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Eine Frau legt im Memorial Garden mit ihren zwei Kindern Blumen nieder während eines Gottesdienstes zum 25. Jahrestag eines Attentats. Die Explosion einer Autobombe in der nordirischen Stadt Omagh am 15. August 1998 jährt sich zum 25. Mal.

© dpa/Brian Lawless

Nach Datenpanne bei der Polizei in Nordirland: Die Angst geht um

Auf Plakaten geben Unbekannte Namen und Dienststellen von Polizisten weiter. Damit erhöht sich die Anschlagsgefahr für die Beamten. Viele wollen gegen ihren Arbeitgeber klagen.

In Nordirland geht wieder die Angst um. Übers Wochenende tauchten an öffentlichen Stellen der Hauptstadt Belfast Plakate auf, auf denen die Namen, Funktionen und Dienststellen von Polizeibeamten zu lesen waren. Diese Angaben zu 10.000 Polizisten waren durch Fehler der nordirischen Polizeibehörde (PSNI) im Internet einsehbar gewesen.

Die Einschüchterungsaktion unterstreiche die „sehr ernste Bedrohung“ für die Bediensteten der Polizeibehörde durch weiterhin aktive Paramilitärs, erläuterte Gerry Kelly von der republikanisch-katholischen Sinn-Féin-Partei.

Nach der katastrophalen Datenpanne hatte bereits der protestantisch-unionistische Politiker Ian Paisley (DUP) wegen der „Sicherheitsgefährdung von nationaler Bedeutung“ eine Sondersitzung des britischen Unterhauses gefordert.

Eigene Behörde stellt Namen ins Netz

Die Mitteilung von Polizeipräsident Simon Byrne hatte vergangene Woche vielen Nordiren die Sprache verschlagen: Die Behörde war nicht etwa Opfer eines Cyberangriffs ausländischer Mächte.

Vielmehr hatte die eigene PSNI-Datenabteilung eine Liste sämtlicher Bediensteten mit Einsatzort und Dienststelle kurzzeitig ins Internet gestellt. Dazu gehörten auch jene drei Dutzend Polizisten, die eng mit dem Inlands-Geheimdienst MI5 zusammenarbeiten, sowie eine kleine Gruppe von Menschen, deren Einsatzstelle schlicht als „geheim“ gekennzeichnet war.

Dass nun bei den mehr als 10.000 Betroffenen sowie deren Freunden und Angehörigen die Angst umgeht, hat mit der Sonderrolle der Sicherheitsbehörden in Nordirland zu tun. Der PSNI ging erst 2001 aus der früheren Royal Ulster Constabulary (RUC) hervor. Die Polizeitruppe war während des 30-jährigen Bürgerkriegs zur Zielscheibe terroristischer Anschläge durch die katholische IRA sowie radikale Protestanten, sogenannte Loyalisten, geworden. Mehr als 300 Beamte verloren im Dienst ihr Leben.

25 Jahre nach Bombenanschlag von Omagh

Die bohrenden Fragen nach der Kompetenz der reformierten Polizei kommen ausgerechnet im Umfeld eines traurigen Jahrestages: Am Dienstag jährte sich zum 25. Mal der Bombenanschlag im Marktstädtchen Omagh (Grafschaft Tyrone).

Vier Monate nach Unterzeichnung des Karfreitag-Friedensabkommens ermordeten dort am 15. August 1998 abtrünnige Republikaner von der Splittergruppe Real IRA 29 Menschen, darunter eine mit Zwillingen schwangere Frau, zwölf Kinder und Jugendliche, mit einer gewaltigen Autobombe.

Für uns fühlt es sich an, als sei es gestern gewesen.

Stanley McCombe, der bei dem Anschlag 1998 seine Frau verlor

Der Ort leidet bis heute an den Folgen. „Unsere Stadt wurde auseinandergerissen“, sagte Michael Gallagher am Sonntag bei einer Feier im Gedenkgarten von Omagh. Der Vorsitzende der örtlichen Betroffenen-Initiative verlor an jenem Samstag seinen 21-jährigen Sohn Aidan. Seither kämpfen Gallagher und dessen Mitstreiter vor Gericht um die umfassende Aufklärung des Verbrechens, für das bis heute niemand dauerhaft strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wurde.

„Für uns fühlt es sich an, als sei es gestern gewesen“, berichtete der um seine Frau Ann trauernde Stanley McCombe der BBC. Am Dienstag wollten die Verwandten der Opfer Blumen niederlegen vor dem gläsernen Obelisken an der Market Street, wo vor 25 Jahren die Bombe einen roten Vauxhall Cavalier zerriss.

Nun muss sich der PSNI noch stärker um die Sicherheit der eigenen Bediensteten sorgen. Sie sind ohnehin einer erheblichen Gefährdung durch Paramilitärs ausgesetzt. So wurde im Frühjahr 2021 unter dem Auto einer jungen Polizistin, die ihre damals dreijährige Tochter in den Kindergarten bringen wollte, eine Bombe entdeckt.

In diesem Jahr schossen Bewaffnete am Rande eines Fußballtrainings einen hohen PSNI-Kriminalbeamten vor den Augen von dessen Sohn sowie anderer Kinder nieder. Der lebensgefährlich Verletzte überlebte nur knapp.

Nach der Datenpanne rollt auf die Behörde eine Klagewelle zu. Der örtlichen Polizeigewerkschaft haben Hunderte von PSNI-Angehörigen signalisiert, sie wollten gegen ihren Arbeitgeber vorgehen. Zudem dürfte die Datenschutzbehörde eine Millionenstrafe verhängen.

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