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Die Larven von Krebstieren setzen auf ein unauffälliges Äußeres, um nicht gefressen zu werden. Doch ihre Augen können sie verraten.

© Keshet Shavit

Unsichtbar unter Wasser: Wie Krebstierlarven ihre dunklen Augen tarnen

Wie versteckt man sich, wenn man nur von ziemlich durchsichtigem Wasser umgeben ist? Krebslarven nutzen dazu dessen Farbe.

Da es im offenen Wasser kaum Verstecke vor Fressfeinden gibt, verbergen sich viele Organismen dort mit einem Trick. Sie verzichten auf den Farbstoff Melanin in ihrem Gewebe, der zum Beispiel die Haut von Menschen unterschiedlich dunkel färbt.

Ohne dieses Pigment strahlt Licht ohne reflektiert zu werden durch das Gewebe, macht den Körper also transparent und damit praktisch unsichtbar. Nur die Augen bilden eine Ausnahme, weil sie ohne Farbstoffe kein Licht auffangen und wahrnehmen könnten. Um auch diese verräterischen schwarzen Punkte zu tarnen, spannen die Larven von Garnelen eine reflektierende Schicht darüber.

Die Struktur dieses biologischen Spiegels und seine Anpassung an die unterschiedlichen Farbtöne von Wasser in der Natur erklärt eine Gruppe um Benjamin Palmer von der Ben-Gurion-Universität des Negev in Israel und Johannes Haataja von der Universität im englischen Cambridge jetzt in der Zeitschrift „Science“.

Vorbild für mögliche technische Anwendungen

„Nach dem Vorbild solcher biologischen Problemlösungen können auch mit Licht funktionierende Technologien wie Solarenergie oder Fernerkundung optimiert und verbessert werden“, erklären Kate Feller und Megan Porter von der Union College Universität in Schenectady im US-Bundesstaat New York ebenfalls in „Science“. Vor solchen Anwendungen sollte aber erst einmal das Vorbild im Tierreich gut verstanden sein.

Dort stoßen viele Weichtiere, Quallen und andere Organismen bis hin zu Fischen mit einem durchsichtigen Körper als eigentlich perfekte Unterwasser-Tarnung mit ihren Augen an eine unüberwindlich scheinende Grenze: Dunkle Pigmente grenzen die Sehzellen eines Auges voneinander ab. Damit sorgen sie dafür, dass einzelne Lichtreize voneinander abgegrenzt werden und ermöglichen es so, ein klares Bild zu sehen.

Das Schwarz dieser Farbstoffe aber lässt die Tarnung ansonsten durchsichtiger Tiere auffliegen: Da viele zwei Augen haben, müssen Fressfeinde nur nach zwei dunklen Punkten Ausschau halten, die sich im gleichen Abstand voneinander durchs Wasser bewegen.

„Die Larven mehrerer Gruppen von Krebstieren haben unabhängig voneinander eine Lösung dieses fatalen Problems entwickelt“, erklären Feller und Porter: Sie decken das verräterische Schwarz mit einem Reflektor ab, der einstrahlendes Licht in der Farbe des umgebenden Wassers zurückwirft.

Das Team um Palmer und Haataja hat diese spiegelnden Gewebe mit Hilfe von Elektronenmikroskopen und chemischen Analysen untersucht. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf die oft mehr als handgroße Rosenberg-Garnele, die in Flüssen und Seen in Indonesien und Australien zuhause ist, aber auch in anderen warmen Regionen angesiedelt und als beliebte Spezialität gezüchtet wird, sowie auf die Larven anderer Krebstiere aus dem Golf von Akaba.

Farblich passende Tarn-Reflektoren

Deren Bio-Reflektoren bestehen aus rund 400 Nanometer oder 0,4 Tausendstel Millimeter langen Kristallen aus Isoxanthopterin-Molekülen. Sehr ähnliche Strukturen stecken auch in der reflektierenden Schicht der Augen der erwachsenen Krebstiere, die dort einfallende Bilder auf die Sehzellen reflektieren und so die Sicht der im schwachen Licht von trüben Gewässern lebenden Rosenberg-Garnelen verbessern. In den Larven der Tiere dagegen spiegeln diese Strukturen einfallendes Licht in der Farbe des umgebenden Wassers zurück und tarnen die dunklen Augen so mit dem Farbton, den auch das Wasser der Umgebung hat.

Auf dieser elektronenmikroskopischen Aufnahme sind die kristallinen Nanopartikel zu erkennen, die das Gewebe Licht reflektieren lassen.

© Keshet Shavit

Diese Nanoteilchen ordnen sich in winzigen Lamellen um einen hohlen Kern an. Bei Larven verschiedener Krebsarten fand die Gruppe unterschiedliche Nanostrukturen. So gab es Organismen, die im dunklen, blauen Wasser leben und die ein ganz ähnliches blaues Licht mit einer Wellenlänge von 450 Nanometern reflektieren. Andere Arten leben dagegen in türkisem Wasser und spiegeln ein türkises Licht mit Wellenlängen zwischen 400 und 500 Nanometern. Eine dritte Organismen-Gruppe reflektiert Licht mit Wellenlängen, die zwei Gipfel mit 410 und 600 Nanometer haben. Das ergibt ein silbrig-blaues Licht, das ebenfalls dem Wasser der Umgebung ähnelt.

Die Rosenberg-Riesen-Garnele lebt in oft trüben, gelbgrünen tropischen Gewässern und tarnt sich daher mit ebensolchen gelbgrünen Spiegelungen mit einer Wellenlänge von 500 bis 700 Nanometern. Die Garnelen-Arten passen ihre Tarnfarbe durch Spiegelung also an die Farbe des Gewässers an, in dem sie leben.

In den Larven zweier völlig anderer Krebstier-Gruppen hat das Team um Palmer und Haataja ebenfalls solche Nano-Reflektoren nachgewiesen, die nach dem gleichen Prinzip funktionieren, deren Kristalle aber offensichtlich aus unterschiedlichen, bisher noch nicht genauer bekannten Molekülen bestehen.

Offensichtlich haben diese Tiergruppen die Augen-Tarnung durch Nano-Spiegel unabhängig von den untersuchten Garnelen jeweils neu entwickelt. Natürliche Vorbilder von Biomolekülen für optische High-Tech-Werkstoffe der nächsten Generation gibt es also reichlich.

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