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Weiterhin erreichen Tausende Migrant:innen die Küsten Italiens.

© PICTURE ALLIANCE / ASSOCIATED PRESS/Jeremias Gonzalez

Notstand wegen hoher Migrationszahlen: Italiens Rechtsregierung hat markige Worte, aber keine Mittel

Diesmal ist nicht von geschlossenen Häfen die Rede. Die Regierung von Georgia Meloni muss einsehen, dass auch sie die Migration übers Mittelmeer nicht aufhalten kann.

3000 Neuankömmlinge, die über Ostern an nur vier Tagen die Italiens Küsten erreichten - nichts wirklich Neues, wenn die Wetterbedingungen auf dem Mittelmeer im Frühjahr besser werden. Doch die Regierung von Georgia Meloni fühlte sich am Ostermontag zu einem Entschluss gedrängt: „Wir haben den Migrationsnotstand erklärt“, sagte die Regierungschefin, „um die Migrationsströme effizienter und rascher bewältigen zu können.“

Die Ausrufung der „emergenza“ klingt dramatisch. Tatsächlich ist sie Voraussetzung für Sondervollmachten und Geld, mit denen die Regierung schnell organisieren will, was im Moment nötig ist: Es fehlt Italien vor allem an Unterbringungsmöglichkeiten für die Neuankömmlinge. Zivilschutz und Rotes Kreuz sollen mithelfen.

Nichtregierungsorganisationen sind in Italien auch außerhalb des erklärten Notfalls vor Ort. Im mageren italienischen Sozialstaat können Eingewanderte und Geflüchtete nämlich grundsätzlich auf wenig behördliche Hilfe rechnen.

Die Erklärung der Ministerpräsidentin und zuvor ihres Parteifreunds Nello Musumeci, Minister „für Zivilschutz und Meer“, ist allerdings aus einem anderen Grund interessant: Zwischen den Zeilen gesteht die Rechtsregierung damit ein, dass allen markigen Worten zum Trotz auch sie kein Mittel hat, Italien mit seinen 7.000 Kilometern Küstenlinie gegen jene Migration abzuschotten, die sie täglich verteufelt.

Fast 100 Tote vor Kalabrien

Noch angesichts der – nach wie vor unaufgeklärten – Flüchtlingstragödie vor Kalabrien Ende Februar hatte Innenminister Piantedosi als Lösung ausgegeben, die Menschen dürften einfach gar nicht erst von Afrika oder der Türkei losfahren. Per Dekret ließ die Regierung anschließend die Strafen für Fluchthelfer auf 20 bis 30 Jahre heraufsetzen.

Zugleich schuf sie die Möglichkeit für die legale Aufnahme von etwa 80.000 Arbeitskräften. Mehr als dreimal so viele versuchten wenig später, sich am Tag der Registration anzumelden.

Wegen des Unglücks von Cutro stehen inzwischen mehrere Männer vor Gericht, die das Boot nach Kalabrien gesteuert haben sollen. Bei dem Unglück in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar kamen mindestens jene 93 Menschen ums Leben, deren Leichen in den folgenden Tagen und Wochen gefunden wurden.

Acht werden nach wie vor vermisst. Die 31 Überlebenden des Unglücks, für das ortskundige Helfer:innen die Tatenlosigkeit der Behörden verantwortlich machten, sind inzwischen nach Deutschland ausgeflogen worden.

„Regierung gehen die Ausreden aus“

Die Opposition im Parlament in Rom reagierte auf die Ausrufung des Ausnahmezustands mit Spott: „Jahrelang hat die Rechte den Anstieg der Migrantenzahlen mit der Politik des PD und der Innenministerin erklärt und die NGOs verantwortlich gemacht“, sagte Mauro Mauri, einst stellvertretender Innenminister und Mitglied im sozialdemokratischen PD. „Jetzt gehen ihr die Ausreden langsam aus.“ Weshalb sie nun den Notstand erkläre.

Vor einem Monat musste das von der Lega geführte Innenministerium in Rom in der Tat eingestehen, dass zwischen dem 1.. Januar und dem 13. März 2023 schon mehr als 20.000 Menschen irregulär nach Italien kamen – eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Inzwischen liegt die Zahl sogar höher als 31.000.

Migrationsforscher:innen sind sich weitgehend einig, dass sich die Zahlen ganz unabhängig von der jeweiligen Migrationspolitik in den Ankunftsländern entwickelt. Nicht Pullfaktoren – Aufnahmebereitschaft oder im Gegenteil Abschottungsmaßnahmen – lenkten Migration. Es sind die Pushfaktoren: Menschen fliehen in einer verzweifelten Lebenslage, in Kriegen oder weil sie verfolgt werden.

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