zum Hauptinhalt
Spielt es bei der Zubereitung von Nudeln eine Rolle, ob das Wasser auch wirklich kocht? Italiener sind sich uneins.

© IMAGO/Bihlmayerfotografie

Pasta, basta!: Italiener sollen beim Nudelkochen Gas und Strom sparen

Am Herd kann man auch mit der Hälfte der Energie Essen zubereiten, heißt es von Fachleuten in Italien. Ein Sternekoch reagiert skeptisch.

Spaghetti, Fusilli, Penne, Linguine, Rigatoni, Orecchiette, Pappardelle: Die unzähligen Pasta-Sorten sind Ikonen der italienische Küche und als „primo“ (Vorspeise) nicht wegzudenken bei einem anständigen Essen im Belpaese. Doch jetzt hat die Energiekrise auch die über alles geliebten Nudeln erreicht: Ihre Zubereitung verschlingt erhebliche Mengen von Gas oder Strom, da relativ viel Wasser zum Kochen gebracht werden muss.

Und so werden die Italienerinnen und Italiener schon seit mehreren Wochen von den Zeitungen und vom Fernsehen täglich von mehr oder weniger kompetenten Experten mit mehr oder weniger sinnvollen Spar-Tipps zum Pasta-Kochen bombardiert.

In die Diskussion eingeschaltet hat sich in diesen Tagen auch Giorgio Parisi, seines Zeichens Nobelpreisträger für Physik vom vergangenen Jahr. Sein Ratschlag: Das Wasser in der Pfanne zum Kochen bringen, die Pasta hineingeben, Deckel drauf – und dann sofort oder nach zwei Minuten den Herd abstellen. „Damit spart man mindestens acht Minuten lang Gas oder Strom!“ twitterte der Wissenschaftler von der Römer Universität La Sapienza.

Wegen der allmählich sinkenden Wassertemperatur müsse die Pasta einfach etwa eine Minute länger in der Pfanne bleiben, sagt Parisi. Insgesamt betrage die Energie-Einsparung bis zu 47 Prozent – mit entsprechend positiven Auswirkungen auf die Gas- oder Stromrechnung.

„Passives Kochen“ nennt man das mit dem entsprechenden Fachausdruck. Unterstützung erhielt der Nobelpreisträger vom populären Chemiker und Wissenschaftsjournalisten Dario Bressanini: „Es ist seit 200 Jahren bekannt, dass nicht das Kochen des Wassers und das Aufsteigen der Blasen für den Kochvorgang bedeutsam sind, sondern die Temperatur des Wassers: Die Nudeln – oder auch Reis – nehmen das Wasser schon bei 80 Grad auf.“

Dies möge „überraschend“ sein, weil man eben traditionell daran gewöhnt sei, das Wasser immer am Kochen zu halten und dabei sogar den Deckel zu entfernen. Dabei bestehe auch bei nicht kochendem Wasser keine Gefahr, dass die Nudeln verklumpen könnten, zumindest dann nicht, wenn man qualitativ gute Pasta aus „grano duro“ (Hartweizen) verwende. Die Qualität der Nudeln leide jedenfalls nicht darunter, Das sehen freilich einige Spitzenköche anders.

Der bekannte Sternekoch Antonello Colonna – er war auch einige Jahre lang Küchenchef im Palazzo Chigi, dem Sitz des italienischen Ministerpräsidenten – hält wenig von dem Vorschlag Parisis: Bei dieser Methode würden die Nudeln nicht mehr richtig „al dente“, sondern „gummiartig“, erklärte Colonna und führte eigene negative Erfahrungen ins Feld.

Jeder solle bei sich zuhause so kochen, wie es der eigene Geschmack und vor allem der eigene Geldbeutel verträgt, betonte Colonna. Aufgrund der Nachteile für die Konsistenz und den Geschmack sei die Parisi-Methode in der Gastronomie jedenfalls ungeeignet.

Wer in dem Pasta-Streit nun Recht hat, ist noch nicht abschliessend entschieden. Auf jeden Fall diskutiert man nun in Italien, wo das Essen seit jeher ein absolut erstrangiges Thema ist, seit Tagen über (fast) nichts anderes mehr.

Der Gedanke, die Pasta in nicht kochendem Wasser einfach so vor sich hin garen zu lassen, scheint aber viele Hobby-Köchinnen und -Köche zu irritieren. „Da kann ich die Spaghetti gleich roh essen, dann spare ich 100 Prozent der Energie“, lautete etwa ein sarkastischer Kommentar in den sozialen Netzwerken.

Doch nun hat sich auch die Regierung für die Parisi-Methode ausgesprochen: Der Minister für ökologische Transition Roberto Cingolani, ein Physiker wie Parisi, empfiehlt ebenfalls, den Herd abzustellen oder zumindest auf das Minimum zurückzudrehen, nachdem man die Pasta ins kochende Wasser geworfen hat. Der Ratschlag wird Teil einer nationalen Sensibilisierungskampagne sein, in welcher die Regierung ab September Tipps zur freiwilligen Reduktion des Energieverbrauchs geben wird.

Zu den Maßnahmen gehört auch kürzeres und kälteres Duschen, das vollständige Befüllen der Waschmaschine und des Geschirrspülers, das Ersetzen alter und ineffizienter Haushaltgeräte durch moderne Maschinen, der Verzicht auf den Stand-by-Betrieb von Fernsehern und Decodern und anderes mehr. Aber all das gibt in Italien weniger Anlass zum Diskutieren als die Pasta im nicht kochenden Wasser.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false