in den USA Todesursache Nummer vier

Im Jahr 2019 standen mindestens 183.000 Todesfälle in den USA mit Armut in Verbindung. Sie sei so tödlich wie Schlaganfälle oder Diabetes, sagen Fachleute.

Armut ist lebensgefährlich. Was schön seit Langem bekannt ist und naheliegend klingt, wurde nun wissenschaftlich belegt. Ein internationales Forschungsteam hat herausgefunden, dass 2019 mindestens 183.000 Todesfälle in den USA mit Armut in Verbindung standen.

Damit zählt vor allem langanhaltender Armut in den Staaten zu den vier häufigsten Todesursachen. Die ersten drei Plätze belegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Folgen des Rauchens, wie es in der Studie im „Journal of the American Medical Association“ heißt.

Da bestimmte Bevölkerungsgruppen viel häufiger von Armut betroffen sind, können unsere Schätzungen das Verständnis für Ungleichheiten in der Lebenserwartung verbessern.

Ulrich Kohler, Professor für Methoden der empirischen Sozialforschung an der Universität Potsdam

„Armut ist damit genauso tödlich wie Demenz, Unfälle, Schlaganfall, Alzheimer und Diabetes – und hat zehnmal so viele Opfer gebracht wie alle Tötungsdelikte im Jahr 2019“, sagte Hauptautor David Brady. Dennoch würde dem Thema sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt, so der Professor für Politikwissenschaften an der University of California in Riverside.

Ungleichheiten in der Bevölkerung

Er und sein Team, zu dem auch der Potsdamer Soziologe Ulrich Kohler gehört, schätzten die Zahl der Todesfälle durch Armut, indem sie Einkommensdaten und Haushaltsumfragen aus verschiedenen Datensätzen analysierten und abglichen. Eingeschlossen wurden Bürgerinnen und Bürger ab 15 Jahren. Die über 180.000 Todesfälle sind laut den Forschern eine noch recht konservative Annahme, da die Daten aus dem Jahr 2019 stammen – also von vor der Corona-Pandemie.

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass Menschen, die in den USA in Armut leben, also weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens verdienen, bis zu ihrem 40. Lebensjahr in etwa gleiche Überlebensraten haben. Danach leben sie deutlich kürzer als Menschen mit einem höheren Einkommen.

11,6
Prozent der Gesamtbevölkerung in den USA lebte 2021 in Armut.

Ihre Ergebnisse haben politische Dimensionen, betonen die Forscher. „Da bestimmte Bevölkerungsgruppen viel häufiger von Armut betroffen sind, können unsere Schätzungen das Verständnis für Ungleichheiten in der Lebenserwartung verbessern“, so Kohler.

Laut Erhebungen des US Census Bureau lag das durchschnittliche jährliche Haushaltseinkommen von US-Haushalten im Jahr 2021 bei rund 70.800 US-Dollar, das sind umgerechnet 64.000 Euro. Weiße Haushalte verdienten mit rund 78.000 US-Dollar pro Jahr deutlich mehr als hispanische (58.000 US-Dollar) oder schwarze Haushalte (48.000 US-Dollar). Diese Diskrepanz sei in großen Teilen strukturellem Rassismus geschuldet.

Nicht zuletzt seien die Todesfälle auch mit hohen wirtschaftlichen Kosten verbunden, heißt es in der aktuellen Studie. „Wenn es weniger Armut gäbe, wären die Menschen gesünder und ihr Wohlbefinden besser, sie könnten mehr arbeiten und wären produktiver“, sagte der Soziologe Kohler. „All dies sind ganz rationale Vorteile von Investitionen in Menschen durch sozialpolitische Maßnahmen.“

Die USA wiesen eine weit höhere Armutsrate als vergleichbare demokratische Länder auf. Wie aus einem Bericht des Census Bureau hervorgeht, lebten im Januar 2021 rund 37,9 Millionen US-Amerikaner:innen in Armut, was 11,6 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Bis Februar 2022 stieg die Rate auf 14,4 Prozent an.

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