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Zerstörte Bücher, die sich mit rechter Thematik aber auch linken Themen beschäftigen, liegen in der Bezirkszentralbibliothek im Eva-Maria-Buch-Haus. Die Bücher wurden 2021 in der Bibliothek von Unbekannten zerstört. Bei einer Pressekonferenz der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin wurde eine Handreichung für Bibliotheken namens “Alles nur leere Worte? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts in Bibliotheken” vorgestellt. +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Sebastian Gollnow

22 Fälle in Tempelhof-Schöneberg: Berliner Publizist wegen Buchzerstörungen und rechter Schmierereien angeklagt

In der Bezirksbibliothek Tempelhof-Schöneberg wurden Bücher zerstört. Im Rathaus Schöneberg gab es Schmierereien. Jetzt wurde ein 32-Jähriger angeklagt.

Der Täter nahm das Buch „Clara Zetkin – eine rote Feministin“ von Lou Zucker auf die Toilette der Bezirksbibliothek Tempelhof-Schöneberg, schloss sich ein, zerriss mehrere Seiten und legte das Buch dann unauffällig in der Bücherei ab. Das war im August 2021. Ein paar Monate später schrieb jemand „Nein zur Corona-Diktatur“ und „Keine Minderheit im eigenen Land“ an die Tür der SPD-Fraktion im Rathaus Schöneberg.

Die Taten fügten sich ein in eine Serie von Buchzerstörungen und Schmierereien in der Bezirksbibliothek Tempelhof-Schöneberg, im Rathaus Schöneberg und im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, Taten im Zeitraum von 7. Oktober 2020 und 21. November 2022. Allerdings war lange nicht klar, ob es sich nur um einen Täter handelt.

Eine ganze Serie von Buchzerstörungen und Schmierereien

Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen 32-jährigen Mann – nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Publizist – erhoben. Er soll für 22 Sachbeschädigungen in dem genannten Zeitraum verantwortlich sein. Nach Tagesspiegel-Informationen hat der Mann mehrere Bücher zum Thema Kaisertum und Monarchie geschrieben, die er in wenig bekannten Verlagen veröffentlicht hat. Er lebt in Berlin.

Im Saal der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Rathaus Schöneberg war im August 2022 mit schwarzem Marker auf das Rednerpult der Satz: „Wir wollen unsern Kaiser-Wilhelm-Platz wieder“ geschrieben worden. Der Kaiser-Wilhelm-Platz war im Frühjahr 2022 nach einem Beschluss der BVV in Richard-von-Weizsäcker-Platz umbenannt worden.

Bücher sind nur Papier. Aber wir kennen die Geschichte. Ich will, dass es bei Papier bleibt!

Lou Zucker, Autorin des Buchs „Clara Zetkin – eine rote Feministin“, das auch zerstört wurde

Für besondere Empörung und Betroffenheit hatten die Zerstörungen von rund einem Dutzend Bücher gesorgt. Unter den betroffenen Werken waren Titel, die sich kritisch mit rechten gesellschaftlichen Tendenzen auseinandersetzen, sowie Biografien aus der Geschichte des Sozialismus. Der jetzt angeklagte Mann soll Seiten herausgerissen und/oder „Heil Putin“ sowie das „Z“-Symbol, das russische Truppen im Ukraine-Krieg verwenden, hineingeschrieben haben.

Mitarbeiter der Bibliothek „empört“ und „schockiert“

Boryano Rickum, der Leiter der Bibliothek, schrieb nach der Entdeckung der Zerstörungen, die Beschäftigten der Bibliothek seien „schockiert und empört. Schon jetzt ist klar, dass wir das so nicht stehen lassen werden.“ Öffentliche Bibliotheken müssten überparteilich gegen antidemokratische Strömungen Position beziehen. In der Zerstörung der Bücher sehe er „einen klaren Angriff auf unsere bundesrepublikanische Demokratie“.

Betroffene Autoren machten ihre Abscheu gegenüber den Taten deutlich. „In guter alter Tradition geht da jemand in eine Bibliothek und zerstört Bücher, die sich mit der radikalen Rechten oder mit der Geschichte des Sozialismus befassen“, schrieb der Journalist und Soziologe Sören Musyal bei Twitter (jetzt X). „Bin leicht angepisst.“ Die Zetkin-Biografin Zucker schrieb zu den Zerstörungen: „Bücher sind nur Papier. Aber wir kennen die Geschichte. Ich will, dass es bei Papier bleibt!“

Nach den Zerstörungen lesen betroffene Autoren aus ihren Werken

Als Reaktion auf die Vorfälle organisierte die Bibliothek die Lesungs-Reihe „Starke Seiten“ mit Autoren, deren Titel zerstört wurden. Matthias Steuckardt, der damalige Bezirksstadtrat für Kultur, sagte: „Aus diesem schrecklichen Vorfall ist sehr viel Positives entstanden. Der Täter wollte ja, dass wir solche Bücher nach hinten stellen und verstecken, aber wir werden sie in den Mittelpunkt stellen.“

Machtvoll war auch die Solidarität für die Bibliothek. Die Zerstörungen erzeugten bundesweit Empörung und Wut. Die Stadtbibliothek Neuss hatte in einer Vitrine die gleichen Titel aufgestellt, die in Tempelhof zerstört worden sind.

Parolen wie „Heil Trump ODP“ oder „Orden der Patrioten Pro Kaiserreich“

Der 32-jährige Publizist soll in der Bezirksbliothek zudem sowohl außen als auch in den Innenräumen acht Mal Schriftzüge wie „Steinmeyer [sic!] = Hurensohn“, „Heil Trump ODP“ oder „Orden der Patrioten Pro Kaiserreich“ angebracht haben.

Im Rathaus Schöneberg soll er ähnliche politische Parolen an Türen und Einrichtungsgegenständen angebracht, im Sitzungssaal der BVV die Europafahne gestohlen und zweimal mit Steinen und Toilettenpapier WCs zum Überlaufen gebracht haben. Auch in Toiletten im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg soll der 32-Jährige Wasserschäden verursacht haben.

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