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In der Ukraine wurden offenbar zwei Leopard-Panzer vom Typ 2A6 zerstört (Symbolbild).

© dpa/Philipp Schulze

Update

Russischer Hinterhalt: Ukraine verliert westliche Panzer vom Typ Leopard und Bradley

Die Ukraine hat in den vergangenen Tagen mehrere Leopard-Panzer verloren. Russland vermeldet hohe Verluste auf der Gegenseite. Nun meldet sich ein ukrainischer Kommandant zu Wort.

| Update:

Nach einem russischen Angriff auf eine Panzerkolonne der 47. Brigade nahe dem Dorf Mala Tokmatschka in der südostukrainischen Region Saporischschja sollen ukrainische Soldaten mehrere westliche Militärfahrzeuge zurückgelassen haben. Darunter auch einen Leopard-Panzer vom Typ 2A6, berichtete der Twitter-Account Oryx am Freitag.

Neben dem Panzer aus deutscher Produktion zeigen die Bilder auch vier verlassene US-amerikanische Bradley-M2-Schützenpanzer – von denen drei wohl bei dem Angriff beschädigt wurden. Mit Stand Dienstagmittag zählt Oryx 16 verlorene US-Schützenpanzer des gleichen Typs. Heißt: Fast 15 Prozent der von Washington geschickten 109 Bradley wurden zerstört, beschädigt oder zurückgelassen.

Die Behauptung des russischen Verteidigungsministeriums vom Dienstag, wonach russische Truppen mehrere Leopard-Panzer und US-amerikanische Bradleys erbeutet haben sollen, können zurzeit nicht unabhängig bestätigt werden. Moskau hatte Videomaterial veröffentlicht. Die genaue Anzahl der angeblich erbeuteten Fahrzeuge ist unklar.

Ein Video des russischen Verteidigungsministeriums soll einen Leopard-Panzer aus deutscher Produktion zeigen, der von den russischen Streitkräften erbeutet wurde.

© Reuters/Russian Defence Ministry/Uncredited

Bei dem Standort im Video handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um den Ort des russischen Angriffs auf die Panzerkolonne. Der Twitter-Nutzer Thomas Ney schreibt, er habe das russische Video mit den Aufnahmen aus der Region Saporischschja verglichen, die den verlassenen Leopard-2A6 und die Bradley-M2-Panzer zeigen. Es gebe mehrere Gemeinsamkeiten.

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Auch der Twitteraccount GeoConfirmed will den Standort verifiziert haben. Erbeutet würde in diesem Kontext jedoch bedeuten, dass Russland die Fahrzeuge als Trophäe ansieht. „Und nicht, dass sie sie abtransportiert haben, um sie selbst zu fahren.“

Bereits Anfang Juni hatte das russische Verteidigungsministerium berichtet, dass eigene Truppen einen Leopard-Panzer zerstört hätten. Ein angebliches Beweisvideo stellte sich schnell als falsch heraus, statt eines Panzers war das Ziel ein Landwirtschaftsgerät.

Eine weitere Frage, die offen bleibt: Wie konnte es zu diesem Vorfall kommen, in dem so viel westliches Equipment zu Schaden kam?

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Ukrainer gerieten in russischen Hinterhalt

Der ehemalige italienische Soldat und Militärexperte Thomas C. Theiner vermutet hinter dem Angriff in der ukrainischen Region Saporischschja einen „Hinterhalt russischer Kampfhubschrauber und russischer Panzerabwehr“. Die Panzerabwehr habe sich in Baumreihen versteckt, schreibt Theiner auf Twitter. Zudem sei die Kolonne von „drohnengestütztem Artilleriefeuer getroffen“ worden.

Die ukrainischen Truppen hätten gar „keine Chance auf Erfolg“ gehabt, analysiert Theiner nach der Sichtung von Videos, die die betroffene 47. Brigade veröffentlicht hatte.

15
Prozent aller von Washington geschickten 109 Bradley-Panzer wurden bereits zerstört, beschädigt oder zurückgelassen.

Die Panzerkolonne sei ohne Luftabwehr und Artillerieunterstützung unterwegs gewesen. „Die Offiziere, die diesen Angriff geplant und angeordnet haben, müssen entlassen werden“, fordert er.

Auf ukrainischen Videos sei zu sehen, wie die Soldaten versuchten, ihre Fahrzeuge und Kameraden zu retten, twittert Theiner. „Wahrscheinlich überlebten fast alle dank der überlegenen Panzerung der westlichen Fahrzeuge.“

Minenfelder in der Ukraine schränken Mobilität ein

Dass die russische Luftwaffe überhaupt in der Lage war, die Panzerkolonne anzugreifen, führt der Militärexperte Gustav Gressel auf die überschaubaren Verluste ebendieser zurück.

Diese habe im Ukrainekrieg nicht so sehr gelitten wie die russische Infanterie, schreibt Gressel ebenfalls bei Twitter. Davon würde die russische Armee nun profitieren. Zudem würden ausgedehnte Minenfelder in der Ukraine die Mobilität von Bodenfahrzeugen einschränken. „Daher sind sie leichter abzufangen.“

Auch Gressel vermutet hinter dem Angriff auf die Panzerkolonne einen „Hinterhalt von (russischen) Kampfhubschraubern“. Demnach sei die Kolonne wohl auf dem Weg zur Front unter feindliches Feuer geraten.

Unter den zurückgelassenen Fahrzeugen befindet sich wohl auch ein Minenräumfahrzeug vom Typ BMR-2, heißt es auf der Internetseite von Oryx. Wäre der mutmaßliche russische Hinterhalt nicht gewesen, hätte sich die Panzerkolonne womöglich ihren Weg durch die Minenfelder bahnen können.

Ukrainischer Kommandeur kontert Kritik

Kritik an der Kommandoriege der 47. Brigade weist Stabsfeldwebel Valerii Markus entschieden zurück. „Das Kommando der Brigade 47 ist direkt neben ihren Leuten“, sagt er in einem Video, das in den sozialen Medien kursiert. „Ich, als Vertreter des Brigadekommandos, gehe jeden Tag mit den Leuten in die Angriffe. Jeden verdammten Tag. (...) Ich bin neben ihnen.“

Wir sind in der Offensive, sie sind in der Defensive.

Stabsfeldwebel Valerii Markus, von der 47. Brigade

Markus dementiert auch die von Russland vermeldeten hohen Verluste bei einem ukrainischen Angriff in Saporischschja am Donnerstag vergangener Woche. Das Verteidigungsministerium in Moskau sprach von „bis zu 350 Mann“, die die ukrainischen Einheiten verloren hätten. Stattdessen hätte man fünf Tote zu beklagen gehabt. „Dies ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie sehr sie lügen.“

Die Verluste auf russischer Seite seien unterdessen teilweise so hoch, dass er sie „ehrlich gesagt nicht einmal mitgezählt“ habe, sagt der Stabsfeldwebel in dem Video. „Wir sind in der Offensive, sie sind in der Defensive. Und sie tragen Verluste, die um ein Vielfaches höher sind als unsere.“

Wurde der Leopard als Köder eingesetzt?

Der Ex-Militär rechnet vielmehr damit, dass „die Tatsache, dass ein Leopard zu einem so frühen Zeitpunkt auf dem Schlachtfeld zu sehen ist, (...) wahrscheinlich dazu gedacht ist, viel Aufmerksamkeit auf dieses Gebiet zu lenken“, schreibt er in einer Analyse der ukrainischen Gegenoffensive für die US-Denkfabrik „Center for European Policy Analysis“ (CEPA).

Der Leopard könnte als „Köder“ gedient haben, um „die Russen zu verwirren, wo der Hauptangriff letztendlich stattfinden wird“. Ob das der Plan der ukrainischen Befehlshaber gewesen sei, könne er aber nicht wissen. „Ich hätte es so gemacht.“

Weitere Leopard-Panzer in der Ukraine außer Gefecht gesetzt

Laut der Oryx-Recherchen ist der Verlust des Leopard-Panzers aus der Kolonne nicht der einzige: Sie führen in ihrer Liste einen weiteren Panzer vom Typ 2A6 als verlassen auf. Jeweils ein 2A6 und ein 2A4 sollen zudem zerstört worden sein – also insgesamt vier Stück.

Doch zumindest der Verlust eines Leopard-Panzers dürfte nicht von langer Dauer sein: Ein Kampfpanzer sei bereits von einem ebenfalls aus deutscher Produktion stammenden Bergepanzer geborgen worden, berichtet das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf einen ukrainischen Panzermechaniker - unklar ist, ob es sich bei dem geborgenen Panzer um einen Leopard vom Typ 2A4 oder 2A6 handelt. Die Berichte sind nicht eindeutig.

Das zeige die große Bedeutung nicht nur der Lieferung von Waffen und Kampffahrzeugen, sondern auch den hohen Wert von Hilfsfahrzeugen wie Bergepanzern, Tankfahrzeugen und Bulldozer-Panzern für die ukrainische Gegenoffensive, analysiert das Blatt. „Das ist beeindruckend“, schreibt auch Hodges weiter in seiner Analyse. Nun könne der Leopard repariert und wieder im Kampf eingesetzt werden.

Ukraine fordert mehr Panzer

Deutschland hat der Ukraine nach Angaben der Bundesregierung bereits 18 Leopard-Panzer vom Typ 2A6 geliefert. Drei weitere kamen laut Oryx aus Portugal. Der Panzertyp 2A4 wurde demnach aus vier Ländern geliefert: 14 aus Polen, jeweils acht aus Kanada und Norwegen und sechs aus Spanien.

Weitere Länder haben Panzer zugesagt, die noch nicht in der Ukraine angekommen sind – und Kiew wünscht sich noch mehr. „Jeder Leopard 2 ist für die entscheidende Offensive (der Ukraine) buchstäblich Gold wert“, sagte Kiews Vize-Außenminister Andrij Melnyk dem Tagesspiegel.

Laut dem ehemaligen ukrainischen Botschafter in Berlin werden „viel mehr westliche Kampfpanzer, Schützenpanzer und weitere gepanzerte Fahrzeuge“ dringend benötigt.

Anmerkung: Zunächst hatte es im Artikel geheißen, dass die ukrainische Armee einen Leopard-Panzer vom Typ 2A6, der in der Region Saporischschja zurückgelassen wurde, geborgen habe. Es gibt jedoch widersprüchliche Berichte, wonach es sich bei dem Panzer auch um einen Leopard vom Typ 2A4 handeln könnte. Wir haben das im Text angepasst.

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