zum Hauptinhalt
Mit der Arbeitsgruppe Jugendkriminalität sollen erneute Silvesterkrawalle verhindert werden.

© picture alliance/dpa/TNN

Update

Nach Silvesterkrawallen: Neuköllner Projekt gegen Jugendgewalt wird auf ganz Berlin ausgeweitet

Die Neuköllner „Arbeitsgruppe Jugenddelinquenz“ gibt jungen Intensiv- und Mehrfachtätern eine soziale und berufliche Perspektive. Jetzt wird das Projekt berlinweit eingeführt.

| Update:

Rund 90 Kinder und Jugendliche, die Intensivtäter waren oder an der Schwelle zum Intensivtäter standen, hat die Neuköllner „AG Jugendgewalt“ bisher so erfolgreich betreut, dass sie jetzt eine schulische, soziale oder berufliche Perspektive haben. Die AG, die inzwischen in „AG Jugenddelinquenz“ umbenannt wurde, gehört zum Jugendamt Neukölln.

Jetzt soll das bisherige Pilotprojekt, das 2017 in Neukölln gegründet wurde, auf ganz Berlin ausgeweitet werden. In einem Jugendklub in Neukölln ist die Arbeit des Modells am Dienstag vorgestellt worden, Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) erklärte dabei die weiteren Planungen. „Wir werden 2024 und 2025 jeweils 2,6 Millionen Euro für die Ausweitung des Projekts ausgeben“, kündigte sie an. In diesem Jahr sollen es 1,3 Millionen Euro sein.

„Das Neuköllner Projekt sorgt dafür, dass es bei bestimmten Jugendlichen hoffentlich keine weiteren Straftaten mehr gibt“, sagte Günther-Wünsch.

Zwei bis vier neue Stellen für jedes Jugendamt

Jedes Jugendamt soll nach Angaben der Senatorin zusätzlich zwei bis vier neue, unbefristete Stellen bekommen. Spätestens zu Beginn des Jahres 2024 beginne die Umsetzung. Bezirke, welche die Stellen schon früher besetzen können, erhalten dafür die entsprechenden finanziellen Mittel. Im September 2023 soll in einer Runde mit allen beteiligten Bezirken die konkrete Realisierung des Projekts besprochen werden.

Keiner von unseren Jugendlichen ist an Silvester strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Katrin Dettmer, kommissarische Leiterin des Jugendamts Neukölln

Die grundsätzliche Entscheidung, das Neuköllner Projekt in ganz Berlin umzusetzen, fiel aber schon beim Jugendgewaltgipfel im Februar, der Antwort des damaligen Senats auf die Silvesterkrawalle. Der Ausbau des Neuköllner Models ist eine von insgesamt 29 Maßnahmen zur Prävention und Verhinderung weiterer Gewalt. „Für alle Maßnahmen stellen wir in diesem Jahr 20 Millionen Euro zur Verfügung“, sagte Günther-Wünsch.

Das Neuköllner Projekt richtet sich an zehn- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche. Dabei arbeiten vier Sozialarbeiter sehr eng mit ihnen zusammen, zugleich besteht das Hilfsangebot aus einem dichten Netz von Schule, Polizei, Jugendberufshilfe, Ausländerbehörde, Jugendhilfe und Justiz.

Zum Netzwerk gehört auch der Regionale Soziale Dienst (RSD). Der RSD ist eine bezirkliche Einrichtung, die Eltern, Kinder und Jugendliche in Konfliktsituationen, bei Erziehungsproblemen sowie bei familienrechtlichen Konflikten unterstützt.

Katrin Dettmer, die kommissarische Jugendamtsleiterin von Neukölln, sagte im Jugendklub: „Ganz wichtig ist das Vertrauen, das die Jugendlichen zu unseren Mitarbeitern haben.“ Die Sozialarbeiter arbeiten wöchentlich jeweils vier Stunden mit den Kindern und Jugendlichen, sie sind auch telefonisch erreichbar.

Mit brutaler Gewalt aufgefallen

Derzeit betreut die AG „Jugenddelinquenz“ 25 bis 30 Kinder und Jugendliche. Sie sind durch mehrfache, brutale Gewalttaten, aber auch durch andere Straftaten aufgefallen. Zu den Neuköllner Sozialarbeitern kommen sie entweder nach einer Meldung der Polizei, der Schule oder des RSD.

Die Sozialarbeiter kooperieren eng mit der Polizei, sie erfahren in der Regel innerhalb eines Tages, ob einer ihrer Jugendlichen mit einer Straftat aufgefallen ist. Dann findet sofort ein Gespräch mit den Tätern statt. Die Jugendlichen sollen sich zunächst mit ihren Handlungen auseinandersetzen können. Auch die Eltern werden einbezogen.

Ein Jahr ohne Straftaten gilt als erfolgreich

Eine Betreuung gilt als erfolgreich, wenn ein Jahr lang keine neuen Straftaten mehr verübt wurden und die Perspektive durch einen Schulabschluss oder einen Ausbildungsanschluss geklärt ist. Bisher haben nur elf Betroffene eine Betreuung in der AG abgebrochen.

Das Modell geht auf ein vergleichbares Projekt in Essen zurück, Neukölln hat es übernommen. Der frühere Neuköllner Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) und heutige Staatssekretär für Jugend und Familie in der Senatsbildungsverwaltung hatte das Konzept maßgeblich in seinem Bezirk mit angeschoben.

Wie gut das Projekt arbeitet, sieht man an einer Erfolgsmeldung der AG: „Keiner von unseren Jugendlichen ist an Silvester nach jetzigem Kenntnisstand strafrechtlich in Erscheinung getreten“, sagte die kommissarische Jugendamtsleiterin Katrin Dettmer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false