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© Grafik und Foto: Tagesspiegel/J. Schneider, K. Kleist-Heinrich | Illlustrationen: Freepik

Wie erklären Eltern Schimpfwörter?: „Verfluchter Kuchensohn!“ oder „Du Lauch“

Brot, Kartoffel, Spargel – wann wird ein Wort zu einer Beleidigung? Ein Vater versucht, die Welt der Vulgarismen seinem Sohn zu erläutern.

Von Kai Röger

Neulich kam der Kleine nach Hause und fragte: „Was sind eigentlich Kuchensöhne?“ Nun muss man wissen, dass er in die 4. Klasse geht, na ja, aktuell nur zweimal die Woche, Tendenz fallend. Und dass wir hier in Prenzlauer Berg in einer gewissen Blase leben, das Klischee ist nicht ganz fern der Realität. Jedenfalls ist der Kleine nicht sonderlich beschlagen in Vulgarismen. Woher auch. Sobald er loslegt, heißt es: Achte auf deine Sprache! Das zeigt Wirkung, zumindest ein bisschen.

Aber zurück zu den „Kuchensöhnen“. Wir fragten ihn natürlich, wann und wo er das Wort gehört hatte, Kontext dient ja dem Verständnis. Er erklärte, zwei Kinder beim Streiten beobachtet zu haben, da fiel das Wort „Kuchensohn!“. Okay, damit war der Kuchen gegessen. Hätten wir ihm jetzt sagen sollen, dass er etwas falsch verstanden hatte und dass es hier nicht um Süßspeisen, sondern um bezahlte Liebe geht?

Wir ließen ihn also in seinem Glauben und sagten, dass wir auch nicht wüssten, was mit „Kuchensohn“ gemeint sein könnte. Genau genommen ist es ja nicht mal ein richtiges Schimpfwort, sondern nur eine dümmliche Beschreibung eines Verwandtschaftsverhältnisses – ähnlich wie bei „Bastard“. Das hatte er schon früher aufgeschnappt. Ein „Bastard“, erklärten wir ihm damals, sei ein Kind, dessen Eltern nicht verheiratet sind.

 Es kommt darauf an, wie man etwas sagt: Wütend oder drohend, mit weit aufgerissenen Augen – da kann man eigentlich alles sagen, um jemanden zu beleidigen

Der Vater

Das fand er ziemlich erstaunlich, weil es in seinem Freundeskreis viele Kinder gibt, deren Eltern nicht getraut wurden. „Aber ...“, sagten wir: „Es kommt darauf an, wie man etwas sagt. Wütend oder drohend, mit weit aufgerissenen Augen, oder abschätzig, vielleicht auch spöttisch – da kann man eigentlich alles sagen, um jemanden zu beleidigen.“

Und dann gilt es sich zu wehren (mein Standpunkt), oder es zu ignorieren (Standpunkt der Mutter – wie so oft der bessere). Wir nannten ihm weitere Beispiele für zweckentfremdete Worte aus dem Alltag: „Brot“ zum Beispiel. Das kann ziemlich abschätzig gemeint sein. Oder „Lauch“. Oder „Kartoffel“. Sogar „Früchtchen“ kann ziemlich fies verwendet werden. Seltsam, dass uns da so viele Schimpfworte einfielen, die sich aufs Essen beziehen.

Aber er hatte verstanden: Der Ton macht die Musik. Er begann zu improvisieren: „Du Spargel“ – das gibt es sogar. Und „Törtchen“, was sich doof anhörte. Ähnlich doof wie „Kuchensöhne“. Besser sei „Vollpfosten“, sagte ich, was seine Mutter nicht so super fand, weil sie nicht glaubt, dass er Nachhilfe im Beschimpfen braucht.

Daraufhin langweilte ich ihn mit einem kurzen Ausflug in die Semiotik – ich habe das studiert, aber nie wirklich gebrauchen können: „Sprache ist eine kulturelle Konvention“, erklärte ich. „Man einigt sich auf Zeichen und Laute und vereinbart eine Bedeutung ...“ Ich kam in Fahrt, die Mutter verdrehte die Augen und der Kleine begann zu malen.

Wir beschlossen, bei nächster Gelegenheit ins Museum für Kommunikation zu gehen, was nicht nur lehrreich, sondern auch lustig ist: Beim letzten Besuch haben wir uns schlappgelacht, als er und seine Kumpels versuchten, ein Telefon mit Wählscheibe zu bedienen. Immerhin konnten wir ihm ausreden, andere als „Kuchensohn“ zu beschimpfen. Auf die Sprache zu achten, ist wichtig, aber man will ja keinen Außenseiter aus ihm machen.

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