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Wenn Krakenweibchen von männlichen Artgenossen begrapscht werden, schleudern sie Schlamm und Muschelschalen.

© imago/imagebroker//Moritz Wolf / imago/imagebroker//Moritz Wolf

Tierischer Jahresrückblick: Wütende Kraken, tanzende Ratten und springende Spinnen

Kraken, die sich gegen Grapscher wehren, Nager, die zu Mozart und Queen wippen oder sexueller Kannibalismus unter Spinnen: Die sechs seltsamsten und interessantesten Verhaltensweisen von Tieren, die 2022 entdeckt wurden.

Kraken, die sich gegen Grapscher wehren, Nager, die zu Mozart und Queen wippen oder sexueller Kannibalismus unter Spinnen: Sechs seltsame, coole und witzige Verhaltensweisen von Tieren, die 2022 entdeckt wurden.

Kraken, die mit Muscheln werfen

Man muss keine weit entfernten Planeten bereisen, um auf die denkbar fremdartigsten Geschöpfe zu stoßen. Oktopusse etwa besitzen acht Arme, die nicht vom Rumpf, sondern vom Kopf ausgehen. Schon der Körperbau macht deutlich, welcher Abgrund uns Wirbeltiere von den Kopffüßern trennt – vor rund 500 Millionen Jahren schlugen primitiven Urtierchen getrennte evolutionäre Pfade ein. Umso erstaunlicher, welche Gemeinsamkeiten es nach all dieser Zeit dennoch zu geben scheint.

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In diesem Jahr haben australische Forscher um Peter Godfrey-Smith von der University of Sydney Kraken beobachtet, die mit Muscheln, Schlick und Steinchen um sich werfen. Nicht etwa mit ihren kraftvollen Armen, sondern mit ihrem Trichterorgan, das ihnen normalerweise zur Atmung und Fortbewegung dient, wie es in der Studie in „Plos One“ heißt.

Die große Frage nun: Leben die intelligenten Tiere so ihre Wutanfälle aus? Auffällig ist immerhin, dass die Würfe häufig auf Artgenossen zielen, die den Werfern nahekommen oder sie gar berühren. Auffällig auch, dass es häufig weibliche Kraken sind, die ihr Gegenüber so attackieren. Vielleicht also platzt auch Krakendamen zuweilen der Kragen, und sie teilen Flegeln auf ihre Weise mit, was sie vom plumpen Anbaggern halten.


Ratten spüren den Groove

Lady Gaga, Mozart oder Queen: Menschen und Ratten wippen in ähnlicher Weise bei Musik mit.

© imago images/photothek / Imago/Photothek/Florian Gärtner

Wenn Laborratten der Queen-Klassiker „Another one bites the dust“ vorgespielt wird, was so viel bedeutet wie „Der Nächste beißt ins Gras“, könnte man an eine makabre Anspielung der Forschenden auf die begrenzte Lebenserwartung der Tiere im Forschungsbetrieb denken. Doch den Ratten im Versuchslabor eines Forschungsteams an der Universität Tokio wurde das Stück mit dem so einprägsamen wie treibendem Bassriff zu einem ganz anderen Zweck vorgespielt.

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Ihnen wurde noch mehr Musik präsentiert, zunächst vor allem klassische: Mozarts Sonate in D-Dur für zwei Klaviere. Außerdem wurden ihnen Lieder von Lady Gaga („Born this way“), Michael Jackson („Beat it“) und Maroon 5 („Sugar“) vorgespielt. Wozu?

„Musik übt eine starke Anziehungskraft auf das Gehirn aus und hat tiefgreifende Auswirkungen auf Emotionen und Kognition“, erklärte der leitende Forscher Hirokazu Takahashi. Die Versuche dienten dazu, den neuronalen Mechanismus zu untersuchen, der dem zugrunde liegt – wie sich zeigte, bei Mensch und Tier.

Videoaufnahmen belegen, dass zwanzig menschliche Probanden und zehn Ratten in ähnlicher Weise bei der Musik mitwippten. Taktgeschwindigkeiten zwischen 120 und 140 Schlägen pro Minute scheinen besonders anregend zu sein, weil sie eher einer Zeitkonstante im Gehirn entsprechen, die artübergreifend ähnlich ist. In dieses Bild passt, dass auch viele erfolgreiche Popsongs in diesem gut tanzbaren Geschwindigkeitsbereich aufgenommen wurden. Mit 112 „beats per minute“ liegt der Queen-Klassiker leicht darunter, aber das macht der Bass wieder wett.


Katapult versus Kannibalismus

Spannung vor dem Abflug: Die Vorderbeine des Spinnenmännchens (rechts) sind bei der Paarung angewinkelt.

© Shichang Zhang / Shichang Zhang

Sich nach erfolgreicher Paarung umgehend aus dem Staub zu machen, kann für männliche Tiere eine erfolgreiche Fortpflanzungsstrategie sein. Anstatt sich etwa mit der Aufzucht der Jungen zu belasten, können sie weitere Weibchen suchen. Besonders erfolgversprechend erscheint die Fluchtstrategie, wenn Männchen nach der Paarung um Leib und Leben fürchten müssen, wie etwa bei Gottesanbeterinnen, einigen Skorpionen und Spinnen, die für sexuellen Kannibalismus bekannt sind.

Einen besonderen Mechanismus haben Männchen der Spinnenart Philoponella prominens entwickelt, berichtete ein Forschungsteam in der Fachzeitschrift „Current Biology“. Nach der Besamung katapultieren sie sich mit speziell zu diesem Zweck umgebildeten Vorderbeinen in Sicherheit. Während der Paarung klappen sie Gelenke darin um und pressen sich an die Weibchen. Dabei baut sich ein hydraulischer Druck auf, der sich in einem plötzlichen Aufklappen entlädt, wenn sich das Spinnenmännchen löst.

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Die Männchen katapultieren sich dadurch mit bis zu 90 Zentimetern pro Sekunde in Sicherheit. Die Beschleunigung entspricht in etwa dem Antritt eines Radrennprofis. Dem Weibchen entgeht damit zwar eine Mahlzeit, die auch die Eierproduktion unterstützen würde, aber die erfolgreiche Flucht des Männchens könnte ihm als Hinweis darauf dienen, einen fitten Partner gefunden zu haben.


Krieg der Mülltonnen

Auch schwere Objekte auf den Deckeln halten die Gelbhaubenkakadus nicht lange von ihrem Ziel ab.

© dpa/Current Biology/Barbara Klump / dpa/Current Biology/Barbara Klump

In Wohngebieten von Sydney gibt es einen Wettstreit zwischen Kakadus und Menschen. Die Vögel haben sich gegenseitig beigebracht, mit Schnabel, Kopf und Füßen die Deckel von Plastikmülltonnen zu öffnen. Genervt von dem Müll, der dadurch auf den Straßen verteilt wurde, versuchten die australischen Anwohner, die hochintelligenten Vögel mit immer neuen Tricks fernzuhalten, etwa indem sie schwere Steine oder Gummiattrappen von Schlangen auf die Deckel platzierten, berichteten Forschende vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz in der Fachzeitschrift „Current Biology“.

Das hielt die Gelbhaubenkakadus nicht lange von ihrem Ziel ab – denn sie entwickelten ihrerseits immer neue Methoden. Die Vögel wuchteten die Hindernisse mit Kopf oder Schnabel über den Rand des Deckels und verschafften sich so wieder freie Bahn; sie passten sich also an, lernten voneinander und nervten die Bewohner umso mehr.

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Bei einer Befragung unter etwa 170 Menschen gaben über 60 Prozent an, mit der Zeit zu immer drastischeren Mitteln gegriffen zu haben. Die aktuellste Idee des Menschen: Sie stecken Schuhe oder Plastikflaschen in die zwei Scharniere der Tonne, so dass sich die Deckel nicht mehr aufklappen lassen. Manche befestigen zusätzlich schwere Objekte, wie gefüllte Wasserflaschen, mit Kabelbindern an den Deckeln. Mal sehen, wie lange das die Kakadus von den Leckereien in der Tonne abhalten lässt. Toastbrot essen sie wohl am liebsten.


Genital-Gegenangriff!

Ein japanischer Laubfrosch spuckt die Faltenwespe wieder aus, nachdem er gestochen wurde.

© Current Biology/Sugiura et al.

Ein Insekt ist ziemlich chancenlos, wenn es einmal im Maul eines Frosches gelandet ist, könnte man meinen. Im Fall der männlichen Faltenwespe Anterhynchium gibbifrons stimmt das nicht. Der Frosch, der sie bereits im Maul hat und sogar beginnt zu kauen, spuckt sie wieder aus. Die Wespe hat nämlich mit ihren stacheligen Genitalien zugestochen und sich so gerettet. Von dieser speziellen Form der Verteidigung berichteten Forscher um Misaki Tsujii und Shinji Sugiura von der Kobe University (Japan) in „Current Biology“.

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Die beiden Forschenden stießen auf das Thema, als sie A. gibbifrons untersuchten und dabei von männlichen Tieren gestochen wurden. Obwohl die Tiere kein Gift beim Zustechen verteilten, schmerzten die Stiche. Ihre Vermutung, dass es sich um einen Pseudostachel handelt, der zur Verteidigung dient, wurde durch die Beobachtung bestätigt, dass sie bei der Paarung nicht eingesetzt wurden. Weibliche Wespen haben dagegen einen Giftstachel, um Feinde abzuwehren.

Die männliche Faltenwespe kann mit ihrem ungiftigen Genital zustechen.

© imago/Cover-Images / imago/Cover-Images

Um das Phänomen genauer zu untersuchen, brachten die Forschenden 17 Wespen im Labor mit jeweils einem Japanischen Laubfrosch zusammen. Zunächst schnappten sich alle Frösche die männlichen Wespen – ein Drittel spuckte die Beute wieder aus. Als nächstes entfernten die Forschenden die Stacheln und wiederholten den Versuch. Alle Wespen wurden gefressen.

Schließlich setzten sie zum Vergleich noch weibliche Wespen ein: Gut die Hälfte der Frösche ignorierte die potenzielle Beute komplett; erfolgte ein Angriff, wurden die allermeisten Wespen wieder ausgespuckt.


Miauende Stimmenerkenner

Katzen können die Sprache, die speziell an sie gerichtet ist, von an Menschen gerichtete Sprache unterscheiden.

© Foto: mauritius images / Alamy / Monika Wisniewska

Über Katzen gibt es viele Vorurteile. Sie seien – zumindest im Vergleich zu Hunden – egoistisch, unabhängig und nicht in der Lage, eine enge Bindung zu „ihren“ Menschen aufzubauen. Eine Studie im Fachblatt „Animal Cognition“ zeigte eine ganz neue Seite der Katze-Mensch-Bindung.

Das Team um Verhaltensbiologin Charlotte de Mouzon von der Universität Paris Nanterre untersuchte, wie 16 Katzen auf vorher aufgenommene Stimmen ihres Besitzers und einer fremden Person reagierten, wenn diese Sätze in einem an die Katze gerichteten und einem an einen Menschen gerichteten Tonfall sagten. Es spielte den Fellnasen entsprechende Tonbandaufnahmen vor und dokumentierte Reaktionen wie Ohrbewegungen, Pupillenerweiterung, Schwanzbewegungen und allgemeine Aufregung.

Tatsächlich nahm die Verhaltensintensität der Katzen zu, wenn statt eines Fremden ihr Halter ihren Namen rief. In einer weiteren Aufnahme sprachen die Besitzer zunächst in Richtung eines anderen Menschen und dann zu ihrem Tier. Die Katzen konnten erkennen, dass sie angesprochen wurden. Die Stimme eines Fremden war den Tieren dagegen ziemlich egal – unabhängig davon, ob sie direkt angesprochen wurden oder sich die Sprachaufnahme an einen anderen Menschen richtete.

Katzen können also Sprache, die speziell an sie gerichtet sei, von an Menschen gerichtete Sprache unterscheiden – und können damit auch eine starke Bindungen zu Menschen aufbauen. (mit dpa)

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