zum Hauptinhalt
Licht am Ende des Tunnels? Die Grotte in Bethlehem im Westjordanland. Die Christen glauben, dass Jesus hier geboren wurde.

© AFP/HAZEM BADER

Hoffnung ist besser als Optimismus: Ein Plädoyer für das Unverhoffte

Lauter Kriege und Krisen, und im nächsten Jahr wird es kaum besser: Die Weihnachtsgeschichte erzählt auch von der Kunst, gegen alle Wahrscheinlichkeit Zuversicht zu entwickeln.

Ein Kommentar von Christiane Peitz

Weihnachten gilt seit jeher als Fest der Hoffnung. Schon deshalb, weil die Weihnachtsgeschichte davon erzählt, dass ausgerechnet ein Baby in Bethlehem, ein Kind bettelarmer, obdachloser Leute zum Hoffnungsträger für die Menschheit wird. Eine ziemlich verrückte Story.

Weil die Hoffnung sich weigert, nur der Realität ins Auge zu sehen, taugt sie besser als Motor für Veränderung als der Optimismus. 

Tagesspiegel-Autorin Christiane Peitz

In den letzten Jahren ist es immer schwerer geworden, die Hoffnung nicht zu verlieren. So viele Heimsuchungen. Da war der finstere erste Winter der Pandemie, gefolgt von einem zweiten Corona-Jahr. Dann überfiel Russland die Ukraine, die Menschen dort erleben jetzt ihre zweite Kriegs-Weihnacht. Im Iran starb Jina Masha Amini, die Frauenproteste werden weiterhin brutal niedergeschlagen. Und seit dem Hamas-Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober herrscht Krieg in Nahost, die Lage in Israel und Gaza ist heillos wie nie. Bethlehem liegt im Westjordanland, die Weihnachtsgäste bleiben dieses Jahr aus. Hinzu kommen Inflation, Energie- und Klimakrise, auch das Virus grassiert weiter, und jetzt klafft auch noch ein Milliardenloch im Bundeshaushalt.

Manche Menschen möchten sich nur noch abschotten

Wie soll man da noch Zuversicht entwickeln? Der Blick ins nächste Jahr ist getrübt, die Kriege und Krisen können eskalieren. In den USA wird vielleicht Donald Trump wiedergewählt, die um Frieden ringende internationale Staatengemeinschaft wäre erheblich geschwächt. Und bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sind Stimmenzuwächse der AfD erneut nicht unwahrscheinlich.

Manche Menschen möchten am liebsten den Kopf in den Sand stecken und sich nur noch abschotten vor all den bad news, um nicht depressiv oder zynisch zu werden. Man kann es ihnen kaum verdenken. Höchste Zeit, auf den Unterschied zwischen Optimismus und Hoffnung hinzuweisen.

Hoffnung schließt das Unverhoffte mit ein

Optimismus ist von Vernunft, Pragmatismus und Gewissheit geprägt, oder von hohen Wahrscheinlichkeiten. Auf den Winter folgt der Frühling, darauf können wir uns verlassen. Was die politische Zukunft betrifft, ist solcher Optimismus in der Tat fehl am Platz. Denn er ist eine Haltung, sagt die französische Philosophin Corine Pelluchon, „die einen glauben lässt, man habe die Lösung für alle Probleme“. Hoffnung hingegen setzt voraus, dass man um die Schwierigkeiten weiß, und um die eigene Fehlbarkeit. Hoffnung ist aus der Verzweiflung geboren, so Pelluchon.

Auch das ist die Botschaft von Bethlehem: Hoffnung schließt das Unverhoffte mit ein. Das Unwahrscheinliche, die Überraschung, sogar den Zufall, das, was den Erwartungshorizont sprengt. Wie gesagt, ein frierendes Baby wird zum Retter der Welt: Daran glauben immer noch an die 2,5 Milliarden Christen.

Weil die Hoffnung sich weigert, nur der Realität ins Auge zu sehen, taugt sie besser als Motor für Veränderung als der Optimismus. Der Optimismus geht davon aus, dass irgendwie alles gut werden wird. Die Hoffnung hingegen wettet auf die winzige Chance eines Happy-Ends. Der Einsatz ist hoch. So bringt uns die Hoffnung ins Handeln. Wer wissen will, wie das Licht am Ende des Tunnels aussieht, muss sich schon auf die Socken machen.

Es muss nicht gleich eine Revolution sein. Oft sorgt die Ressource Hoffnung für jenen Einfallsreichtum und jene Zähigkeit, ohne die unüberwindliche Hürden sich nicht bewältigen lassen. Man denke nur an die guten Nachrichten in letzter Zeit.

Lauter Unwahrscheinlichkeiten: Dazu gehören das Deutschlandticket genauso wie der Regierungswechsel in Polen. Seit der Abwahl der PiS ist klar, dass das Erstarken von Rechtspopulismus und Autoritarismus kein unumkehrbarer Trend ist. Oder die Weltklimakonferenz mit der schlussendlich doch noch gemeinsam erklärten Bereitschaft zur Abkehr von fossilen Brennstoffen. Oder die Kaffeepause, die Viktor Orbán sich genehmigte, damit die EU einstimmig für Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine votieren kann.  

Die Beispiele zeigen, welche Umwege die Hoffnung oft nimmt. Dass sie Engelsgeduld verlangt, und Fantasie. Und dass es ein Verrat an all denen wäre, die mit ihrem Leben für ihre Hoffnung kämpfen, wenn man ihnen mit Resignation oder Fatalismus begegnete. Unmöglich? Gibt’s nicht, sagt die Hoffnung. Keine schlechte Devise in diesen Tagen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false