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2012 wurde Burak Bektaş auf offener Straße erschossen – ein bis heute ungeklärter Mord.

© dpa/Robert Schlesinger

Hunderte Rechtsextremismusakten liegen geblieben: Berliner Kommissariatschef hatte zuvor Ermittlungen im Mordfall Bektaş geleitet

Beim Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamtes wurden 364 Verfahren jahrelang nicht bearbeitet. Der zuständige Beamte ermittelte zuvor jahrelang ergebnislos in einem Mordfall.

Der Beamte, unter dessen Zuständigkeit mehrere hundert rechte Straftaten nicht bearbeitet wurden, hatte zuvor jahrelang ergebnislos in einem der bekanntesten Mordfälle Berlins ermittelt. Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich bei dem früheren Kommissariatsleiter des Berliner Staatsschutzes, gegen den aktuell intern ermittelt wird, um den Beamten Alexander H.

H. war vor seiner Zeit beim Staatsschutz Ermittler und später Chef der 6. Mordkommission – und leitete von Anfang an die Ermittlungen im Mordfall Burak Bektaş. Bektaş war im April 2012 in Neukölln auf der Straße von einem Unbekannten erschossen worden. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt. Angehörige vermuten ein rassistisches Motiv und werfen den Behörden unzureichende Ermittlungen vor.

Auffällig ist: Nach dem Wechsel des Beamten Alexander H. von der Mordkommission zum Staatsschutz rollten die neue Leitung und die Staatsanwaltschaft den Mordfall Bektaş noch einmal komplett neu auf.

Der Fall Bektaş wurde noch einmal neu aufgerollt

„Die Mordkommission hat noch einmal alles von unten nach oben gekehrt“, sagte der jetzt zuständige Staatsanwalt Martin Glage vor eineinhalb Jahren bei einem Pressegespräch. Die Behörden hätten noch einmal jede Akte, jeden Fund überprüft. Neue Erkenntnisse brachte das nicht. Unklar bleibt, ob es bereits damals Zweifel an der Arbeit des Ermittlers H. gab.

Im aktuellen Fall wurde vor rund einer Woche öffentlich bekannt, dass beim Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamtes seit 2020 insgesamt 364 Fälle rechter Straftaten nicht bearbeitet wurden. Nun ermittelt die Behörde gegen den früheren Kommissariatsleiter Alexander H. und einen Sachbearbeiter wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Welche Art von Straftaten genau betroffen sind, ist nach wie vor unklar.

Welche Fälle liegen geblieben sind, ist unklar

Am Montag erklärte Polizeipräsidentin Barbara Slowik im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses, dass es keine Hinweise auf eine politische Motivation gäbe. Verbindungen der beiden betroffenen Beamten zu Ermittlungen in der rechten Anschlagsserie in Neukölln und unter anderem eben dem Mordfall Burak Bektaş würden noch geprüft. Zumindest in letzterem Fall dürfte eine Verbindung offensichtlich sein.

Deutlicher kann man die Ignoranz gegenüber Betroffenen von rechter Gewalt nicht ausdrücken.

Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader über das Vorgehen von Polizei und Senat

„Es drängt sich der Verdacht auf, dass der für die Nichtbearbeitung von rechten Straftaten verantwortliche Kommissariatsleiter auch im Fall Bektaş nötige Ermittlungsschritte unterlassen hat“, kommentierte der Linken-Innenexperte Niklas Schrader die neuen Erkenntnisse. Zudem sei nun klar, dass die Panne in den Aufgabenbereich des Untersuchungsausschusses zur rechten Anschlagsserie falle: Dieser widmet sich auch dem Mordfall Bektaş.

„Aber, anstatt dass die Innensenatorin Parlament und Öffentlichkeit vollständig informiert, kommen die Fakten nun scheibchenweise ans Licht“, sagte Schrader weiter. „Deutlicher kann man die Ignoranz gegenüber Betroffenen von rechter Gewalt nicht ausdrücken.“

Ähnlich äußerte sich auch der Ausschuss-Vorsitzende Vasili Franco (Grüne). Wiederholt würden parallel zur Arbeit des Untersuchungsausschusses Ermittlungspannen aufgedeckt, stellte Franco fest. Er kritisierte, dass auch dem Innenausschuss „nur spärliche Informationen zum Inhalt und Umfang der über 360 unbearbeiteten Fälle im Bereich Rechtsextremismus bekannt gemacht“ worden seien.

Er erwarte „gegenüber dem Parlament vollständige Transparenz. Eine Salamitaktik konterkariert die parlamentarischen Bemühungen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus und schadet dem Vertrauen in die Sicherheitsbehörden“, so Franco.

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