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Freddie Mercury beim Queen-Konzert am 19.7.1986.

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We will rock you!: Zellen, die Queen hören wollen

Klassische Musik hat schon ihren Eingang in die Medizin gefunden. Aber weder alle Menschen noch alle Zellen sind Mozart-Fans. Einige rocken lieber zu Queen und schütten dann sogar Insulin aus.

Spätestens seit 1985 Milliarden Menschen Freddie Mercury, Brian May, Roger Taylor und John Deacon bei Live Aid „We will rock you“ singen hörten, ist die Wirkung der Band Queen auf ihre Fans unbestritten. Die Wirkung der britischen Band ist auch in der Genforschung angekommen – zumindest, wenn es um Diabetes geht.

Menschen mit Typ-1-Diabetes produzieren kein oder zu wenig Insulin, Menschen mit Typ-2-Diabetes sind unempfindlich gegen das lebenswichtige Hormon. Diabetiker:innen sind darauf angewiesen, sich den Botenstoff über Spritzen oder Pumpen zuzuführen. Bioingenieur:innen der ETH Zürich in Basel haben Zellen so umgebaut, dass sie Insulin im Körper selbst produzieren, sobald ihnen Musik vorgespielt wird, wie sie im „Lancet“ berichten.

Sinn des Ganzen ist es, einen Schalter ins Erbgut der Designerzellen einzubauen, der berührungslos von außerhalb des Körpers von Zuckerkranken betätigt werden kann, wenn die Zellen das Blutzuckerhormon Insulin produzieren sollen.

Damit Zellen über Musik steuerbar sind, nutzen die Ingenieur:innen ein Protein, das aus der Hülle eines Bakteriums stammt. Es funktioniert wie ein Kanal: Wird es durch einen mechanischen Reiz wie die Vibrationen von Schallwellen angeregt, öffnet es sich und lässt elektrisch geladenes Kalzium ins Zellinnere strömen. Den Bauplan für diesen Kanal haben die Forscher:innen in die insulinproduzierende Zellen eingebaut, sodass diese den Kanal selbst herstellen und in ihre Hülle einbauen konnten. Strömt dann durch den Schallreiz Kalzium in die Zelle, wird ihr signalisiert, Insulin auszuschütten. Die Folge: Die mit Insulin gefüllten Bläschen verschmelzen mit der Zellhülle und geben das Insulin in den Körper ab.

Aber welche Töne funktionieren am besten? Queens „We will rock you“! Die Forschenden beschallten die Zellen in der Petrischale mit dem Hit, der innerhalb von fünf Minuten rund 70 Prozent der Insulinausschüttung auslöste, innerhalb von 15 Minuten die gesamte. Dies sei vergleichbar mit der natürlichen Reaktion insulinproduzierenden Zellen gesunder Menschen, meint Studienleiter Martin Fussenegger laut einer Mitteilung der ETH. Mit klassischer Musik oder Gitarrenklängen waren die zellulären Queen-Fans kaum zu begeistern.

In Mäusen arbeiten die Queen-liebenden Zellen eher schlecht als recht. Die „Mäuse-Disco“ funktionierte nur bei voller Lautstärke und nur dann, wenn die Tiere mit dem Bauch direkt auf den Lautsprechern lagen. Also nichts mit freiem Herumtanzen. Das hat auch Vorteile: Nicht jeder Umgebungslärm startet die Insulinausschüttung.

Diabetiker:innen müssen jetzt nicht anfangen Queen zu streamen, denn ein klinischer Einsatz ist noch nicht geplant. Erst einmal haben die Forscher:innen nur nachgewiesen, dass Designerzellen auch durch Schall gesteuert werden können. Ob es jemals zu einer Anwendung kommt, hängt davon ab, ob sich Pharmafirmen dafür interessieren – oder ob ihre CEOs Freddie Mercury verehren.

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