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Der Schutzwald „Schlaubetaler Eichen“ der Stiftung des Stifts Neuzelle ist der erste Generhaltungswald Brandenburgs.

© dpa/Patrick Pleul

Weniger Waldwirtschaft, mehr Klimaschutz: Wälder speichern Treibhausgas, aber nicht unbegrenzt

Naturnahe Wälder als Speicher für Treibhausgase zu nutzen, kann global nur wenig neue Emissionen ausgleichen. In einigen Regionen würde sich weniger Waldwirtschaft aber mehr lohnen.

Intakte und naturnahe Wälder zu erhalten oder zu gestalten, ist eine wichtige Maßnahme für den Klimaschutz. Bäume speichern in ihrem Holz Kohlenstoff, der zuvor als Treibhausgas Kohlendioxid die Temperaturen der Luft anheizte. Allerdings gibt es klare Grenzen für diese natürliche Hilfe.

Selbst wenn weltweit die Forstwirtschaft eingestellt und kein Holz mehr geschlagen würde, dürfte das den Klimawandel nur um wenige Jahre verzögern. Das berichtet jetzt ein Team um Caspar Roebroek und Alessandro Cescatti von der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Europäischen Kommission im italienischen Ispra in der Zeitschrift „Science“.

Nur wenig Aufschub

Würde bei einem weltweiten Bewirtschaftungsstopp kein Holz mehr gefällt, keine Jungpflanzen mehr gesetzt und kein Waldbrand bekämpft werden, sollten die Bäume erst einmal wachsen und dabei große Mengen Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen. Aber auch ohne Forstwirtschaft erreichen Wälder nach einiger Zeit ein Gleichgewicht, in dem ähnlich viele Bäume von Stürmen gefällt und von Schädlingen attackiert werden, wie Holz in der gleichen Zeit nachwächst.

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Milliarden Tonnen Kohlenstoff könnten Wälder langfristig aufnehmen.

Bis dahin wäre nach den Kalkulationen der GFS-Gruppe die Menge des Holzes in den Wäldern um etwa 15 Prozent gewachsen. Weltweit wären damit zusätzlich insgesamt rund 44 Milliarden Tonnen Kohlenstoff im Holz gebunden. Allerdings setzt die Menschheit derzeit jedes Jahr rund zehn Milliarden Tonnen Kohlenstoff in die Luft frei. Das Ende der gesamten Forstwirtschaft würde insgesamt also gerade einmal die Emissionen der Menschheit von gut vier Jahren kompensieren.

„Diese Studie bestätigt, dass es grundsätzlich sinnvoll ist, in den Wäldern der Erde weniger Holz zu schlagen und so den Klimawandel zu bremsen“, erklärt Pierre Ibisch. Der Waldökologe von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) erforscht die Zusammenhänge zwischen unterschiedlich oder gar nicht bewirtschafteten Wäldern in Südamerika, Mitteleuropa und anderen Weltregionen und dem Klimawandel, war an der GFS-Untersuchung aber nicht beteiligt. „Der realistische Einsatz dieser Wald-Option zum Klimaschutz ist allerdings beschränkt“, erklärt der HNEE-Naturschutz-Professor weiter. „In Ordnung bringen müssen wir die Treibhausgasbilanz also vorrangig durch das Vermeiden neuer Emissionen, aus welcher Quelle sie auch kommen.“

Potenzial in Europa

Als zusätzliche Maßnahme aber haben naturnahe Wälder gerade in Europa großes Potenzial. Denn die hier in Holz gespeicherte Menge Kohlenstoff liegt deutlich unter den Werten natürlicher Wälder. „In Europa werden die Forste bereits sehr lange genutzt, so wurden die Kohlenstoff-Speicher entleert“, erklärt Ibisch. In deutschen Wäldern würde sich eine deutlich verringerte Nutzung besonders lohnen.

„Zumal die Wälder neben der Kohlenstoffspeicherung noch weitere wichtige Funktionen im Ökosystem haben“, sagt Ibisch. Dabei denkt er vor allem an den Wasserhaushalt, den die Bäume stabilisieren. Wälder verbessern zudem das Mikroklima: So transportiert eine Pflanze bis zu tausend Moleküle Wasser von ihren Wurzeln zu den Blättern, um ein einziges Molekül Kohlendioxid zu binden. Davon verdunsten große Mengen, feuchten die Luft an und kühlen gleichzeitig die Temperaturen. Deshalb bleibt es unter dem Kronendach eines Waldes bei den im Klimawandel häufiger auftretenden sommerlichen Hitzewellen kühler und feuchter. Auf einem Acker oder auf einer Wiese steht dagegen viel weniger Vegetation, die erheblich weniger Wasser verdunstet und weniger kühlt.

„Obendrein speichern die Böden naturnaher Wälder Wasser besser“, erklärt Pierre Ibisch. Laubmischwälder überstehen Dürren daher besser als Kiefern-Monokulturen wie im Nordosten Deutschlands oder Fichten-Forste in anderen Regionen Mitteleuropas. „Naturnahe Wälder sind daher auch eine Versicherung für sich selbst“, sagt Ibisch. Je mehr Holz den Wäldern entnommen würde, desto anfälliger würden sie gegenüber Störungen und Klimawandel. Hält sich die Forstwirtschaft zurück, leistet sie also auch einen Beitrag gegen Waldschäden, die im Klimawandel häufiger auftreten. „Je mehr sich die Erde erwärmt, desto wichtiger wird dieser Effekt“, sagt der HNEE-Naturschutz-Professor.

Nur dann können die Wälder ihre Funktion als Speicher für das Treibhausgas Kohlendioxid gut erfüllen. Diese Möglichkeit sollte nicht gegen direkte Klimaschutz-Maßnahmen ausgespielt werden, mahnt die Gruppe um Caspar Roebroek und Alessandro Cescatti. Vielmehr sollten die natürlichen Treibhausgas-Speicher eher eingesetzt werden, um Kohlendioxid-Austräge aus der Landwirtschaft oder aus der Zement-Industrie auszugleichen, die in absehbarer Zukunft Emissionen von Treibhausgasen nicht vollständig vermeiden werden.

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