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Nach vier Jahren „Polizeiruf“ was Neues: Verena Altenberger. 

© dpa/Monika Skolimowska

Verena Altenberger im Gespräch: „Polizeiruf“-Star über Echtheit, Ehrgeiz und Lars Eidinger

Die österreichische Schauspielerin Verena Altenberger verlässt nach vier Jahren den „Polizeiruf“. Im Interview spricht sie über starke TV-Krimis, verpatzte Einstiege – und richtige Ausstiege.

Frau Altenberger, was machen Sie sonntagabends um viertel nach acht?
Oh, das ist sehr, sehr unterschiedlich.

Um die Uhrzeit gibt’s TV-Krimi im Ersten, der „Polizeiruf“ mit Ihnen.
Ich habe keinen Fernseher mehr. Das Leben einer Schauspielerin ist wahnsinnig unstet. Dreharbeiten, da oder dort. Mal ist der Sonntag ein Reisetag, mal ein Vorbereitungstag, mal ist er frei. Dann passt faul auf der Couch allerdings sehr gut…

Aber Sie schauen sich schon bei der Arbeit zu?
In der Mediathek, ja. Erstaunlicherweise bringt der ORF den „Polizeiruf“ gar nicht. Das werde ich dem Sender nie verzeihen.

Dabei sind Sie mindestens in Österreich ein Star, nicht nur wegen des Primetimekrimis. Nach nur sechs Folgen verlassen Sie nun den „Polizeiruf“. Warum? Zuletzt war die Rede davon, dass es zu viele TV-Krimis gibt. Das könnte auch TV-Ermittler auf Dauer nerven.
Nein. Für mich gilt: Aufhören, wenn’s am schönsten ist. Solange nicht alles auserzählt ist. Solange man noch das Gefühl hat: Ach, schade, dass sie geht…

In einem Interview haben Sie gesagt, bei Ihnen seien vier Jahre mit den gleichen Menschen viel. Sie seien grundsätzlich ein freiheitsliebender Mensch. Sind Sie ein unsteter Mensch?
Gar nicht. Es war beim „Polizeiruf“ von Anfang an von vier Jahren die Rede.

Es schwingt da bei Schauspielern ja immer so ein bisschen die Angst mit, bei Serienrollen all zu sehr festgelegt zu werden. Hatten Sie Sorge, dass Ihnen mit dem „Polizeiruf“ so ein Krimi-Stempel aufgedrückt wird?
Nein, nicht wirklich. Ich hätte jetzt schon das Gefühl gehabt, 230 Krimifolgen mehr machen zu können, ohne dass ich nur noch als Bessie Eyckhoff wahrgenommen werde.

Es gibt Phasen, in denen ist mein Ehrgeiz befriedigt.

Verena Altenberger, Schauspielerin

Wenn man Ihre Karriere betrachtet, da scheint ein sehr großer, klarer Wille am Werk. Mit 18 Jahren kamen Sie nach Wien, um Schauspiel zu studieren, sprachen am berühmten Max Reinhardt Seminar vor. Sie wurden nicht angenommen. Hat Sie das angestachelt?
Es gibt einen Tagebucheintrag von meiner Mutter, ich war drei. Da steht: „Verena will Schauspielerin werden.“ Dabei bin ich fernab von Theater und Kultur aufgewachsen und dachte trotzdem immer: Ich werde mal Schauspielerin, ohne dass ich so richtig gewusst habe, was das eigentlich ist.

Sie sollen beim Vorspielen im Reinhardt Seminar abgelesen haben.
Ich hatte das Reclam Heft in der Hand und hab ab und zu reingeguckt. Ich wusste nicht, was das heißt: Erarbeiten Sie einen Monolog!

Es hat ja geklappt mit der Karriere. Sie gelten als eine der besten deutschsprachigen Schauspielerinnen Ihrer Generation, zuletzt auch zu sehen in einem der schönsten Liebesfilme des Jahres: „Gesicht der Erinnerung“. Regie: Dominik Graf. Ein sehr spezieller Regisseur, auch zweimal mit Ihnen im „Polizeiruf“.
Dominik ist Echtheit, zwingende Echtheit. Echtheit muss nie perfekt sein, Echtheit lebt und atmet.

 Elisabeth Eyckhoff (Verena Altenberger) und Dennis Eden (Stephan Zinner) im neuen „Polizeiruf“, am Sonntag im Ersten. 

© BR/Amalia Film/Dragonbird Films/Sabine Finger

Filme wie „Gesicht der Erinnerung“ werden oft nur von zwei Millionen Zuschauern gesehen. Ein „Polizeiruf“ hat sieben, acht Millionen. Ärgert Sie das?
Sie sprechen mit einer Österreicherin! Wir sind insgesamt nur acht Millionen. Wenn ich höre, meinen Film haben zwei Millionen gesehen, sag’ ich: Vater, du wirst nicht glauben, was passiert ist!

Das Thema für viele Schauspielerinnen und Kreative ist ja: Masse oder Klasse? Sie machen beides. Krimi und Sitcom, Drama und Theater. Sind das nicht zwei Welten?
Ein schwieriger Punkt. Ich bin zusammen mit Arash T. Riahi Präsidentin der Akademie des Österreichischen Films und stelle mir mit ihm immer diese Fragen: Macht man jetzt nur noch Arthouse? Ist man verbrannt, wenn man den Amazon-Quotenhit dreht? In Wirklichkeit wollen wir nur gute Geschichten erzählen. Und es gibt so viele unterschiedliche gute Geschichten.

Typenveränderung: „Bessie“ Eyckhoff (Verena Altenberger, mit Thomas Schubert) 2021 im „Polizeiruf“. 

© BR/Provobis Gesellschaft für Fil

Die hatte der „Polizeiruf“ mit der Figur Bessie Eyckhoff. Wenn man Ihre sechs Krimi-Folgen sieht: Sie haben sich äußerlich stark verändert, anfangs mit langen Haaren. Jetzt auffällig kurze Haare.
Ich hatte 33 Jahre lang dieselbe Frisur, lange braune Locken, Angst, nur einen Zentimeter abzuschneiden, weil ich mir dachte: Dann kommt ein historischer Film, den kann ich vielleicht nicht drehen, weil meine Haare zu kurz sind. Beim Film „Sterne unter der Stadt“ war für mich dann glasklar: Wenn ich eine Krebspatientin spiele, kommen die Haare ab. Meine Mutter hatte Krebs, das war für mich eine Ehrensache.

Die Krebspatientin, die Primetime-Ermittlerin, eine drogensüchtige Mutter, die Buhlschaft im „Jedermann“ neben Lars Eidinger, Altenpflegerin in einer RTL-Sitcom, sogar drei Sekunden in „Mission: Impossible“ neben Tom Cruise…
…ich glaube, es waren fünf. (lacht)

Das wünschen sich Schauspieler ja immer: Vielseitigkeit. Nur: Wenn man 1000 Gesichter hat, verliert man dann nicht das eine, den Kern?
Ich habe da für mich ein Bild gefunden von so einer Art Gummiball, wo man die Haut ein bisschen wegziehen kann. Man kann sich mal dahin dehnen, mal dorthin, es schnappt immer wieder auf den Kern zurück. Und ich kann natürlich in ganz vielen Situationen anders sein. Aber ich bin ja trotzdem ich. Das gilt auch für die Rollen. Ich spiele nicht mich selber und trotzdem bin ich die, die das spielt. Die Kunst entsteht ja aus mir, nicht aus einem anderen Menschen. Das war immer mein größter Wunsch, alles machen zu können, Bühne und Film und auch Comedy und Drama.

Wie ist es, neben Lars Eidinger zu spielen? Da ist viel Dehnung, um im Bild zu bleiben. Viel Ehrgeiz, Eitelkeit.
Lars Eidinger hat vielleicht ein großes Ego, ist aber vor allem ein wahnsinnig verlässlicher, sehr kluger Kollege, der weiß, dass man Schauspielen nur zusammen kann. Dass man auch selber sehr profitiert, wenn man sich auf den anderen einlässt.

Wie ehrgeizig sind Sie?
Sehr. Es gibt Phasen, in denen ist mein Ehrgeiz befriedigt. Da weiß ich: Läuft! Es gibt Phasen, da ist mein Ehrgeiz nicht ganz befriedigt, aber es triggert mich nicht. Da kann ich gelassen draufschauen und mir sagen: Jetzt bist du mal sportlich. Nächstes Jahr. Und es gibt Phasen, da bin ich unglücklich. Weil ich mehr möchte.

Können Sie auch mal weniger machen? Ganz Pause?
Nach diesem Interview. Eine Woche Marina Abramovic Workshop in Griechenland. Eine Woche komplett alles abgeben. Kein Handy, nichts lesen, nichts essen, nichts reden, nichts lesen, keine Uhrzeit, keine Elektronik.

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