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Fuer Jugendliche in Buckow fehlt Raum - hier machen sie sich ihre Räume aus ehemaligen Tempohomes.

© Tsp/Doris Spiekermann-Klaas

Supermarkt-Parkplatz wird zu Pop-up-Wohnzimmer : Künstler und Jugendliche gründen autonomes Jugendprojekt in Süd-Neukölln

Seit Jahren gibt es im Neuköllner Ortsteil Buckow keinen Jugendtreff mehr. Deswegen sind die Jugendlichen jetzt selbst aktiv geworden.

Schon von weitem dröhnt Musik von dem ehemaligen Parkplatz, die umstehenden Wohnblöcke werfen den Schall in alle Richtungen. Zwischen Häuserschluchten und einem leerstehenden Discounter ist hier, am Mollnerweg im Neuköllner Ortsteil Buckow, in den vergangenen Monaten eine Mischung aus Pop-up-Wohnzimmer und improvisiertem Jugendclub entstanden.

Dort, wo früher Autos parkten und Einkaufswagen auf Kund:innen warteten, stehen jetzt eine aus Holzlatten gezimmerte Bühne, Sitzbänke und Pavillons auf dem ramponierten Asphalt. Am nördlichen Rand bilden weiße Container, frühere Tempohomes aus einer Pankower Geflüchtetenunterkunft, einen wettergeschützten Rückzugsort mit Sofas und Campingküche.

An diesem Frühlingsnachmittag scheint allerdings die Sonne. Jugendliche laufen auf der Fläche herum, tragen Holzlatten von einer Ecke zur nächsten, schlagen Nägel in Balken, sägen passende Stücke zurecht. Ein kleiner Junge im gestreiften Shirt spielt mit einem Stock. Dazwischen sitzen Jugendliche auf den Bänken, quatschen über Gott und die Welt, was man eben als junger Mensch so macht.

Ahmed (links) und sein Kumpel Ali.
Ahmed (links) und sein Kumpel Ali.

© Tsp/Doris Spiekermann-Klaas

Unter ihnen sind auch der 16-jährige Ahmed Hassan und sein 17-jähriger Kumpel Ali Naaman. Sie gehören zum Kernteam des Projektes „Wir bringen Ringsleben zum Leben!“. Dabei wollen Künstler:innen und Studierende gemeinsam mit den Jugendlichen aus der Nachbarschaft eine eigene Vision einer bunteren Zukunft realisieren.

Ahmed ist von Anfang an dabei, er wohnt mit seiner Familie in einem der umliegenden Hochhausblocks. Angefangen habe es damit, dass den Jugendlichen die Orte ausgingen, an denen sie einfach nur sein konnten, erzählt er.

Einen Jugendclub gibt es in Buckow schon lange nicht mehr

Einen Jugendclub gibt es in Buckow schon lange nicht mehr, der frühere in einer historischen Villa im alten Dorfkern steht seit Jahren leer. Einem Laden, bei dem sich die Jugendlichen regelmäßig trafen, wurde irgendwann gekündigt, der angrenzende Spielplatz wich einem Neubau.

Anna Maier vom Kulturnetzwerk Neukölln leitet das Projekt.
Anna Maier vom Kulturnetzwerk Neukölln leitet das Projekt.

© Tsp/Doris Spiekermann-Klaas

Irgendwann trafen Ahmed und ein paar weitere Jugendliche auf Anna Maier, die für das Kulturnetzwerk Neukölln ein Jugendprojekt an einer benachbarten Schule betreut. Und plötzlich entstand die Idee: Wenn uns der Bezirk keine Räume gibt, warum schaffen wir uns die nicht einfach selbst?

Ein geeigneter Ort, der alte Supermarktparkplatz, war schnell gefunden und irgendwann auch der Eigentümer von dem Projekt überzeugt. Die Jugendlichen dürfen die Fläche nun kostenlos nutzen, bis hier vielleicht auch dereinst etwas Neues gebaut wird.

„Dann haben wir erstmal angefangen, hier aufzuräumen“, erzählt Ahmed. Er nimmt mit einer Hand sein Käppi ab, streicht sich mit der anderen durch die kurzen schwarzen Haare, setzt das Käppi wieder auf. Er sagt: „Ich war am Anfang nicht sicher, ob ich mitmachen will. Dann habe ich aber gemerkt, dass es eigentlich voll cool ist, wenn wir das hier zusammen schaffen.“

Sein Kumpel Ali stieß später dazu. Die beiden kannten sich flüchtig aus dem Fitnessstudio, kommen aus unterschiedlichen Nachbarschaften – zwischen denen es durchaus auch Spannungen gibt. „Jetzt chillen wir immer zusammen“, sagt Ali und knufft Ahmed in die Seite.

Irgendwo müssen die Jugendlichen ja hin.

Anna Maier, Projektleiterin

Gemeinsam bauten die Jugendlichen die Bühne, dachten sich erste Veranstaltungen aus. Im vergangenen Sommer fanden hier Tanzkurse, Boxwettkämpfe, Konzerte und Kinoabende statt. Anna Maier ist zwar formal Projektleiterin, legt aber Wert darauf, dass der Ort nach den Wünschen und Plänen der Jugendlichen gestaltet wird. „Mein Ansatz ist es, mit den Jugendlichen gemeinsam etwas zu erschaffen und dadurch Vertrauen aufzubauen“, erzählt sie.

Sie kümmert sich derweil um Förderanträge, besorgte die ausrangierten Tempohomes und die dazugehörigen Genehmigungen des Bauamtes. Und sie versucht auch, Probleme mit der Nachbarschaft zu lösen – etwa denjenigen Anwohner:innen, die sich an der Musik und dem Leben auf dem Parkplatz stören. „Aber irgendwo müssen die Jugendlichen ja hin“, sagt sie.

In den umliegenden Häuserblocks würden viele Kinder und Jugendliche in beengten Verhältnissen aufwachsen, mit der Großfamilie in der viel zu kleinen Wohnung. Privatsphäre gibt es da kaum, erst recht keinen Ort, sich auszuleben.

Auf dem ehemaligen Parkplatz sind eine Bühne, Pavillons und Sitzbänke entstanden.
Auf dem ehemaligen Parkplatz sind eine Bühne, Pavillons und Sitzbänke entstanden.

© promo/Bilal El Soussi

Dieser Ort soll nun das Jugendprojekt sein. Während Ahmed vor allem davon träumt, hier künftig weiter mit anderen Jugendlichen einfach nur rumzuhängen, denkt sein Kumpel Ali schon größer: Man könnte etwa einen Boxautomaten aufstellen, der vielleicht sogar das Fitnessstudio ersetzt.

Welche Ideen tatsächlich umgesetzt werden, entscheiden die Jugendlichen mit Anna Maier und den anderen Mitarbeiter:innen des Kulturnetzwerkes gemeinsam. Einmal wöchentlich findet ein Plenum statt, bei dem künftige Veranstaltungen geplant, Umbauten besprochen und Aufgaben verteilt werden.

„Mein Ziel ist es, dass die Jugendlichen den Ort – natürlich mit etwas Unterstützung – irgendwann ganz alleine verwalten“, sagt Anna Maier. Und Ahmed ergänzt: „Ich wünsche mir, dass auch mein kleiner Bruder und später meine Kinder hier noch einen Ort haben, wo sie nach der Schule chillen können, eine Art zweites Zuhause.“ Denn viel mehr, ist er sich sicher, brauche es eigentlich nicht: Einfach einen Raum, wo man ungestört sein und Spaß haben kann.

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