zum Hauptinhalt
Hartwig Fischer ist seit 2016 Leiter des British Museum. Im Juli dieses Jahres hatte er seinen Rücktritt angekündigt.

© dpa/Benedict Johnson

„Da unten herrscht Chaos“: Die Leitung des British Museum sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt

Offenbar konnten im British Museum Jahre lang wertvolle historische Gegenstände unbemerkt verschwinden.

Der Skandal um die verschwundenen und auf Ebay verkauften Sammlungsstücke des British Museum weitet sich aus. Vergangene Woche hatte die ehrwürdige Institution suggeriert, der Klau sei erst in diesem Jahr aufgefallen. Jetzt zeigen der BBC vorliegende Emails: Bereits vor zweieinhalb Jahren, seit Februar 2021, lagen der Museumsspitze um den deutschen Direktor Hartwig Fischer detaillierte Hinweise vor, die einen Chef-Kurator schwer belasteten. Doch erst, als sich der Hinweisgeber an den Aufsichtsrat wandte, kam Bewegung in die Untersuchung. Die Reputation des weltweit bekannten „Museums für die ganze Welt“, wie sich das Haus gern selbst lobt, stehe auf dem Spiel, glaubt der frühere Labour-Kulturminister Ben Bradshaw.

Entlassung eines Mitarbeiters

In der sorgfältig kuratierten Mitteilung des British Museums war von bis zu 3500 Jahre alten historischen Objekten die Rede. Die meisten der „gestohlenen, beschädigten oder fehlenden“ Gegenstände, darunter Goldschmuck und Halbedelsteine, seien der Öffentlichkeit nicht zugänglich gewesen, sondern in den Lagerräumen aufbewahrt worden. „Ein Mitarbeiter wurde entlassen, das Museum wird ihn verklagen.“ Die Angelegenheit werde nun von der zuständigen Dienststelle bei Scotland Yard untersucht. Natürlich handele es sich um „einen höchst ungewöhnlichen Zwischenfall“, ließ sich Direktor Fischer zitieren.

Mehr als ein Zwischenfall

Doch es scheint weit mehr als ein „Zwischenfall“ zu sein. Britische Presseberichte schreiben von mehr als 1500 Objekten – das Haus verfügt über rund acht Millionen Gegenstände. Rund drei Millionen sind bis heute nicht digital katalogisiert. Der Reputationsschaden ist erheblich. Mag sich das Haus auch kürzlich von seinem Gründervater Sir Hans Sloane (1660–1753) und dessen „ausbeuterischem Kontext des britischen Empire“ distanziert haben – in den Diskussionen über die Rückgabe geraubter Kunstwerke an ihre Heimatländer pflegte das Museum stets vornehme Zurückhaltung. Gern verwendeten die Kunstmanager auch den Hinweis, bei ihnen seien die aus aller Welt zusammengekommenen Gegenstände sicher verwahrt.

Das British Museum in London, das jährlich Millionen Menschen besuchen, verwahrt bedeutende Kulturschätze der Menschheit.
Das British Museum in London, das jährlich Millionen Menschen besuchen, verwahrt bedeutende Kulturschätze der Menschheit.

© dpa/Vuk Valcic

Prompt machen sich jetzt prominente Griechen wie Ex-Kulturministerin Lina Mendoni über die Sicherheitsprobleme lustig. Griechenland fordert seit Jahrzehnten die Rückgabe der Parthenon-Skulpturen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter Lord Elgins Anleitung aus der Athener Akropolis gebrochen wurden.

Direktion unter Beschuss

Von dieser Zeitung schon vor Jahren am Rande einer Ausstellung auf den eklatanten Fall angesprochen, wiederholte Fischer die erprobten Argumente seines Hauses: Man dürfe nicht ausschließen, dass Elgins Vandalismus noch größeren Schaden vom berühmten Tempel abgewendet habe, der doch vom damaligen Osmanischen Reich vollkommen vernachlässigt worden sei. Zudem sei die Zuständigkeit heutiger Nationalstaaten gar nicht unbedingt gegeben.

Nun wirft die Diebstahlaffäre einen schwarzen Schatten auf Fischers ohnehin zu Ende gehende Amtszeit. Der international renommierte Kunsthistoriker steht seit April 2016 dem heiligen Gral britischer Museumskunde mit seiner grandiosen Sammlung vor. Der Direktorenposten muss vom Premierminister abgesegnet werden. Den Aufsichtsrat leitet seit einiger Zeit der frühere Tory-Finanzminister George Osborne.

Übergabe des Falls an die Kripo

An diesen wandte sich im Herbst vergangenen Jahres der dänische Kunstexperte Ittai Gradel mit seinen detaillierten Anschuldigungen, mit denen er zuvor achtzehn Monate lang bei der Leitung des Museums auf Granit gebissen hatte. Vizechef Jonathan Williams sprach in seiner Antwort auf Gradels ursprüngliche E-Mail im Juli 2021 von einer „gründlichen Untersuchung“; diese habe keine Hinweise auf Fehlverhalten zutage gefördert. Auch Direktor Fischer schrieb von einem „Mangel an Beweisen“.

Erst im Januar dieses Jahres wurde die Angelegenheit der Kripo übergeben. Vergangenen Monat wurde dann ein Chefkurator entlassen, wenige Tage später kündigte Fischer seinen Rücktritt an. Letztere Entscheidung habe mit der Affäre nichts zu tun, hat Osborne der BBC mitgeteilt.

Den entlassenen Kurator haben britische Medien als Peter Higgs, 56, identifiziert. Dessen 21-jähriger Sohn Greg bestätigte die Kündigung gegenüber „Times“ und „Telegraph“ und fügte hinzu: „Er kann es nicht gewesen sein. Er hat dort 30 Jahre ohne jeden Zwischenfall gearbeitet.“ Tatsächlich war Higgs als Leiter der griechischen Sammlung und Autor von Fachliteratur hoch angesehen.

Schwarze Schatten auf Fischers Amtszeit

Dass in den Katakomben der 270 Jahre alten Institution nicht unbedingt heilige Ordnung herrscht, wissen die Verantwortlichen spätestens seit 2002. Damals schmuggelte die „Sunday Times“ einen Undercover-Reporter ins Museum. Völlig unbehelligt konnte der vermeintliche Praktikant wenige Tage später das ehrwürdige Haus mit einer Statue verlassen, die auf dem Kunstmarkt fünfstellige Summen eingebracht hätte. „Da unten herrscht Chaos“, ließ sich der zuständige Kurator im Blatt zitieren – niemand anders als der jetzt entlassene Higgs.

Nun wirft die Diebstahlsaffäre einen schwarzen Schatten auf Fischers ohnehin zu Ende gehende Amtszeit. Der international renommierte Kunsthistoriker steht seit April 2016 dem heiligen Gral britischer Museumskunde mit seiner grandiosen Sammlung von Skulpturen, Manuskripten und Antiquitäten vor. Der Direktorenposten muss vom Premierminister abgesegnet werden. Den Aufsichtsrat leitet seit einiger Zeit der frühere Tory-Finanzminister George Osborne.

An diesen wandte sich im Herbst vergangenen Jahres der dänische Kunstexperte Ittai Gradel mit seinen detaillierten Anschuldigungen, mit denen er zuvor achtzehn Monate lang beim Management des British Museum auf Granit gebissen hatte. Vizechef Jonathan Williams sprach in seiner Antwort auf Gradels ursprüngliche email im Juli 2021 von einer „gründlichen Untersuchung“; diese habe keine Hinweise auf Fehlverhalten zutage gefördert. Auch Direktor Fischer schrieb von einem „Mangel an Beweisen“. Erst im Januar dieses Jahres wurde die Angelegenheit der Kripo übergeben. Vergangenen Monat entließ das British Museum einen seiner Chefkuratoren, wenige Tage später kündigte Fischer seinen Rücktritt an. Letztere Entscheidung habe mit der Affäre nichts zu tun, hat Osborne der BBC mitgeteilt.

Den entlassenen Kurator haben britische Medien als Peter Higgs, 56, identifiziert. Dessen 21-Jähriger Sohn bestätigte die Kündigung gegenüber „Times“ und „Telegraph“ und fügte hinzu: „Er kann’s nicht gewesen sein. Er hat dort 30 Jahre ohne jeden Zwischenfall gearbeitet.“ Tatsächlich war Higgs als Leiter der griechischen Sammlung und Autor von Fachliteratur, nicht zuletzt für die eigenen Ausstellungen, hoch angesehen.

Dass in den Katakomben der 270 Jahre alten Institution nicht unbedingt heilige Ordnung herrscht, wissen die Verantwortlichen spätestens seit 2002. Damals schmuggelte die „Sunday Times“ einen Undercover-Reporter ins Museum. Völlig unbehelligt konnte der vermeintliche Praktikant wenige Tage später das ehrwürdige Haus mit einer Statue verlassen, die auf dem Kunstmarkt fünfstellige Summen eingebracht hätte. „Da unten herrscht Chaos“, ließ sich der zuständige Kurator im Blatt zitieren – niemand anders als der jetzt entlassene Higgs.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false