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Auch wenn nicht alle Bäume gefällt werden, degradieren Holzfäller den verbleibenden Wald auf lange Zeit.

© Zoe G Davies

Schlechte Kohlenstoff-Bilanz: Nachwachsender Regenwald setzt Treibhausgase frei

Nach gängiger Annahme wird der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen, wo Bäume wachsen. Eine Untersuchung auf Borneo zeigt, dass die einfache Rechnung nicht immer aufgeht.

Regenwaldflächen, auf denen Bäume geschlagen wurden und neue wachsen, gelten als Kohlenstoffsenke. Die Pflanzen nehmen Kohlendioxid aus der Luft auf und speichern es lebenslang in ihrem Holz. Doch eine Untersuchung von teilgerodeten Regenwaldflächen im malaiischen Teil von Borneo zeigt, dass Mikroorganismen, die organisches Material im Boden und verbliebenes Totholz zersetzen, mehr von dem Treibhausgas freisetzen, als die nachwachsenden Bäume aufnehmen.

„In den von uns untersuchten Tropenwäldern sind die abgeholzten Flächen auch noch zehn Jahre nach der Abholzung eine Kohlenstoffquelle“, wird die leitende Forscherin Maria Mills vom University College London in einer Mitteilung zitiert. Ihre Rolle im globalen Kohlenstoffhaushalt müsse neu bewertet werden. „Wir können nicht mehr pauschal davon ausgehen, dass sie Kohlenstoffsenken sind.“

In die Kohlenstoffbilanz geht mehr ein, als das Baumwachstum

Bisherige Untersuchungen der Kohlenstoffbilanz von teilgerodeten Wäldern hätten sich auf das Wachstum neuer Bäume konzentriert und davon abgeleitet, wie viel Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen wird. Das Team um Mills stellt nun im Fachmagazin „PNAS“ die Auswertung von umfassenderen Messdaten von teilgerodetem und unberührtem Wald vor.

Übersicht: Von diesem Turm aus konnte der Kohlenstofffluss in und aus dem Wald gemessen werden.

© Maria Mills

In den Jahren 2011 bis 2017 wurde auf elf Flächen, auf denen vor unterschiedlich langer Zeit Bäume gefällt wurden, mit einem mobilen Messgerät monatlich aufgezeichnet, wie viel Kohlendioxid vom Boden und von Totholz freigesetzt wird. In einem Gebiet nutzte das Team auch einen 52 Meter hohen Turm mit Messgeräten, die nach der Eddy-Kovarianz-Methode (siehe Infokasten) den Fluss von Kohlenstoff aus der Luft in den Wald und vom Wald in die Luft aufzeichneten.

Für stehenden Wald ergab sich eine ausgeglichene Kohlenstoff-Bilanz. Dagegen wurde auf Flächen, wo viele oder auch nur wenige Bäume gefällt worden waren, für mindestens zehn Jahre nach dem Holzeinschlag Kohlenstoff freigesetzt: Dies zeigte sich an 99 Prozent der insgesamt 455 Messtage.

Das Forschungsteam schätzt, dass auf Flächen mit geringem Holzeinschlag pro Hektar fast zwei Tonnen Kohlenstoff im Jahr freigesetzt werden. Auf stark beeinträchtigten Flächen seien es mehr als fünf Tonnen pro Jahr.

Bedingungen am Standort beeinflussen die Freisetzung

„Die Methodik ist meines Erachtens robust“, sagte Almut Arneth, die am Karlsruher Institut für Technologie die Abteilung Ökosystem-Atmosphäre Interaktionen leitet, gegenüber dem Science Media Center Deutschland. Für Forschende, die sich mit Landnutzung und Kohlenstoffbilanzen beschäftigen, sei es aber nicht wirklich neu, dass es eine Zeit dauert, bis in einem nachwachsenden Wald tatsächlich eine Netto-Kohlenstoffaufnahme stattfindet.

Es sei aber wichtig, diese Tatsache wie mit dieser Studie zu kommunizieren. „Wie lange der Effekt der Bodenatmung nach Rodung anhält, ist dann eine ganz andere Frage“, sagt Arneth. Dies könnte je nach Standort eine Dekade oder länger sein, in anderen Wäldern und Regionen aber auch kürzer.

Mit zehn Jahren betrachte die Studie einen – für Waldwachstum – relativ kurzen Zeitraum, sagt Julia Pongratz, Geographin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Auf solch kurzen Zeitskalen schlagen die Effekte, die Kohlendioxid ausgasen, im Vergleich viel stärker zu Buche.“

Wie sich verschieden genutzte Wälder auf die atmosphärische Kohlendioxid-Konzentration auswirken, sei noch deutlich komplexer, als es die Studie mit den verwendeten Daten angehen konnte. Nur eine volle Lebenszyklusanalyse würde Klarheit bringen, in der Wald über viele Jahrzehnte bis zum vollständigen Aufwachsen verfolgt wird und auch die Verwendung der Holzprodukte miteinbezogen wird.

„Ein nachhaltig bewirtschafteter Wald kann sehr wohl eine Kohlendioxid-Senke darstellen, insbesondere wenn die Holzprodukte langlebiger Natur sind, wie etwa als Konstruktionsmaterial“, sagt Pongratz.

Schonenderer Holzeinschlag würde Bilanz verbessern

Terhi Riutta, Leitautorin der Studie von der University of Exeter weist darauf hin, dass ein großer Teil des Kohlenstoffs aus den sich erholenden Wäldern wegen Kollateralschäden des Holzeinschlags freigesetzt wird, von beschädigten, absterbenden Bäumen und durch Störungen des Bodens.

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Teilgerodete Wälder seien nach wie vor wertvoll „Wir wissen, dass sie eine einzigartige Artenvielfalt haben.“ Verbesserte Abholzungspraktiken, die keinen zusätzlichen Kohlenstoff freisetzen, würden ihre Nachhaltigkeit fördern.

„Was die Klimawirksamkeit anbelangt, steht der Stopp der weiteren Abholzung natürlicher Wälder an allererster Stelle“, sagt Almut Arneth. Die Debatte um den Beitrag der Aufforstung von Wäldern lenkt nach ihrer Einschätzung davon ab, dass bislang die Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas nicht gesenkt werden.

„Gerne Wälder, Savannen, Grasländer, Moore wieder renaturieren, wo es geht“, sagt Arneth, das könne einen Beitrag zu Klimawandelminderung leisten, mit Riesenmehrwert für Biodiversität und andere Ökosystemleistungen. „Aber bitte eben da ansetzen, wo es Not tut und das sind die fossilen Emissionen.“

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