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Hirntumore (hier rot von einer Magnetresonanzbildgebung dargestellt) können durch die Analyse von Genaktivität genauer diagnostiziert und therapiert werden.

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Wichtigster Forschungsförderpreis: Geld für Hirntumorforschung – und mehr

Mit zehn Mal 2,5 Millionen Euro fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft Projekte in den Ingenieurs-, Geistes- und Sozial- sowie Natur- und Lebenswissenschaften.

Es ist nicht nur Prestige, was mit dem jährlich verliehenen Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis einhergeht. Am 15. März 2023 werden vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftler in Berlin auch je 2,5 Millionen Euro Förderung für ihre Forschungsprojekte bekommen. Das gab die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) am Donnerstag bekannt.

Die Ausgezeichneten stammen aus verschiedenen Disziplinen, je zwei aus den Ingenieurs-, Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften ebenso sowie vier aus den Lebenswissenschaften.

Wie etwa organische Abfälle und Industriegase mithilfe von Bakterien und chemischen Prozessen in wertvolle organische Produkte umgewandelt werden können, erforscht der Preisträger und Bioingenieur Largus Angenent an der Universität Tübingen. Angenent sei weltweit einer der Begründer dieses Forschungsgebiets, der mikrobiellen Elektrochemie, schreibt die DFG. Seine Arbeiten seien mit Blick auf den Klimawandel und die damit verbundene Notwendigkeit einer nachhaltigen Nahrungs-, Chemie- und Energiewirtschaft hochaktuell.. Zwei Start-up-Unternehmen fußen auf den Entwicklungen des niederländischen Forschers, der 2017 als Humboldt-Professor nach Tübingen kam und seit 2019 dort auch Fellow am Max-Planck-Institut für Biologie ist.

Nicht nur Informationsträger, sondern auch Akteur

Claudia Höbartner von der Universität Würzburg erforscht Nukleinsäuren, also DNA und RNA, die nicht nur als Träger von Erbgutinformation, sondern auch als Enzyme funktionieren können – eine Fähigkeit, die in Zellen eigentlich hauptsächlich Proteinen eigen ist. Höbartner hat als Erste die Struktur eines Enzyms beschrieben, das aus DNA besteht, aber RNA-Molekülstränge miteinander verknüpfen kann. Damit habe sie einen „bedeutenden Beitrag zur Chemie katalytisch aktiver Nukleinsäuren geleistet“.

Claudia Höbartner erforscht DNA-Moleküle, die nicht nur Information speichern, sondern auch als Enzyme wirken können.

© Robert Emmerich

Die Forschungen des Preisträgers und Architekten Achim Menges von der Universität Stuttgart ermöglichen völlig neuartige Bauweisen. Menges entwickelt digitale Planungsmethoden und robotische Fertigung, womit das Bauen vom Entwurf bis zur Ausführung digital geplant und begleitet werden kann. Das innovative architektonische Design seiner Werke sei nicht nur von biologisch-natürlichen Formen inspiriert und nutze zukunftsweisende Techniken und Werkzeuge der „Computational Intelligence“, sondern trage auch zur Ressourcenschonung und Reduktion von energie- und prozessbedingten Kohlendioxid-Emissionen im Bauwesen bei, so die DFG.

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Leibniz-Preise hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit 1986 vergeben, davon 71 an Wissenschaftlerinnen.

Ellen O’Connor erforscht jene Enzyme und Stoffe, mit denen sich Pflanzen gegen Fressfeinde und Parasiten wehren, und die oft auch wirksame Arzneimittel sind. Die Chemikerin, die 2019 vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA, ans Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena wechselte, versucht die Synthesewege dieser Stoffe nachzubauen, damit sie medizinisch angewendet werden können – etwa den Biosyntheseweg von Strychnin. O’Connor entwickelt auch Syntheseverfahren, mit denen in Pflanzen neuartige Verbindungen hergestellt werden können.

Hirntumore besser unterscheiden und behandeln

Die Diagnose von Hirntumoren bei Kindern zu verbessern, ist Ziel der Forschungen von Stefan Pfister, pädiatrischer Onkologe am Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universität Heidelberg. Anhand des Aktivitätsstatus von Genen in den Zellen von Hirngewebeproben können aufgrund von Pfisters Forschungen inzwischen verschiedene Hirntumorarten unterschieden und so besser angepasste Behandlungen durchgeführt werden. Diese neue, molekular-pathologische Klassifikation von Hirntumoren im Kindesalter sei ein „beeindruckendes Beispiel der Präzisionsmedizin“. Die Weltgesundheitsorganisation habe es inzwischen anerkannt und übernommen, schreibt die DFG.

Welche sozialen Dynamiken befördern oder behindern die Möglichkeiten des guten Lebens – das erforscht der Leibniz-Preisträger Hartmut Rosa von der Universität Jena und der Universität Erfurt. Mit seiner kritischen Analyse moderner Gesellschaften, etwa in der Studie „Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne“ liefere Rosa eine umfassende, philosophisch fundierte soziologische Analyse der Dynamiken zeitlicher Beschleunigung, die moderne Gesellschaften prägen und zugleich ihre Individuen vor gewaltige Herausforderungen stellen, so die DFG.

Georg Schett erforscht und entwickelt Therapien gegen schwere Autoimmunkrankheiten. Er untersucht etwa, welche Rolle Autoantikörpern bei der Bildung knochenabbauender Zellen in der rheumatoiden Arthritis spielen. Der Humanmediziner von der Universität Erlangen-Nürnberg erkannte, dass Erkrankte durch diesen Mechanismus einen systemischen Knochenverlust entwickeln können, der unabhängig von der Entzündung ist, schreibt die DFG.

Die Mathematik von Kristallen

Die Darstellungstheorie ist der Forschungsbereich, mit dem sich Preisträgerin Catharina Stroppel von der Universität Bonn auseinandersetzt – ein mathematische Gebiet, das sich mit Symmetrien und deren verschiedenen Realisierungen beschäftigt. Symmetrien sind sowohl in der Natur als auch in der Mathematik von zentraler Bedeutung, etwa die Struktur von Kristallen.

Technisch ist das Entziffern des Erbguts inzwischen kein Problem mehr, aber den Gencode zu analysieren und die Massen von Genomdaten zu interpretieren ist noch immer eine Herausforderung. Der Mathematiker Fabian Theis vom Helmholtz-Zentrum München und der Technischen Universität München hat Methoden zur biomedizinischen Datenanalyse entwickelt, mit denen vor allem die Untersuchungen der Erbgutdaten vieler einzelner Zellen möglich wird. Theis habe dafür auf der Basis von Methoden der künstlichen Intelligenz Software-Pakete entwickelt, mithilfe derer aus diesen Daten tiefgreifende biomedizinische Einsichten gewonnen werden könnten, so die DFG. Damit seien ein besseres Verständnis der Entwicklungspfade von Zellen, eine bessere medizinische Diagnostik, Risikoermittlung und Therapieentwicklung möglich.

Die frühneuzeitliche Romanistik hat laut Mitteilung der DFG die Preisträgerin Anita Traninger von der Freien Universität Berlin „auf innovative Weise“ erforscht. Sie habe Philologie, Rhetorik, Wissenschaftsgeschichte und Mediengeschichte kombiniert, um die Dynamiken des Kultur- und Wissenstransfers in neuer Perspektive zu erschließen. Sie mache die Komplexität historischen Handelns in und mit Sprache konkret greifbar.

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