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Anhänger des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Efrain Alegre während seiner Wahlkampfveranstaltung in Asunción.

© REUTERS/Cesar Olmedo

Zum zweiten Mal in 70 Jahren: Die Opposition in Paraguay sieht bei der Wahl eine Chance

Das südamerikanische Binnenland Paraguay geht am Sonntag an die Wahlurnen. Die Opposition ist voller Hoffnung, China und die USA pokern in einem Kopf-an-Kopf-Rennen geopolitisch mit.

Am Sonntag gehen Paraguayer an die Wahlurnen – und eine Frage beschäftigt dabei viele: Schafft es die Opposition zum zweiten Mal in 70 Jahren, die seit der Diktatur dominante Colorado-Partei zu besiegen?

Das erste Mal gelang das einem Linksbündnis 2008 mit dem ehemaligen Bischof Fernando Lugo an der Spitze. Sein Aufstieg hatte auch damit zu tun, dass die Bevölkerung ihm als Außenseiter eher zutraute, die im Land berüchtigte Korruption effektiv zu bekämpfen.

Diesmal sind die Kandidaten Altbekannte, und ein ähnlicher Enthusiasmus wie damals ist in dem südamerikanischen Binnenland nicht zu spüren, das international zunehmend als Transportkorridor zwischen Atlantik und Pazifik wichtig wird.

Geopolitische Interessen um das kleine Land

94 Millionen Tonnen Soja, Mineralien, Rinder, Öl, Düngemittel und andere Agrarprodukte werden jährlich über den Paraná-Fluss gefahren; derzeit ist eine 2200 Kilometer lange Fernstraße durch die Chaco-Region im Bau, die den Südwesten Brasiliens mit den Pazifikhäfen Chiles verbinden würde. Besonderes Interesse an einer solchen Verbindung hat China, das so die Rohstoffe Lateinamerikas leichter abtransportieren kann. Derzeit unterhält Paraguay als einziges südamerikanisches Land noch Beziehungen zu Taiwan. Das könnte sich jedoch je nach Ausgang der Wahl ändern. Deshalb blicken auch die USA gespannt auf die Wahlen. Die US-Regierung versucht aktiv, den Einfluss Chinas zurückzudrängen.

70
Prozent der Paraguayer sind laut Umfragen unzufrieden und finden, dass ihr Land einen Wechsel brauche.

Die – allerdings nicht sehr verlässlichen – Umfragen sagen derzeit einen knappen Sieg der Colorados mit dem ehemaligen Finanzminister Santiago Peña voraus.

Die wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen der Nachpandemie-Zeit haben in den vergangenen Wahlen in Lateinamerika jedoch oft die Opposition zum Sieg geführt.

Die Kandidaten

Mitte 2022 sagten 70 Prozent der Paraguayer in einer Umfrage, sie seien unzufrieden und dass ihr Land einen Wechsel brauche. Darauf hofft der oppositionelle Liberale Efraín Alegre.

Efrain Alegre ist Präsidentschaftskandidat der oppositionellen Koalition für ein neues Paraguay.

© AFP/NORBERTO DUARTE

Der 60-Jährige hat sich der Korruptionsbekämpfung verschrieben und ein Bündnis namens Concertacion Nacional mit 18 anderen oppositionellen Gruppen geschlossen. 

Der mit 44 Jahren deutlich jüngere Peña spielt derweil seine wirtschaftliche Kompetenz aus. Korruption und Wirtschaft sind Umfragen zufolge die beiden Themen, die die Wähler besonders umtreiben, gefolgt von der Sicherheit. Paraguay ist ein wichtiger und zuletzt stark umkämpfter Drogenkorridor.

Santiago Peña ist Präsidentschaftskandidat der Colorado-Partei und ehemaliger Finanzminister Paraguays.

© AFP/LUIS ROBAYO

Bei näherer Betrachtung symbolisieren beide ein „Weiter-so“ der Vetternwirtschaft. Alegre ist Anwalt und war Infrastrukturminister. Er verspricht kostenlosen Zugang zu Medikamenten, eine Ausweitung des Internets, eine moderne Polizei und eine aktive Frauenpolitik. Dafür steht vor allem seine Vizekandidatin, die Bauingenieurin Soledad Núñez.

Die 40-Jährige gehört zwar zur jüngeren Generation und wäre die erste Vizepräsidentin der Geschichte. Aber neu in der Politik ist sie nicht, denn von 2014 bis 2018 war sie bereits Bauministerin unter dem Colorado-Präsidenten Horacio Cartes. Ihr Mann wiederum kandidiert für die eher sozialdemokratische Partei Alianza Encuentro Nacional für einen Sitz im Senat.

5
Millionen Wahlberechtigte gibt es - für alle gilt die Wahlpflicht.

Der Ökonom Peña verspricht eine halbe Million neue Arbeitsplätze, ein hartes Vorgehen gegen den Drogenkonsum, weiterhin niedrige Steuern und den Bau von Sozialwohnungen. Er entstammt eigentlich der Liberalen Partei, lief aber 2016 über zu den Colorados. Man munkelt, der damalige Präsident Horacio Cartes habe ihn zum Parteiwechsel gezwungen.

Cartes, der Parteivorsitzende der Colorados, gilt als graue Eminenz der paraguayischen Politik und der zwielichtigen Geschäfte. Er ist einer der reichsten Männer des Landes; sein weitverzweigtes Imperium begann einst mit Zigarettenschmuggel, heute gehören Fleischfabriken und Abfüllanlagen dazu.

Interne Uneinigkeiten in der Colorado-Partei

Inzwischen steht er auf der schwarzen Magnitsky-Sanktionsliste der USA, die ihn der Korruption und Geldwäsche bezichtigen. Das veranlasste Cartes unlängst, international exponierte Teile seines Firmenimperiums abzustoßen.

Auch bei der internen Kandidatenkür der Colorados musste er eine Niederlage einstecken. Eigentlich wollte er seinen Vertrauten, den aktuellen Vizepräsidenten Hugo Velázquez auf diesen Posten hieven.

Doch nachdem die USA ihn prompt auf die Liste der korrupten ausländischen Staatsdiener setzten und ein paar vertrauliche Details über Verbindungen von Cartes und Velázquez zur islamischen Terrorbewegung Hisbollah und mexikanischen Drogenkartellen der Presse zuspielten, verzichtete Velázquez auf eine Kandidatur.

Die Colorados sind seither intern zerstritten. Peña arbeitete früher beim Weltwährungsfonds (IWF) und unterhält passable Beziehungen zu den USA. Er hat durchblicken lassen, dass er nichts ändern möchte an den diplomatischen Beziehungen zu Taiwan – anders als Herausforderer Alegre, der sich diese Entscheidung offenhalten möchte.

Der Wahlkampf verlief schleppend. Das Budget für Werbung wurde begrenzt, die traditionelle Debatte zwischen den beiden führenden Kandidaten wurde abgesagt, weil Peña auch all die anderen Bewerber – insgesamt sind es 13 – einladen wollte. Ein durchsichtiges Manöver, um die zu erwartende harsche Kritik seines Herausforderers abzuschwächen.

In Paraguay gibt es keine Stichwahl; der Sieger wird im August seine fünfjährige Amtszeit antreten. Für die fünf Millionen Wahlberechtigten herrscht Wahlpflicht.

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