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Tuberkulose-Patienten wurde dazu geraten, Liegekuren bei frischer Luft zu machen, viel Sonne zu tanken, manchmal wurde auch Opium als Betäubungsmittel verabreicht.

© archiv

Tagesrückspiegel – Heute vor 141 Jahren: Wie Robert Koch den Tuberkulose-Erreger entdeckte

Mit seiner Entdeckung des Bakteriums Mycobacterium tuberculosis wurde der Mediziner schlagartig berühmt. Doch ein voreiliger Schritt beschädigte Kochs Ruf und Ansehen erheblich.

Eine Kolumne von Miray Caliskan

Was haben Franz Kafka, Frédéric Chopin, Johann Wolfgang von Goethe und Nelson Mandela gemeinsam? Eine Erkrankung, die einen so erschöpft, körperlich so abbauen lässt, dass sie zum Tod führen kann: Tuberkulose.

Seit 3000 Jahren verfolgt die Schwindsucht die Menschheit. Verursacht wird sie von stäbchenförmigen, widerstandsfähigen Bakterien, die durch Tröpfchen übertragen werden. Obwohl die Schwindsucht grundsätzlich alle Organe, wie die Haut, befallen kann, ist in den allermeisten Fällen die Lunge betroffen.

Die Symptome? Waren und sind bis heute sehr unspezifisch. Müdigkeit, Kraftlosigkeit, nächtliches Schwitzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust. Im fortgeschrittenen Stadium entwickeln Betroffene einen heftigen Husten mit blutigem Auswurf.

Aufnahme aus einem Krankhenhaus, circa 1900. Seit 3000 Jahren verfolgt die Schwindsucht die Menschheit.

© imago

Die Krankheit wurde im 19. Jahrhundert, als sie sich fast über die gesamte Welt ausbreitete, als Weiße Pest bezeichnet – oder als bleiches Sterben. Lange waren Mediziner ratlos, Ursache und Verbreitungswege waren nicht bekannt, zu einer Zeit, als im Deutschen Reich fast jeder siebte Mensch nach einer Ansteckung an den Folgen der Tuberkulose starb.

Den Betroffenen wurde lediglich dazu geraten, Liegekuren bei frischer Luft zu machen, viel Sonne zu tanken, manchmal wurde auch Opium als Betäubungsmittel verabreicht.

Erst mit der Entdeckung des Bakteriums Mycobacterium tuberculosis durch Robert Koch (1843-1910) gelang der Durchbruch. Am 24. März 1882, heute vor 141 Jahren, gab er den Erfolg am Berliner Institut für Physiologie bekannt – sein Vortrag über die „Ätiologie der Tuberkulose” machte ihn schlagartig weltberühmt. Doch wie spürte er sie auf?

Der Mediziner und Mikrobiologe Robert Koch erhielt für seine Entdeckung des Bakteriums Mycobacterium tuberculosis 1905 den Nobelpreis für Medizin.

© picture alliance/dpa

Der Mediziner und Mikrobiologe verwendete spezielle Färbemethode, um das Tuberkulose-Bakterium unter dem Mikroskop sichtbar zu machen. Er isolierte auch das Bakterium aus dem Gewebe von infizierten Tieren und kultivierte es auf festen Nährböden. So verwendete er die Bakterien für weitere Experimente, infizierte damit gesunde Tiere und beobachtete, dass auch sie an Tuberkulose erkrankten.  

Für seine Entdeckung erhielt Koch 1905 den Nobelpreis für Medizin, viel später also. Das lag höchstwahrscheinlich daran, dass er 1890 Tuberkulin als vermeintliches Heilmittel von Tuberkulose der Welt vorstellte.

Allerdings hatte er das Mittel – er konnte später nicht einmal angeben, was genau darin enthalten war – nur an wenigen Patient:innen erprobt und voreilig die Ergebnisse veröffentlicht. Er verkaufte es an andere Mediziner, versuchte Profit daraus zu schlagen. Bis immer mehr seiner Kollegen über schwere Nebenwirkungen und Todesfällen durch Tuberkulin berichteten. Tuberkulin hatte damit keine heilende Wirkung, wie von Koch propagiert.

1,5
Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen einer Tuberkulose

Der Skandal beschädigte Kochs Ruf und Ansehen erheblich. Doch das hielt ihn nicht davon ab, sich Zeit seines Lebens weiterhin für den Kampf gegen die Tuberkulose zu engagieren. Heute wird Tuberkulose mit einem Antibiotika-Mix behandelt. Eine Impfung gibt es nicht.

In Deutschland ist Tuberkulose kaum noch ein Thema: 2022 erkrankten bundesweit etwa 4000 Menschen. Jährlich sterben nach Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 1,5 Millionen Menschen an der Krankheit. Schätzungsweise zehn Millionen erkranken, vor allem dort, wo Armut herrscht, es an Hygiene mangelt, Menschen in beengten Verhältnissen leben müssen. Indien, Indonesien, China, die Philippinen und Bangladesch sind am meisten betroffen, gefolgt von Nigeria, Pakistan und Südafrika.

Ein Viertel bis ein Drittel aller Menschen weltweit trägt den Erreger vermutlich in sich, doch bei den meisten ist das Immunsystem stark genug, eine Erkrankung abzuwehren.

Am 24. März wird mit dem Welt-Tuberkulose-Tag der Blick auf die tödliche Krankheit gelenkt. Seit dem Auftreten antibiotikaresistenter Stämme geht die Hoffnung zurück, dass man die Krankheit jemals vollständig ausrotten könnte.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der Kolumne auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

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