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Junge Buche

© imago/imagebroker

Wälder im Klimastress: Können Bodenmikroben Bäume retten?

Impft man Waldböden mit Bodenorganismen aus anderen klimatischen Bedingungen, kann den jungen Bäumen bei Dürre oder Hitze helfen. Eine Chance für Anpassung an den Klimawandel?

Weltweit setzen der Klimawandel und andere menschliche Einflüsse die Ökosysteme massiv unter Druck. Besonders Wälder leiden unter häufigen Dürren und höheren Temperaturen, und naturgemäß dauert es lange, bis sich Bäume, die normalerweise Jahrzehnte überdauern, anpassen können.

Forschende der University of Wisconsin im US-amerikanischen Madison haben nun eine Möglichkeit entdeckt, wie man die eine solche Anpassung erleichtern könnte: Transplantiert man Mikroorganismen aus Böden, die schon lange unter häufigen Trockenperioden leiden, in den Wurzelbereich von Bäumchen, die erst in jüngster Zeit mit Dürren konfrontiert wurden, steigen die Überlebenschancen dieser Gehölze deutlich. Die Arbeit wurde in Science veröffentlicht.

Ökosysteme mit Gedächtnis

„Diese Studie zeigt einmal mehr die geradezu atemberaubenden Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und Pflanzenwurzeln“, erklärt Pierre Ibisch von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE), der an der Untersuchung der US-Gruppe nicht beteiligt war. „In dieser Studie sehen wir auch, dass es in Ökosystemen ein Gedächtnis gibt“, sagt Pierre Ibisch weiter. „Der Boden merkt sich Stress durch Trockenheit, indem er die Zusammensetzung der riesigen Gemeinschaft aus Bakterien und Pilzen langfristig verändert und so das Leben der Bäume günstig beeinflusst.“

Diese Studie zeigt einmal mehr die geradezu atemberaubenden Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und Pflanzenwurzeln.

Pierre Ibisch, Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde

Dieser Mikrokosmos unter unseren Füßen ist ein entscheidender Motor für den Kreislauf des Lebens. Abgestorbene Pflanzen und deren Reste, tote Tiere und jede Menge anderes organisches Material werden dort von Pilzen, Bakterien und von „Archäen“ genannten Einzellern im Boden verdaut. Die darin enthaltenen Nährstoffe stehen so anderen Organismen wieder zur Verfügung und „füttern“ neues Leben.

Mit den Mikroben bilden die Wurzeln der Pflanzen eine komplexe Gemeinschaft, deren Mitglieder voneinander profitieren. Dabei passt sich der Mikrokosmos erheblich rascher an widrige und extreme Bedingungen wie lange Trockenperioden, hohe oder sehr niedrige Temperaturen an. Damit verbessern sich auch die Chancen für Bäume, die sich nur erheblich langsamer verändern. In einer trockenen Umgebung haben die Bodenorganismen gelernt, mit Dürren gut umzugehen, in wärmeren Gefilden kommen sie besser mit Hitze und in kälteren Regionen besser mit niedrigen Temperaturen zurecht.

Pilze, wie hier der Blutrote Filzröhrling, durchziehen den Boden mit langen Fäden (Mykorrhiza) und bilden mit Baumwurzeln eine Symbiose aus.

© mauritius images / Christian Weinkötz / Alamy

Als die Gruppe um Richard Lankau untersuchte, wie gut Keimlinge von Bäumen die ersten drei Jahre überlebten, fand sie einen klaren Zusammenhang: War der Wurzelbereich der kleinen Gewächse mit Mikroorganismen aus warmen Regionen angeimpft, überlebten sie Hitze deutlich besser als ohne diese Unterstützung. Das Gleiche gilt in Bezug auf Dürre oder Kälte. Obendrein war diese Hilfe keine Eintagsfliege: Die übertragenen Mikroben konnten auch nach drei Jahren im Wurzelbereich ihrer Empfänger noch nachgewiesen werden.

Chance für Aufforstungen

„Kennt man die Klimageschichte einer solchen Boden-Organismen-Gemeinschaft, kann man auch einschätzen, wie gut sie Pflanzen in vergleichbaren Bereichen unterstützen“, folgert das Team um Richard Lankau aus seinen Experimenten. Allerdings sieht die Gruppe keine Möglichkeiten, bestehende Wälder mit Transplantationen von Mikroorganismen aus heißen oder trockenen Gefilden vor Hitzewellen und Dürreperioden zu schützen. Das käme schlicht zu teuer und wäre auch eine logistisch kaum zu bewältigende Herausforderung.

Anders sieht die Situation bei Aufforstungen aus, bei denen in den kommenden Dekaden nach Meinung der US-Gruppe einige Milliarden Keimlinge gepflanzt werden dürften. Kommen diese Baum-Babys aus Gebieten, in denen bereits heute Witterungsextreme häufig auftreten, die für das Pflanzgebiet in einigen Jahren erwartet werden, bringen die Youngster in anhaftenden Bodenresten bereits ihre Unterstützer für den Kampf gegen Klima-Extreme mit.

HNEE-Forscher Pierre Ibisch rät allerdings auch zur Vorsicht: „In naturnahen Ökosystemen sollte man vorsichtig sein und nicht zu leichtfertig die Boden-Mikrobiome aufmischen“, meint der Forscher: Da die Winzlinge lange im Boden bleiben, könnten dort leicht unerwartete Nebenwirkungen auftreten. „Vor allem aber sollten wir im Umgang mit Wäldern mehr an die Böden und deren Lebewesen denken“, mahnt der Waldökologe. „So könnte bei der Renaturierung von stark gestörten Böden ein Beimpfen mit geeigneten Mikroorganismen die Überlebenschancen der dort gepflanzten Bäume verbessern.“

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