zum Hauptinhalt
Vier von zehn Frauen zwischen 18 und 34 Jahren sind der Auffassung, aktuell psychisch erkrankt zu sein.

© Getty Images/iStockphoto/SB Arts Media

Update

Vor allem junge Frauen betroffen : Ein Drittel bezeichnet sich bei Umfrage als psychisch erkrankt

Immer mehr junge Menschen fühlen sich psychisch erkrankt, ergibt eine aktuelle Erhebung. Frauen sind demnach stärker betroffen – und die Jugend geht damit anders um als die Älteren.

Mehr als vier von zehn Frauen zwischen 18 und 34 Jahren sind der Auffassung, aktuell psychisch erkrankt zu sein. 41 Prozent der befragten jungen Frauen gaben in einer Befragung für den AXA Mental Health Report an, aktuell unter Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, Zwangsneurosen oder anderen psychischen Erkrankungen zu leiden.

Das sind bei jungen Frauen fast zehn Prozentpunkte mehr als in der Gesamtgruppe der Befragten. Bei Männern dieser Altersgruppe waren es nur 30 Prozent, die sich als psychisch bezeichneten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Unter Studierenden und Schüler:innen ab 18 Jahren lag diese Quote bei 42 Prozent. Offenbar gibt es in dieser Altersgruppe eine sehr starke Zunahme, in der Befragung vom Vorjahr lag dieser Wert lediglich bei 12 Prozent, das entspricht einem Anstieg von 30 Prozentpunkten.

30
Prozentpunkte höher als im Vorjahr liegt die Selbsteinschätzung von Studierenden und Schüler:innen zur eigenen psychischen Belastung.

In der Gesamtbevölkerung gab demnach jeder Dritte an, gegenwärtig unter einer mentalen Erkrankung zu leiden (32 Prozent), was einem Anstieg um vier Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr (28 Prozent) entspricht. Besonders häufig gaben die Befragten an, an Depressionen zu leiden (21 Prozent).

Ob diese Selbsteinschätzung sich mit den tatsächlichen Erkrankungen deckt, wird allerdings auch hinterfragt. Zwar erfüllt laut Statiskitk tatsächlich ein Drittel der Bevölkerung die Kriterien für eine psychische Erkrankung. 

Doch durch die stärkere Thematisierung von psychischen Belastungen in einer breiten Öffentlichkeit könnte die Zahl der Menschen, die sich subjektiv betroffen fühlen, auch weiter erhöht werden.

Zudem verbirgt sich hinter einer mentalen Beeinträchtigung nicht immer gleich eine klinische Depression.

Doch die neuen Zahlen der Axa-Befragung passen für Fachleute mittlerweile tatsächlich ins Bild. „Obwohl Online-Befragungen methodisch keine verlässliche Messung der Häufigkeit psychischer Erkrankungen erlauben, sind die Zahlen an sich nicht sehr überraschend“, sagte Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).

Die größte Krankheitslast an psychischen Störungen betrifft die junge und arbeitende Bevölkerung.

Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) 

Nach einer repräsentativen Untersuchung aus dem Jahr 2014 seien in Deutschland rund 28 Prozent der Bevölkerung binnen eines Jahres psychisch erkrankt. Bei jungen Frauen seien es sogar 43 Prozent gewesen. „Die größte Krankheitslast an psychischen Störungen betrifft die junge und arbeitende Bevölkerung“, sagte der Psychiater Meyer-Lindenberg. In der Altersgruppe zwischen 65 und 74 erklärten nur 17 Prozent aktuell mental erkrankt zu sein.

Für die Studie hat das Meinungsforschungsinstitut Ipsos im September 2022 eine bevölkerungsrepräsentative Online-Umfrage in Deutschland und fünfzehn weiteren Ländern unter 2.000 Personen zwischen 18 und 74 Jahren durchgeführt. Es wurden Ergebnisse aus Europa, Asien, Nord- und Südamerika ermittelt.

Im europäischen Vergleich liegen Deutschland und Großbritannien bei der Axa-Selbsteinschätzung zu psychischen Erkrankungen mit jeweils 32 Prozent an der Spitze der untersuchten Länder. In Frankreich sieht sich nicht einmal jede:r Fünfte (19 Prozent) von psychischen Erkrankungen betroffen. Bei den Schüler:innen und Studierenden liegt Irland mit 42 Prozent der Befragten mit Deutschland gleichauf, dicht gefolgt von Großbritannien und Spanien (je 40 Prozent) sowie der Schweiz (34 Prozent). In Frankreich (29 Prozent), Italien (26 Prozent), der Türkei (24 Prozent) und Belgien (20 Prozent) haben demnach deutlich weniger junge Menschen eine solche Selbsteinschätzung.

Jugend setzt auf Selbsthilfe

Auffällig ist auch, dass die Zahl derjenigen, die sich selbst diagnostizieren, bei der Jugend offenbar höher liegt. Sind es bei Erwachsenen in Deutschland noch rund 16 Prozent, die ihre mentale Erkrankung mithilfe des Internets selbst diagnostiziert haben, sind es bei Schüler:innen und Studierenden ab 18 Jahren immerhin schon 37 Prozent.

Fast jeder vierte Betroffene diese Altersgruppe (23 Prozent) gab zudem an, dass die Erkrankung nicht professionell, sondern durch Selbsthilfe behandelt wird. Weitere 39 Prozent sagten, dass sie sich aktuell gar keiner Behandlung unterziehen, also auch keiner Selbstbehandlung. 

Die aktuelle psychische Verfassung unserer Gesellschaft stimmt bedenklich.

Karsten Dietrich, Vorstand Personenversicherung bei AXA Deutschland

„Die aktuelle psychische Verfassung unserer Gesellschaft stimmt bedenklich“, sagte Karsten Dietrich, Vorstand Personenversicherung bei Axa Deutschland, zur Veröffentlichung der Ergebnisse am Dienstag. Die gleichzeitigen Krisen würden ihre Spuren in der Bevölkerung hinterlassen: „Gerade bei jungen Menschen“.

Für den DGPPN-Präsidenten Meyer-Lindenberg zeigen die Daten der Befragung, wie wichtig es sei, die psychische Gesundheit der Bevölkerung tatsächlich zu messen. Dafür sei seit einigen Jahren am Robert Koch-Institut in Berlin eine Mental Health Surveillance-Studie begonnen worden, deren Fortführung allerdings leider unklar sei.

„Wir als Fachgesellschaft sind der Meinung, dass so etwas unbedingt weitergeführt werden muss“, sagte Meyer-Lindenberg. Nur so könne man beantworten, wie sich etwa das Befinden in der Bevölkerung bei unvorhergesehenen Ereignissen angesichts der Corona-Pandemie oder des Angriffs Russlands auf die Ukraine ändere.

Wirtschaft, Krieg und Klimawandel

Die Untersuchung fragte zudem auch nach negativen Einflüssen auf das psychische Wohlbefinden. Unter den Schüler:innen und Studierenden ist der Anteil derjenigen, die steigende Preise als eine Ursache nennen, mit 91 Prozent am höchsten. Der Durchschnittswert der Gesamtbevölkerung liegt hier bei 89 Prozent.

Neben dem Krieg (77 Prozent / Durchschnitt 81 Prozent) und der Wirtschaft (75 Prozent) nennen die Schüler:innen und Studierenden auch den Klimawandel (74 Prozent) und das eigene Körperbild (74 Prozent) als wichtige Einflussfaktoren auf ihre emotionale Verfassung.

Unter den 18- bis 24-Jährigen gaben auch 75 Prozent die gesellschaftlichen Erwartungen als wichtige Einflussfaktoren auf ihre emotionale Verfassung an. Deutlich mehr als die Hälfte (63 Prozent) sagten zudem, dass die sozialen Medien und das „always on“ im Internet ihre emotionale Verfassung negativ beeinflussen.

Der Optimismus hingegen ist bei den jungen Menschen offenbar stärker ausgeprägt als in der älteren Generation. Während nur 38 Prozent der Deutschen im Durchschnitt angaben, optimistisch in die Zukunft zu blicken, waren es bei den Schüler:innen und Studierenden immerhin 47 Prozent. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false