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Mit Murmeln spielende Hummel

© Richard Rickitt

Rock ’n’ Roll: Auch Hummeln wollen spielen

Es galt mal als typisch menschlich: das Spielen. Doch jetzt konnten Forschende sogar Hummeln beim „Daddeln“ beobachten.

Sechs winzige Füße klammern sich in einem Video an eine runde, fast glatte Oberfläche, sie laufen an ihr empor und um sie herum, immer so weit, wie es nötig ist, um das Gleichgewicht zu halten. Vier Flügeln steuern nach. Eine Hummel beschäftigt sich mit einer Holzmurmel, für wenige Sekunden nur, dann lässt das Insekt ab. Die Murmel kullert davon, das Tier läuft ein wenig herum und schnappt sich erneut eine Kugel, um sie zu rollen.

Insekten sind weit davon entfernt, die stumpfsinnigen und gefühllosen Kreaturen zu sein, für die man sie oft hält.

Lars Chittka, Queen Mary University of London

Drei solcher Filme haben Forscherinnen und Forscher aus Großbritannien und Finnland zur Verfügung gestellt. Insgesamt haben sie 54 Stunden Videomaterial aufgezeichnet. Darin sind Versuche dokumentiert, die nur eine Schlussfolgerung zulassen: Hummeln spielen. Ein Verhalten, das bislang vor allem bei Säugetieren und Vögeln beobachtet wurde, nie jedoch bei Insekten. Ihre Ergebnisse und Erkenntnisse veröffentlichten die Forschenden im Fachblatt „Animal Behaviour“.

Energieverschwendung oder Selektionsvorteil?

„Dies ist eine gute Studie, die viele Bedenken der Wissenschaftler hinsichtlich der Frage, ob es sich wirklich um ein Spiel handelt, wirksam ausräumt“, sagt Gordon Burghardt, US-amerikanischer Verhaltensforscher an der University of Tennessee im Knoxville. „Sie wurde streng und sorgfältig durchgeführt, und die Videos sind überzeugend, jedenfalls für mich.“

Sie sammeln fleißig Pollen, bestäuben Blumen, aber in ihrer „Freizeit“ spielen sie auch: Hummeln.
Sie sammeln fleißig Pollen, bestäuben Blumen, aber in ihrer „Freizeit“ spielen sie auch: Hummeln.

© Getty Images/iStockphoto/GlobalP

Burghardt beschäftigt sich schon lange mit der Frage, ob und warum Tiere spielen. Ein Grundsatz in der Forschung lautet, dass alles Verhalten darauf ausgerichtet ist, das Überleben zu sichern und dabei möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Spielen muss man sich demnach leisten können. Burghardt hat ein Standardwerk geschrieben, das herangezogen wird, wenn es darum geht, ob ein bestimmtes Verhalten zweckgebunden ist oder bloßes Spiel.

Um letzteres zu identifizieren, müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein: Das Verhalten darf keine direkte Funktion haben, es muss freiwillig, spontan und befriedigend ausgeübt werden, es darf nicht zielgerichtet oder stereotyp sein und darf zudem nicht erzwungen werden.

Murmeln und Hummeln

All diese Kriterien haben die Forscherinnen und Forscher um Lars Chittka von der Queen Mary University of London in ihrem Versuchsaufbau berücksichtigt. Sie verbanden ein Hummelnest durch einen Tunnel mit einer farbigen Box, die zwei Räume enthielt. Im vorderen Abschnitt der Box war ein geradliniger Pfad angelegt, den die Hummeln zum hinteren Abschnitt zurücklegen konnten. Dort erwartete sie Pollen und Zuckerwasser. Im vorderen Teil waren jedoch zusätzlich gelbe und violette Holzmurmeln rechts und links des Weges ausgelegt.

Obwohl der Weg zur Belohnung nur geradeaus führte, wichen die Hummeln öfter davon ab – um mit den Holzmurmeln zu spielen. Manche der Versuchstiere rollten während des ganzen Versuchs bis zu 117-mal eine Kugel herum. Zudem zeigte sich, dass jüngere Hummeln öfter spielten als ältere und männliche ein wenig häufiger als weibliche.

In einem folgenden Experiment wurde die farbige Box geleert und neben eine andersfarbige Box gestellt. Verließen die Hummeln ihr Nest, hatten sie nun die Wahl zwischen zwei Räumen. Tatsächlich entschieden sie sich häufiger für jene Box, in der sie zuvor das Spielzeug vorgefunden hatten. Den Forschern zufolge ein weiterer Hinweis darauf, dass die Tiere das Spiel suchten.

Ob die Hummeln jedoch auch Spaß beim Spielen haben, könnten nur neurologische Versuche zeigen. Grundsätzlich geht man davon aus, dass Spiel ein Hinweis auf Empfindungsfähigkeit ist. „Die Ergebnisse zeigen, dass die geistigen Fähigkeiten von Insekten weitaus raffinierter sind, als wir denken mögen“, sagt jedenfalls Studienleiter Chittka in einer Pressemitteilung. „Insekten sind weit davon entfernt, die stumpfsinnigen und gefühllosen Kreaturen zu sein, für die man sie oft hält.“

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