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Zerstörte Antoniwkabrücke über den überschwemmten Fluss Dnipro nach dem Bruch des Kachowka-Staudammes (Symbolbild).

© REUTERS/ Uncredited Stringer

Kiews Soldaten überqueren den Dnipro: Jetzt greifen die Ukrainer dort an, wo die Russen am verwundbarsten sind

Ukrainische Streitkräfte haben sich wohl auf der russisch besetzten Uferseite des Dnipro festgesetzt. Moskau versucht den Vormarsch mit allen Mitteln aufzuhalten und scheitert bisher.

Nun hat auch der ukrainische Generalstab indirekt bestätigt, dass die eigenen Truppen im Bereich der Antoniwkabrücke nordöstlich der Gebietshauptstadt Cherson operieren. Die Stadt Antoniwka am Nordende der teilweise zerstörten Brücke sei am Dienstag von russischer Artillerie beschossen worden, heißt es in einem Facebook-Beitrag. Wohl ein Hinweis darauf, dass die Russen dort operierende Truppen aufhalten wollen.

Bereits Ende vergangener Woche berichteten russische Militärblogger, dass die ukrainischen Streitkräfte an der Stelle der Brücke mit Schnellbooten über den Dnipro gesetzt und russische Einheiten zum Rückzug gedrängt hätten. Die Rede ist von 50 bis 100 ukrainischen Soldaten, die in den Vorstoß involviert waren. Sie sollen daraufhin eine Basis auf der bisher von Russland besetzten Flussseite errichtet haben.

Die US-Denkfabrik „Institute for the Study of War“ berief sich bereits in ihrem Lagebericht vom Montag auf geolokalisierte Fotos und Videos, das russische Streitkräfte zeigen soll, „die ukrainische Stellungen in der Nähe der Antoniwkabrücke beschießen, sowie russische Infanterie, die sich aus dem Brückenbereich zurückzieht“.

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„Eine Freude für mein Herz“, kommentierte die ehemalige Sprecherin des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Iuliia Mendel, die Berichte über den ukrainischen Vorstoß auf Twitter. Die Entwicklung könnte „den Weg für einen möglichen Vorstoß in Richtung Krim ebnen“.

Russische Verteidigung ist in Ufernähe verwundbar

Und tatsächlich wäre es für die russische Verteidigung in der Südukraine extrem gefährlich, wenn den ukrainischen Soldaten ein weiterer Vormarsch gelingt, sie sich auf der linken Uferseite dauerhaft festsetzen und Nachschubwege etablieren können. Denn durch die Überflutung nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms ist die erste russische Verteidigungslinie in der Gegend zerstört worden.

Generell sind die Verteidigungsanlagen auf der linken Uferseite und dem dahinterliegenden Gebiet sehr viel schlechter ausgebaut als weiter östlich. Hinzu kommt, dass nur wenige russische Einheiten im Ufergebiet stationiert sind – weil der Fluss bisher als natürliche Barriere gegen größere Angriffe der Ukrainer galt. Den Russen könnte es also schwerfallen, einem größeren ukrainischen Vorstoß standzuhalten.

Wo die ukrainischen Truppen den Dnipro überquert haben.

© Tsp

In ihrem neuesten Lagebericht stellen die Analysten des ISW fest, dass „unserer Einschätzung nach die ukrainischen Streitkräfte (...) Stellungen am östlichen (linken) Ufer errichtet haben und halten“. Ein russischer Militärblogger warnte davor, dass die Ukraine versuche, ihren Brückenkopf am südlichen Ende der Antoniwkabrücke auszuweiten. Das ISW hält diese Einschätzung aber für noch nicht überprüfbar.

Brückenköpfe sind militärische Stellungen auf feindlichem Territorium, die vom eigenen Territorium durch Gewässer getrennt sind. Mittels Booten oder Pontonbrücken können eigene Einheiten herangeschafft werden, die dann weiter vorrücken. Entsprechendes Material für die temporären Übergänge hat Kiew aus dem Westen erhalten.

Der Brückenlegepanzer Biber wird in der Bundeswehr zum Überwinden von kleineren Gewässern eingesetzt. Seine 22 Meter lange Brücke wird im freien Verlegen nach vorne ausgeschoben und kann Gewässer bis zu 20 Metern Breite überbrücken. Über die Brücke können Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von bis zu 55 Tonnen fahren. Deutschland hat der Ukraine mindestens 16 der Panzer zur Verfügung gestellt.

© IMAGO/Sven Eckelkamp

In den vergangenen Tagen berichten auch russische Militärblogger von intensiveren Artillerieangriffen gegen ukrainische Einheiten an beiden Ufern des Dnipro. Zudem habe die Aktivität ukrainischer Artillerie- und Mörserbatterien zugenommen, um den eigenen Stoßtrupps Deckung zu geben und deren Anzahl zu erhöhen.

Russische Artillerieangriffe würden durch Infanterietruppen unterstützt, die immer wieder Vorstöße gen Antoniwkabrücke unternehmen würden, berichtet das „ISW“ unter Berufung auf russische Telegramkanäle. Dabei komme es auch zu Verlusten auf russischer Seite, schreibt ein Blogger.

Russland versuche zwar seine Einheiten durch die Luftwaffe zu unterstützen, Angriffe aus der Luft seien aber teilweise ungenau und die Ukraine sei mit zahlreichen Luftabwehrsystemen im Einsatz. Auch der Einsatz von Drohnen werde durch die elektronische Kriegsführung der Ukrainer vereitelt. Bisher scheitert Moskau also mit seinem Versuch die ukrainischen Soldaten zurückzudrängen.

Aber auch wenn die Ukrainer gar keinen größeren Vorstoß in der Gegend planen: Russland wird wohl gezwungen sein, dringend benötigte Einheiten zu verlegen, die dann an anderen Stellen der Front zur Verteidigung fehlen.

Sprengung des Kachowka-Staudammes kontraproduktiv?

Aber nicht nur im Bereich der Antoniwkabrücke könnten ukrainische Streitkräfte dabei sein, einen Brückenkopf zu etablieren. „Die Sprengung des Kachowka-Staudammes hat ihnen eine gewisse Bewegungsfreiheit verschafft“, schreibt ein weiterer russischer Militärblogger. Da der Stausee nun weitgehend trocken liegt, wird offenbar befürchtet, dass Kiew Truppen in der Region Saporischschja leichter manövrieren kann.

Dank der Amphibienfahrzeuge vom Typ BV206S aus schwedischer Produktion, könnten die ukrainischen Streitkräfte in der Lage sein, den ausgetrockneten Kachowka-Stausee in der Region Saporischschja zu überwinden, twittert der italienische Militärexperte Thomas C. Theiner.

Bilder des Stausees – oder was davon übrig ist – würden viele tiefe Risse zeigen, was auf einen trockenen Boden hindeute, erklärt Theiner. Und die schwedischen Spezialfahrzeuge seien dafür bestens geeignet. Sie hätten „einen geringeren Bodendruck als ein erwachsener Mann“.

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