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Ein Bonobo-Weibchen der einen Gruppe pflegt das Fell eines Männchens aus einer anderen.

© Martin Surbeck, Kokolopori Bonobo Research Project

Teamwork im Regenwald: Bonobos arbeiten auch mit entfernt Bekannten zusammen

Der nächste lebende Verwandte des Menschen ist der Schimpanse. Doch beim Sozialverhalten in Gruppen steht uns der Bonobo näher.

Unter modernen Menschen ist Kooperation auch über Familienbande und sogar über die Nachbarschaft hinaus durchaus üblich. Wir arbeiten häufig mit anderen Personen zusammen, die nicht zur eigenen Gruppe gehören, engagieren uns in Vereinen, treiben Sport mit anderen und pflegen auch sonst normalerweise einen freundschaftlichen Umgang mit uns persönlich fremden Menschen.

Das sieht bei den nächsten lebenden Verwandten des Menschen, den Schimpansen (Pan troglodytes), schon ganz anders aus: Sie kooperieren meist nur mit Mitgliedern ihrer eigenen Gruppe. Begegnungen mit anderen Schimpansen können dagegen durchaus zu aggressivem Verhalten und sogar zum Tod von Tieren führen. Die ebenso nah mit uns verwandten Bonobos (Pan paniscus) aus der Gattung der Schimpansen ähneln uns in dieser Hinsicht stärker. Wie ein Forschungsteam in der Zeitschrift „Science“ berichtet, kooperieren Bonobos durchaus auch über soziale Grenzen hinweg.

Exklusive Beobachtungen

Die Forschenden um Liran Samuni vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen und von der Harvard University und Martin Surbeck, ebenfalls an der Harvard University tätig sowie am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (EVA) in Leipzig, untersuchten 31 erwachsenen Tiere, die in den beiden Gruppen „Ekalakala“ und „Kokoalongo“ im Kokolopori Bonobo Reservat im Tiefland-Regenwald der Demokratischen Republik Kongo leben. In dem von der lokalen Bevölkerung getragenem Schutzgebiet, das mit 4875 Quadratkilometern fast die doppelte Fläche des Saarlandes hat, baute Surbeck im Jahr 2016 eine Feldstation auf. Damit begann der Schweizer Verhaltensbiologe eines der ganz wenigen Projekte, in denen Bonobos in der Natur beobachtet werden.

Wenn zwei Gruppen der Tiere aufeinandertreffen, läuft das bei Bonobos in der Regel friedlich ab.
Wenn zwei Gruppen der Tiere aufeinandertreffen, läuft das bei Bonobos in der Regel friedlich ab.

© Liran Samuni, Kokolopori Bonobo Research Project

Solche Freilandstudien sind vor allem deshalb schwierig, weil diese Tiere in Gegenden leben, die schwer zugänglich sind und weil sie dort Menschen möglichst aus dem Weg gehen. Daher gewöhnen Forscher wie Surbeck und sein Team die Bonobos erst einmal an ihre Anwesenheit. Weil im Schutzgebiet relativ viele Bonobos leben, lernten dort gleich vier Gruppen Menschen zu tolerieren und wurden so für die Wissenschaft gewonnen.

Partnerwahl unter Vertrauten

Gelegenheit zu Kooperation mit anderen Gruppen haben diese Bonobos reichlich: In zwei Jahren haben Samuni und Surbeck 92 Begegnungen zwischen der Ekalakala- und der Kokoalongo-Gruppe beobachtet. So richtig fremd sind sich die Tiere also nicht, die allermeisten kennen sich von vorherigen Begegnungen. Denn diese sind nicht nur flüchtig. Häufig verbringen die Gruppen gleich mehrere Tage miteinander.

In dieser Zeit scheinen sich die Grenzen der Gruppen ein wenig aufzulösen – zumindest für die Menschen, die das Geschehen beobachten. Die Bonobos aber wissen offensichtlich zu jeder Zeit, wohin sie gehören: Normalerweise gehen die Gruppen in der gleichen Zusammensetzung auseinander, in der sie auch zusammengekommen sind. Diese Treue zum persönlichen Umfeld gilt auch für die Partnerwahl: „Die Neugeborenen haben fast immer Väter aus der eigenen Gruppe“, sagt Surbeck.

Der Zoologe und sein Team haben auch eine wichtige Voraussetzung für solche langen und friedlichen Gruppentreffen gefunden: „Dort gibt es viel Futter, es ist genug für alle da und Rivalitäten um Nahrung sind daher nicht nötig.“ Das scheint bei Schimpansen anders zu sein: Bei ihnen können Männchen sich zu kleinen Trupps zusammenschließen, die an den Grenzen ihres Territoriums oder darüber hinaus patrouillieren und Mitglieder der anderen Gruppe attackieren. In Jane Goodalls Langzeitstudie im Gombe-Nationalpark in Tansania wurden mehrere solcher Kriegszüge dokumentiert.

Nach einer Gruppenbegegnung rufen diese erwachsenen Weibchen gemeinsam und weithin hörbar.
Nach einer Gruppenbegegnung rufen diese erwachsenen Weibchen gemeinsam und weithin hörbar.

© Liran Samuni, Kokolopori Bonobo Research Project

Bei den Bonobos dagegen steht Kooperation auch zwischen Individuen verschiedener Gruppen im Vordergrund: Sehr häufig pflegen sich die Tiere gegenseitig das Fell und stärken damit ihre sozialen Beziehungen. Andere Bonobos, meist handelt es sich um Weibchen, bilden Koalitionen, um sich nicht von anderen, sehr häufig männlichen Tieren belästigen zu lassen. Oder sie teilen Nahrung mit Mitgliedern aus der anderen Gruppe. Dieses selbstlos erscheinende Verhalten zeigen sie oft auch dann, wenn sie nicht unmittelbar daraufhin von ihrem Gegenüber belohnt werden.

Die Teamworker innerhalb einer Gruppe kooperieren meist auch eifriger mit Individuen von außerhalb, die sich ihrerseits in ihrer Gruppe besonders kooperativ zeigen. Weit liegen Bonobos und Menschen also nicht auseinander – zumindest mit Blick auf Zusammenarbeiten außerhalb des direkten Umfeldes. „Solche Studien können also durchaus Hinweise darauf geben, wie es zu solchem kooperativen Verhalten kommen kann“, sagt Surbeck.

„Allerdings sollte man sich bei solchen Untersuchungen nicht nur auf Bonobos verlassen“, erklärt Joan Silk von der Arizona State University im US-amerikanischen Tempe in einem Begleitartikel in „Science“. Gibt es doch auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit den Schimpansen, die für die Entwicklung der Menschheit einst ebenfalls extrem wichtig waren: So jagen Schimpansen und Menschen gerne und verwenden Werkzeuge, um an ihre Ziele zu kommen. Bonobos zeigen dagegen weniger Interesse für solche Verhaltensweisen.

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