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Donald Trump bei einer seiner letzten Reisen als US-Präsident: Besichtigung der Grenze in Texas im Januar 2021.

© dpa/AP Photo/Alex Brandon

Verbrecherfoto, Handschellen, Gefängnis?: Was Donald Trump nach der Anklage droht

Erstmals kommt ein Ex-Präsident der USA vor ein Strafgericht. Die neun wichtigsten Fragen und Antworten, wie es nun für ihn weitergeht.

Erstmals in der Geschichte der USA muss sich ein Ex-Präsident nach seiner Amtszeit einem Strafprozess stellen. Welche Folgen hat das für Donald Trump und seine erneute Präsidentschaftskandidatur 2024? Und was passiert jetzt im Einzelnen? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

1 Was sind die Anklagepunkte?

Die sind nicht öffentlich bekannt, sondern in einem versiegelten Umschlag hinterlegt. Wenn die Justiz nichts anderes festlegt, wird er zur Verlesung der Anklage geöffnet. Zu der soll Trump am kommenden Dienstag, 4. April, 14.15 Uhr Ortszeit (20.15 Uhr MESZ), in New York erscheinen.

Der Sender CNN will erfahren haben, dass es sich um mehr als 30 Anklagepunkte handelt, die sich auf betrügerisches Vorgehen in Finanzfragen beziehen. Deshalb ist unklar, ob es bei der Anklage nur um die Zahlung und Verbuchung von Schweigegeld für die Porno-Darstellerin Stormy Daniels geht, oder ob diese Vorwürfe mit anderen gegen das Finanzgebahren der Trump-Holding kombiniert werden.

Stormy Daniels behauptet, sie habe 2006 eine Affäre mit Trump gehabt, kurz nachdem seine Frau Melania den gemeinsamen Sohn Barron geboren hatte. Trump bestreitet dies. Die 130.000 Dollar Schweigegeld sollten verhindern, dass die Frage im Wahlkampf 2016 publik wird. Der springende Punkt: Trump soll die Summe aus Wahlkampfmitteln bezahlt haben. Das wäre eine gesetzeswidrige Zweckentfremdung.

2 Wird er festgenommen?

Das hängt von Trump ab. Eine Festnahme droht nur, wenn er nicht aus freien Stücken zum vereinbarten Termin der Anklageverlesung erscheint. Er selbst hatte am Samstag vor zwei Wochen behauptet, die Justiz plane, ihn festzunehmen. Und zwar am Dienstag, 21. März.

Offenbar tat er das, um zu testen, wie viele Anhänger er damit mobilisieren könne. Seine Anwälte hatten bereits damals erklärt, im Fall einer Anklage werde Trump kooperieren und sich der Justiz stellen.

3 Planen seine Anhänger einen Aufstand auf der Straße?

Das ist offen. Trump ruft nicht ausdrücklich dazu auf, durch aufstandsähnliche Proteste den Prozess gegen ihn zu verhindern. Aber er stachelt indirekt zum Widerstand auf – ähnlich wie er das vor dem Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 getan hatte. Er behauptet, er sei das Opfer parteipolitischer Justiz, und bringt seine Anhänger damit in Rage.

Die Stadt New York hat sich vorbereitet: Die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Gerichtsgebäude in Manhattan wurden verschärft und die gesamte New Yorker Polizei – 36.000 Männer und Frauen – in Alarmbereitschaft versetzt. 

4 Werden ihm Handschellen angelegt?

Es gibt eine übliche Praxis bei einer Anklage normaler Bürger. Sie werden fotografiert: der sogenannte „mug shot“, der die Person visuell als mutmaßlichen Rechtsbrecher kennzeichnet. Fingerabdrücke werden genommen. Und, wenn es sich um handgreifliche oder besonders schwere Vergehen handelt, werden der Person Handschellen angelegt.

Das Vorgehen bei einem angeklagten Ex-Präsidenten ist Neuland. Justizexperten erwarten, dass Trump den „mug shot“ und die Fingerabdrücke akzeptieren muss, ihm die Handschellen jedoch erspart bleiben.

5 Kommt der Ex-Präsident in Untersuchungshaft? 

Das ist in diesem Prozess unwahrscheinlich. Denn die Anklage betrifft minder schwere Vergehen. Trump wird das Justizgebäude nach der mehrstündigen Prozedur – „mug shot“, Fingerdrücke, Anklageverlesung – voraussichtlich als freier Mann verlassen und müsste dann wieder zum Prozess erscheinen.

6 Muss er mit einer Gefängnisstrafe rechnen?

Das ist nicht ganz sicher, so lange nicht klar ist, wie genau die Anklage lautet. Theoretisch könnte auch eine Haftstrafe von bis zu vier Jahren verhängt werden. Wahrscheinlicher ist eine Strafzahlung.

Es wird aber auch wegen anderer Rechtsbrüche gegen ihn ermittelt, die schwerer wiegen: Bilanzfälschung, Anstiftung zur Wahlfälschung, Aufruf zum Umsturz. Je nachdem, was davon bewiesen werden kann, könnte es auf eine Freiheitsstrafe herauslaufen.

7 Kann er weiter als Präsident kandidieren?

Ja. Die US-Verfassung steht dem nicht entgegen. Selbst ein Bürger, der eine Freiheitsstrafe absitzt, kann für das Präsidentenamt kandieren und Wahlkampf führen. Bis zu einer potenziellen Verurteilung könnten viele Monate oder gar Jahre vergehen. Würde Trump gewählt, könnte er sich selbst begnadigen.

Generell besitzen Präsidenten während ihrer Amtszeit Immunität. Das US-Repräsentantenhaus kann gegen einen Präsidenten ein Amtsenthebungsverfahren einleiten, wie das bei Trump zweimal der Fall war. Beide Impeachments blieben aber folgenlos, da der Senat ihn freisprach.

8 Schadet die Anklage seinem Ansehen?

Das kommt darauf an, wen man fragt. Trumps Anhänger sind fest davon überzeugt, dass ihm Unrecht geschieht. Sie werden durch eine aus ihrer Sicht parteipolitisch missbrauchte Strafjustiz mobilisiert, ihn erst recht zu unterstützen.

Er selbst nutzt die Aufregung bereits zum Spendensammeln. Am Donnerstagabend erklärte er: Dies sei eine politisch motivierte Hexenjagd und „Wahlmanipulation auf höchster politischer Ebene“. Der zuständige Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg sei eine „Schande“ und erledige für Joe Biden die „Drecksarbeit“.

Trump bloß nicht unterschätzen!

Bill Kristol, bekannter republikanischer Kommentator und Trump-Gegner

Auch für entschlossene Trump-Gegner ändern die Verfahren wenig an ihrer Haltung. Sie betonten, keiner stehe über dem Gesetz, auch ein ehemaliger Präsident nicht.

Offen ist, wie die sogenannten „Independents“ reagieren: Wählerinnen und Wähler, die sich nicht fest zu einem Lager zählen, sondern von Wahl zu Wahl entscheiden, welche Kandidaten sie als überzeugender empfinden. Oder als das kleinere Übel.

Im Wettbewerb um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner führt Trump laut Umfragen klar. In Meinungserhebungen für die Hauptwahl Ende 2024 liegen Präsident Joe Biden und Trump Kopf an Kopf.

9 Wie beurteilen amerikanische Experten diese Premiere?

Der den Demokraten zuneigende ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, meint, dass „Donald Trumps Stern sinkt“. Generell seien Amerikaner durchaus für politische Konfrontation, Kampfgeist und revolutionären Antrieb zu haben. Aber „selbst für seine zornigen Wähler sind die Dramen der vergangenen Wochen zu viel: Ukrainekrieg, russisches Säbelrasseln, hohe Inflation, Bankenkrise, Schulmassaker“.

Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida und Trumps potenzieller Hauptkonkurrent unter den Republikanern, bemühe sich, „mit seiner ruhigen Art und Pragmatismus zu punkten“, analysiert Kornblum. Trumps Rallys haben nicht mehr die Anziehungskraft wie früher. Es wäre „das schlimmste Schicksal für Donald Trump, wenn es den Leuten egal wird, was er tut oder lässt“.

Bill Kristol, ein bekannter republikanischer Kommentator und Trump-Gegner, warnt vor schnellen Urteilen. Die Anklage sei nicht der entscheidende Punkt. Man müsse „abwarten, wie der Prozess sich entwickelt, ob er mit einer Verurteilung endet und was in den anderen, schwerer wiegenden Verfahren passiert“.

Kristols Rat: „Trump bloß nicht unterschätzen!“ Er habe ja auch die Folgen des Kapitol-Sturms am 6. Januar 2021 überlebt, ein Tag, „der ihn in den Augen der Wähler für immer hätte disqualifizieren müssen“. Die Anklageerhebung werde zunächst einmal dazu führen, dass sich die rechten Republikaner um ihn scharen. Die Justiz „wird seine politische Karriere nicht beenden. Er muss bei der Kandidatenaufstellung oder in der Präsidentenwahl besiegt werden“.

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