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Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass durch das für unrechtmäßig erklärte Vorkaufsrecht nun auch die Abwendungsvereinbarungen kündbar sind.

© Imago/Sabine Gudath

An diesem Ampel-Streit hängen die Mietpreise vieler Berliner: SPD erhöht Druck auf Justizminister Buschmann für neues Vorkaufsrechtsgesetz

Seit fast einem Jahr können Bezirke Mieter nicht mehr per Vorkaufsrecht schützen. Ein Gesetz, welches das wieder möglich machen soll, steckt in der Ampelkoalition fest.

Im Streit in der Bundesregierung um ein neues Gesetz zur Ausweitung des kommunalen Vorkaufsrechts machen SPD und Grüne Druck auf Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), seine Vorbehalte gegen den vorliegenden Gesetzentwurf aufzugeben.

Das Justizministerium ist ziemlich allein auf weiter Flur.

Parlamentarische Staatssekretärin Cansel Kiziltepe (SPD) zur Haltung des Justizministeriums zum Vorkaufsrecht

„Es gibt einen einstimmigen Beschluss der Bauministerkonferenz, um hier Rechtssicherheit zu schaffen. Auch der Deutsche Städtetag fordert die Korrektur beim Vorkaufsrecht einstimmig. Das Justizministerium ist ziemlich allein auf weiter Flur“, sagte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium Cansel Kiziltepe (SPD) dem Tagesspiegel.

Seit Monaten liegt ein neuer Gesetzentwurf zum Vorkaufsrecht vor

Das Bundesbauministerium habe das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorkaufsrecht umfassend geprüft und einen Gesetzentwurf vorgelegt. „Seit April hat das Justizministerium trotz zahlreicher Gesprächsversuche dem Entwurf nicht zugestimmt. Wir setzen uns mit Hochdruck für eine Lösung sein“, erklärte Kreuzbergerin Kiziltepe.

„Wir setzen uns mit Hochdruck für eine Lösung ein“, sagt Cansel Kiziltepe (SPD), parlamentarische Staatssekretärin im Bauministerium.

© imago/Metodi Popow

Auch die Berliner Bundestagsabgeordnete Hannah Steinmüller (Grüne) forderte ein Einlenken des Justizministeriums. „Wir sollten den Wunsch der Kommunen ernst nehmen, und ihnen wieder ein rechtssicheres Vorkaufsrecht zur Verfügung stellen“, sagte Steinmüller dem Tagesspiegel.

Berliner Gericht erlaubt erstmals Kündigung der Abwendungsvereinbarungen

Erneut in die Diskussion gekommen ist der Streit um das Gesetz wegen einer vergangene Woche bekannt gewordenen Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts. Dem Berliner Verwaltungsgericht war es keine Pressemitteilung wert. Dabei ist das, was die Richter bereits Anfang September beschlossen haben, ein weiterer harter Schlag für den Schutz Tausender Menschen in Berlin vor steigenden Mieten.

Erstmals entschied das Gericht, dass durch das vom Bundesverwaltungsgericht für unrechtmäßig erklärte Vorkaufsrecht nun auch die Abwendungsvereinbarungen kündbar sind, die auf seiner Grundlage mit Hauskäufern getroffen wurden.

Abwendungsvereinbarungen sollten eigentlich verhindern, dass neue Eigentümer in den Immobilien Luxusmodernisierungen durchführen und die Mieten stark anheben. Nun werden die Verträge zwischen Bezirken und Investoren in etlichen der mehr als 300 Fälle gekündigt.

Berlin hofft auf eine neue Regelung im Bund – bislang vergeblich

Damit kommt dem Land Berlin ein weiteres Instrument abhanden, um hohe Mietsteigerungen zu verhindern. Die Blicke des Senats richten sich nun mehr denn je in Richtung Bund. „Auch, wenn dieser Beschluss des Gerichts eine Einzelfallentscheidung ist, zeigt er doch wie dringend die Bundesregierung endlich die ausstehenden Entscheidungen zur Stärkung des Vorkaufsrechts und zu den Abwendungsvereinbarungen im Sinne der Kommunen treffen muss“, sagte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD).

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Hilfe ist aber nicht in Sicht. Denn anders als angekündigt hakt es in der Ampelkoalition im Bund gewaltig bei dem Plan, den Kommunen in Deutschland eine rechtssichere Möglichkeit zu einer weitreichenden Anwendung des Vorkaufrechts zu geben. Seit Monaten herrscht in der Sache Stillstand. SPD und Grüne machen dafür die FDP verantwortlich. Nun erhöht das SPD-geführte Bauministerium öffentlich den Druck auf Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), in dem Streit einzulenken.

Das Bauministerium erhöht öffentlich den Druck auf Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).

© dpa/Kay Nietfeld

SPD-Bundesbauministerin Klara Geywitz hatte bereits Ende April einen Gesetzentwurf vorgelegt, um den Kommunen die Möglichkeit zurückzugeben, das Vorkaufsrecht in der besonders in Berlin intensiv genutzten Weise anzuwenden. Doch ein Beschluss steht seither aus. Das von der FDP geführte Bundesjustizministerium hatte Vorbehalte angemeldet.

Umfangreich habe das Bauministerium seither auf die Fragen und Einwände des Justizministeriums reagiert. Doch Buschmann bleibe bei seinen Kritikpunkten und halte eine Ausweitung des Vorkaufsrechts nicht für notwendig, heißt es aus der Koalition. Zuletzt befasste sich vergangene Woche eine Fachpolitikerrunde der Koalition mit dem Gesetz – ohne Ergebnis.

Es kann dazu führen, dass der Allgemeinheit unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen, um günstiges Wohnen für einige wenige Betroffenen zu sichern.

Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums zur Ausweitung des Vorkaufsrechts

Vertreter von SPD und Grüne empfinden das hinter vorgehaltener Hand als reine Blockade-Taktik. Das Justizministerium sieht für seine kritische Haltung jedoch gute Gründe. „Einer gesetzgeberischen Ausweitung des kommunalen Vorkaufsrechts muss eine gründliche Analyse vorausgehen“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Wirkungen und Alternativen seien sorgfältig zu prüfen, denn das Vorkaufsrecht sei je nach Ausgestaltung ein „zweischneidiges Instrument“.

So könnten Auflagen in den Abwendungsvereinbarungen die energetische Sanierung verhindern und den Anbau von Fahrstühlen verhindern und dadurch „zu Zielkonflikten mit den Anliegen des Klimaschutzes und der Förderung altersgerechten Wohnens führen“. Nicht zuletzt könnten „der Allgemeinheit unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen, um günstiges Wohnen für einige wenige Betroffenen zu sichern“. Ob eine Ausweitung des Vorkaufrechts zweckmäßig sei, werde daher weiter in der Regierung besprochen.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021 sei „ein Schlag ins Gesicht“ für viele Mieter gewesen, sagt hingegen Kiziltepe. „Den Kommunen und Engagierten vor Ort fehlt seither ein wichtiges Instrument.“ Dennoch habe das Justizministerium dem Gesetzentwurf aus ihrem Haus trotz zahlreicher Gesprächsversuche nicht zugestimmt. „Wir setzen uns mit Hochdruck für eine Lösung ein“, sagte die Berliner Sozialdemokratin.

Unterdessen wehrt sich das Land Berlin weiter rechtlich gegen die Kündigung von Abwendungsvereinbarungen. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts wurde Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt. Geisels Senatsverwaltung für Stadtentwicklung betont zudem, dass es sich lediglich um eine Einzelfallentscheidung handele. Sie lasse sich „nicht pauschal auf alle Abwendungsvereinbarungen übertragen“. Es klingt eher wie ein letztes Hoffen.

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