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© Arte France © Dream Way Productions

Arte-Doku über das Zölibat: Wider die Heimlichtuerei

Ein Arte-Dokumentarfilm über das kirchliche Aufbegehren gegen das Zölibat zeigt auch, welche Rolle Deutschland bei dem Thema spielen kann.

„Kann denn Liebe Sünde sein?“, singen die Männer mit Inbrunst. Am Klavier sitzt Peter Bubmann, evangelischer Theologe. Hinter ihm steht Wolfgang Schumacher, ein ehemaliger katholischer Priester, der seinem Ehemann die Hand auf die Schulter legt. Beide schmettern den legendären Schlager, den der wegen seiner Homosexualität von den Nazis verfolgte Bruno Balz für den Ufa-Film „Der Blaufuchs“ (1938) mit Zarah Leander geschrieben hatte.

Schumacher berichtet, der Weihbischof, dem er die Beziehung zu einem anderen Mann offenbarte, habe ihm mitgeteilt: „Wir haben uns entschieden, der Sache nicht nachzugehen.“ Die katholische Kirche verurteilt Homosexualität und verweigert homosexuellen Priestern die Weihe – entscheidet sich aber schon aufgrund des Priestermangels häufig dafür, den Verstoß gegen das Zölibat, sei es von homo- oder heterosexuellen Geistlichen, stillschweigend zu dulden.

Wolfgang Schumacher entschied sich anders, gegen die Heuchelei und Heimlichtuerei. Er wollte die religiöse Berufung und seine persönliche Liebesbeziehung vereinbaren: Seit 2014 ist er Pastor einer protestantischen Gemeinde, die ihn sehr gut aufgenommen habe, sagt er. „Zölibat – Der katholische Leidensweg“, Arte, Dienstag, 20 Uhr 15

Wie der Vatikan darauf reagiert, schildert der Film nicht

Es werden immer mehr, die in der katholischen Kirche gegen die Pflicht der Ehelosigkeit aufbegehren, ihr Priesteramt niederlegen oder in eine alternative Kirche eintreten, um heiraten und eine Familie gründen zu können. Das behaupten Eric Colomer und Rémi Benichou, die Autoren des französischen Dokumentarfilms.

Weltweit seien in den vergangenen Jahren in 50 Ländern junge katholische Splitterkirchen entstanden. In Kenia haben die Autoren zwei Bischöfe und deren Frauen besucht und interviewt. In dem ostafrikanischen Land seien fast 200 verheiratete Priester in alternativen Kirchen tätig, heißt es. Wie der Vatikan darauf reagiert, schildert der Film nicht.

Die Fülle der Beispiele aus Frankreich, Deutschland und Österreich, Belgien, der Schweiz, Polen, Großbritannien, Kenia und Ruanda belegt die globale Sprengkraft des Themas. Der Untertitel „Der katholische Leidensweg“, eine Anspielung auf die Passion Christi, ist vieldeutig zu verstehen.

Der Film erzählt von der inneren Zerrissenheit einer Kirche, die an einer Norm festhält, die vielfach gebrochen wird. Auch die Institution leidet: Sie verliert an Glaubwürdigkeit und damit die Menschen, wobei der Missbrauchsskandal, von dem im Film nicht die Rede ist, noch schwerer ins Gewicht fällt.

Und dann geht es natürlich um das konkrete Leid der Betroffenen. Der Dokumentarfilm stellt klugerweise nicht nur ehemalige Priester vor, die heimliche Beziehungen pflegten. Vor die Kamera treten auch Frauen, die ihre Liebe verheimlichen mussten, und Kinder, die abgeschoben wurden.

Die Kurie sei krank

Wie Tomek Kucharski aus Deutschland, der jahrzehntelang nicht wusste, dass ein Priester sein leiblicher Vater war. Als er Nachforschungen anstellte, versuchte der polnische Priester seinen Sohn per gerichtlicher Verfügung zum Schweigen zu bringen. Oder Isabelle aus Frankreich, die ihr Vater, ebenfalls ein Priester, zwar regelmäßig besuchte, aber die er erst im Testament als seine Tochter anerkannte.

Papst Franziskus diagnostizierte im Dezember 2014, die Kurie sei krank, sie leide unter anderem an „existenzieller Schizophrenie“. Vier Jahre später beklagte er die „Berufungskrise“ und das „Ausbluten“ des Priesterstands. Aber in der Auseinandersetzung um Reformen beim Zölibat, bei der Beteiligung von Frauen oder der Segnung von Homosexuellen setzten sich die konservativen Kräfte im Vatikan durch. „Da ist so viel Widerstand. Selbst als Papst hat man da nicht wirklich freie Hand“, sagt Marie-Jo Thiel, Straßburger Ethik-Professorin und Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben.

Ohne konkret auf die Gespräche im Synodalen Weg einzugehen, wird Deutschland eine „Vorreiterrolle in Europa“ zugesprochen. Zu Wort kommt Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode, stellvertretender Vorsitzende der Bischofskonferenz. Die Situation scheint schizophren: In Österreich zelebriert der ehemalige Priester Herbert Bartl, der Ende der 1960er Jahre öffentlich gegen das Zölibat aufbegehrte, Gottesdienste in einem Altenheim.

Der Bischof akzeptiere das, sagt seine Tochter, die Leiterin des Heims. Dem Priestermangel geschuldet ist gewiss auch die Praxis, dass die katholische Kirche Geistliche aus der orthodoxen, anglikanischen oder chaldäisch-katholischen Kirche aufnimmt. Wie im Kanton Waadt in der Schweiz. Die Priester leiten Gemeinden, zelebrieren den Gottesdienst – und sind Ehemänner und Familienväter.

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