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Freiheit ohne Verantwortung hat Konsequenzen. Manche sind ohne Bedeutung, andere gefährlich.

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Verzicht auf Weihnachtsfeiern?: Schaltet Hirn und Herz ein!

Corona, Grippe, RSV – immer mehr Menschen fallen krankheitsbedingt aus. Dennoch steigt die Zahl der Betriebsfeiern wieder. Dürfen wir so fahrlässig sein?

Ein Kommentar von Armin Lehmann

Rücksicht auf andere war einmal, ein Gespür für Freiheit hat sich seinen Weg zurück in den Alltag gebahnt. Es fühlt sich gut an, weil es uns wieder glauben lässt, wir könnten ohne eine Gefährdung durch Corona und nur nach unserem Interesse handeln. Frei nach dem Motto: Man wird ja wohl endlich wieder Spaß haben dürfen!

Ich hatte Spaß, als ich mit vielen Menschen ohne Maske in Innenräumen auf ein gelungenes Arbeitsprojekt anstieß und dann bis in den Morgen in einer Bar versackte – obwohl ein Sohn mit Grippe zu Hause flachlag. Es war spontan, es war schön. Nur kurz hatte ich überlegt, ob ich lieber nach Hause gehe, aber die innere Stimme sagte: „Wird schon gut gehen“. Ging es dann glücklicherweise auch.

Es sind derzeit nicht unbedingt Coronaviren, sondern andere Erreger wie RSV, die zu massenhaften Infekten führen und Belegschaften ausdünnen. In Schulen, Betrieben, Ämtern.

Ich wäre auch gern zur Weihnachtsfeier gekommen, aber es war mir zu gefährlich, ich möchte nicht wieder an Corona erkranken.

Anonymer Kollege

Freiheit ohne Verantwortung hat immer Konsequenzen. Manche sind nicht der Rede wert, andere dramatisch. Ich denke da an die, die mit oder wegen Corona dauerhaft erkrankt sind. Oder die, die unter Ängsten, manchmal psychologischen Erkrankungen leiden, die ihre Lebensqualität einschränken. Oder die, die ihr schlechtes Gewissen, ihr mulmiges Gefühl nicht so leicht ablegen können wie ich. Die noch immer verzichten.

Das Unbefriedigende aushalten

Mir sagte ein Kollege: „Ich wäre gerne zur Weihnachtsfeier gekommen, aber es war mir zu gefährlich, ich möchte nicht wieder an Corona erkranken.“ Und, mehr enttäuscht als vorwurfsvoll: „Ihr habt das einfach so ausgemacht, eine Feier in einer kleinen Kneipe ohne Fenster!“ Hätte es Alternativen geben können?

Man kann frühzeitig im Kollegenkreis überlegen, wie man feiern will und auch die Ängste und Sorgen Einzelner einbeziehen.

© mauritius images / Alamy / Volodymyr Melnyk

Die vielen Weihnachtsfeiern, die gerade überall stattfinden, führen zu einem alten Bedürfnis der Entschiedenheit: Klarheit im Unklaren. Schwarz oder weiß. Dafür oder dagegen. Lustig oder traurig. Feierbiest oder Trauerkloß. Unklarheit dagegen ist uns oft zu anstrengend.

Doch Pandemie, Krieg und die Klimakrise verunklaren unser Leben dauerhaft, sie zwingen uns umzudenken. Worum es geht, um unseren Alltag zu bewältigen, ist: Schwarz und Weiß zu mischen. In einem guten Sinne Skrupel zu haben. Vernunft und Unvernunft abzuwägen. Das Unbefriedigende auszuhalten.

Einfach gesagt: Seien wir empathisch, achtsam, kompromissbereit. Möchte ich dem vorsichtigen Kollegen im Zweifel wirklich zumuten, meinen krankheitsbedingten Arbeitsausfall zu kompensieren – nur weil ich unbedingt in die Kneipe wollte? Vielleicht ziehen wir uns doch lieber lange Unterhosen an und treffen uns im Freien auf dem Weihnachtsmarkt

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