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Für Obdachlose beginnt jetzt eine harte Zeit.

© Boris Buchholz

Berliner Kältehilfe schlägt Alarm: Für den Winter fehlen 400 Plätze in Notübernachtungen

Die Kältehilfesaison beginnt am 1. Oktober. Doch weil sich die Wohnungsmarktsituation dramatisch verschlechtert und Immobilien unbewohnbar sind, fehlen den Helfern 400 Plätze.

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Das Haus steht irgendwo am äußersten Stadtrand, Strom- und Wasserversorgung sind marode, Toiletten kaum benutzbar, Duschen in katastrophalem Zustand. Und in so einem Haus sollen in der kalten Jahreszeit Obdachlose nachts eine warme Zuflucht finden? Danke, nein. Die Kältehilfe musste das Angebot der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) ablehnen. Die Sanierung wäre viel zu teuer, der Aufwand für ein paar Monate Unterkunft viel zu hoch gewesen.

Allerdings hat die Kältehilfe, das Netzwerk von verschiedenen Wohlfahrtsverbänden, in diesem Jahr nicht bloß eine solche unbewohnbare Unterkunft angeboten bekommen. Es waren mehrere, und alle wurden notgedrungen abgelehnt. Andere Unterkünfte, die bislang in Verwendung waren, sind zudem weggefallen, sie werden jetzt zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt.

Wachsender Andrang in Tagesstätten und Suppenküchen

Und deshalb fehlen aus Sicht der Kältehilfe zum Beginn der Kältesaison am 1. Oktober rund 400 Notübernachtungsplätze. 1000 stehen zur Verfügung, 700 davon sind temporär, also begrenzt auf die kalten Monate. 300 gelten als ganzjährige Plätze, aber natürlich werden sie auch von der Kältehilfe genutzt.

Auch im vergangenen Jahr startete die Kältehilfe mit 1000 Plätzen in Notunterkünften, allerdings war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass im Dezember noch weitere Plätze in Immobilien dazukommen würden. Solche zusätzlichen Plätze gibt es in dieser Periode nicht mehr.

400
Notübernachtungsplätze fehlen nach Ansicht der Kältehilfe

Kein Wunder, dass Vertreter der Wohlfahrtsverbände Alarm schlagen. Bei einer Pressekonferenz am Freitag sagte Ursula Schoen, die Direktorin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: „Wir erleben in nahezu allen Bereichen, dass der soziale Immobilienmarkt an die Grenzen stößt. Und nun funktioniert auch die klassische Vorstellung von Winternothilfe praktisch nicht mehr.“ Das Diakonische Werk ist ein Teil des Kältehilfe-Netzwerks.

Ursula Schoen sieht natürlich auch die katastrophale Lage auf dem Wohnungsmarkt und die Zahl der Menschen, die dringend eine Unterkunft suchen. „Aber bei der Kältehilfe fehlen 400 Orte menschlicher Nähe.“ Und diese menschliche Nähe wird immer öfter gesucht. „In Tagesstätten und Suppenküchen erleben wir eine rasant wachsende Zahl von Bedürftigen“, sagte die Diakonie-Direktorin.

Barbara Breuer, die Sprecherin der Stadtmission, beobachtet, „dass sich das Profil der Menschen, die in die Notunterkünfte kommen, enorm gewandelt hat“. Zunehmend Vergangenheit sei „der klassische alkoholkranke ältere Mann“. Wer jetzt auftauche, sei oft jünger, etwa 30, sucht- und psychisch krank. Aber mit der angemessenen Betreuung dieser Menschen seien Ehrenamtliche mitunter schlicht überfordert.

Beim Zusammenrücken machen nicht alle mit

„Wir lassen natürlich niemanden in der Kälte stehen, wenn er noch einen Platz sucht“, sagt Ina Zimmermann, Referentin für Wohnungslosigkeit bei der Diakonie. „Dann rücken halt alle zusammen, und wir akzeptieren schlechtere Zustände, obwohl wir das eigentlich nicht verantworten können. Aber es gibt dann natürlich Menschen, die lieber im Freien übernachten als unter solchen Bedingungen.“

Auch in der Lehrter Straße, der größten Notunterkunft der Stadtmission, ist man von vornherein auf eine Überbelegung eingerichtet. 125 Plätze hat die Unterkunft offiziell, „aber vor der Tür stehen dann nicht selten 170 Menschen“, sagt Barbara Breuer. Im Notfall werden andere Unterkünfte nach freien Plätzen angefragt. Drei Kältebusse sind in der ganzen Stadt im Einsatz.

Immerhin gibt es keine Einsparung

Drei Millionen Euro stellt die Senatsverwaltung für Soziales für die diesjährige Kältehilfe bereit, diese Summe ist zumindest im Entwurf des Doppelhaushalts eingestellt. Die gleiche Summe wie in der vergangenen Saison. Ursula Schoen begrüßt, dass es keine Einsparung gibt.

Trotzdem fordert sie ein Ende der temporären Lösungen. „Nur mit einem ganzjährigen Hilfesystem wird es möglich sein, dem staatlichen Schutzauftrag für Wohnungs- und Obdachlose nachzukommen“, sagt sie.

Über zwei der der vielen Betroffenen dieser Wohnungsnot berichtete Jörge Bellin, Koordinator für Wohnungs- und Obdachlosenhilfe bei den Johannitern. Das Pärchen hatte seine Wohnung verloren und trotz großer Mühe keine neue gefunden. Die Beiden lebten deshalb in der Notunterkunft Ohlauer Straße der Johanniter – während der gesamten Kältesaison.

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