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Nathan Law bei einer Demonstration in London: Der Hongkonger lebt dort im Exil.

© Imago/Hesther Ng

Update

„Die Haftbefehle dienen der politischen Verfolgung“: 117.000 Euro pro Kopf – China macht Jagd auf Aktivisten im Ausland

China hat Haftbefehle gegen acht Aktivisten der pro-demokratischen Bewegung in Hongkong ausgestellt und hohe Belohnungen ausgelobt. Der Aktivist Nathan Law wehrt sich im Interview.

Die Polizei in Hongkong hatte am Montag acht in Übersee lebende Aktivisten wegen schwerer Verstöße gegen das – international umstrittene – Gesetz für Nationale Sicherheit angeklagt und Kopfgelder von jeweils einer Million Hongkong-Dollar (rund 117.000 Euro) für Hinweise ausgesetzt, die zur Festnahme der Demokratieaktivisten führen. Unter ihnen sind auch drei ehemalige Abgeordnete des Hongkonger Parlaments.

Vorgeworfen wird ihnen unter anderem die Absprache mit ausländischen Kräften und angebliche Anstiftung zur Sezession. Bei den Beschuldigten handelt es sich um die Aktivisten Nathan Law, Anna Kwok und Finn Lau, die ehemaligen Abgeordneten Dennis Kwok und Ted Hui, den Rechtsanwalt und Rechtsgelehrten Kevin Yam, den Gewerkschafter Mung Siu-tat und den Online-Kommentator Yuan Gong-yi, teilte die Polizei auf einer Pressekonferenz mit.

Sie leben inzwischen aus Sicherheitsgründen im Ausland, unter anderem in den USA, Großbritannien und Australien.

„Die Haftbefehle dienen der politischen Verfolgung“, sagte Nathan Law dem Tagesspiegel. „Niemand auf der ganzen Welt sollte sich in dieser Sache mit der Regierung Hongkongs gemein machen, weder Hongkonger im Ausland noch andere Regierungen noch Interpol.“

Niemand auf der ganzen Welt sollte sich in dieser Sache mit der Regierung Hongkongs gemein machen.

Nathan Law

Law, der 2021 im Vereinigten Königreich politisches Asyl erhielt, fordert Beweise für seine angebliche Kollusion mit anderen Staaten. „Ich arbeite für keine Regierung, ich erhalte von niemandem Anweisungen“, sagte der 29-Jährige. Bleibe das Regime die Belege schuldig, werde noch offensichtlicher sein, dass es nicht um Justiz, sondern um die Repression von Dissidenten gehe.

2016 war Law mit 23 Jahren als jüngster Abgeordneter aller Zeiten in Hongkongs Parlament gewählt worden, musste jedoch später ins Ausland fliehen, um der politischen Verfolgung unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz zu entgehen.

Aktivist erfuhr von Haftbefehl gegen ihn auf Twitter

„Westliche Regierungen müssen ihr Wunschdenken gegenüber China abstellen, laut dem die Kommunistische Partei ohne äußeren Druck ihre Menschenrechtspolitik verbessern werde“, sagte der frühere Politiker. „China-Politik darf sich nicht mehr um Appeasement drehen, um mehr Handel treiben zu können, sondern muss die Menschenrechte ins Zentrum rücken“.

Von dem Haftbefehl habe er am Montag via Twitter erfahren, sagte Law. Für seinen unmittelbaren Alltag und Aktivismus ändere sich zunächst nicht viel, da er ohnehin darauf achte, nicht in Länder zu reisen, die ein Auslieferungsabkommen mit China haben.

117.000
Euro Belohnung hat China auf Hinweise für den Aufenthaltsort der Hongkonger Aktivisten ausgesetzt.

Nach Hongkong habe er keinerlei Kontakt mehr, und da das Nationale Sicherheitsbüro bereits vor zwei Jahren bekannt gegeben habe, dass nach ihm gefahndet werde, könne er fürs Erste sowieso nicht mehr dorthin reisen. „Neu ist dagegen die Belohnung von einer Million Hongkong-Dollar. Sie könnte ein Anreiz für Menschen sein, mich zu gefährden, indem sie meinen Wohnort melden.“

Hongkongs Regierungschef verteidigt Kopfgeld auf Aktivisten

Hongkongs Regierungschef John Lee hat ein Kopfgeld seiner Polizei auf im Ausland lebende Demokratieaktivisten verteidigt. Die „Kriminellen“ würden „ihr Leben lang verfolgt, bis sie sich stellen“, sagte Lee laut der Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ am Dienstag vor der Presse. Die Aussetzung des Kopfgelds und damit verbundene Haftbefehle würden eine „starke Botschaft“ aussenden.

Alle Angeklagten spielten eine aktive Rolle in den pro-demokratischen Demonstrationen in der Millionenmetropole, die bis 1997 britische Kolonie war. Eigentlich herrschte nach der Rückgabe an das kommunistische Regime in Peking für mindestens 50 Jahre die Regelung „Ein Land, zwei Systeme“, was Hongkong bis vor wenigen Jahren ermöglichte, im Vergleich zum Rest der Volksrepublik Freiheits- und Menschenrechte aufrechtzuerhalten.

Zum 1. Juli 2020 erließ Peking jedoch das Gesetz für Nationale Sicherheit in Hongkong, das die freie und unabhängige Justiz entmachtete und Massendemonstrationen gegen die Kommunistische Partei, wie es sie 2014 und 2019 gab, praktisch unmöglich macht. (mit dpa, Reuters)

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