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Kenneth Branagh als Hercule Poirot in seinem Film „A Haunting in Venedig“

© Disney

Kenneth Branaghs Film „A Haunting in Venice“: Wenn die Gondeln im Düsteren schaukeln

Venedig kann auch sehr nass sein: Mit seinem Spuk in der Lagunenstadt hat der Schauspieler und Regisseur Kenneth Branagh einen ziemlichen Humbug gedreht.

Venedig kann sehr nass sein. Jedenfalls schüttet es in diesem Nachtfilm aus allen Himmeln der Lagunenstadt. Aber es geht nicht ums gerade wieder aktuelle Hochwasser, vielmehr soll aus den grauschwarzen Gruften der Kanäle das feuchte Grauen aufsteigen. Denn Regisseur und Hauptdarsteller Kenneth Branagh will mit „A Haunting in Venice“ („Spuk in Venedig“) einen „supranatural mystery thriller“ vorstellen.

Tatsächlich hat Branagh in seiner dritten Filmadaption eines Stoffs von Agatha Christie, anders als zuvor beim „Mord im Orient-Express“ und „Tod auf dem Nil“, etwas mehr als nur eine Art Remake früherer Christie-Verfilmungen versucht. Es ist die Entdeckung eines kaum bekannten späten Romans der ehrwürdigen Lady of Crime, der 1969 als „Hallowe’en Party“ und dann auf Deutsch unterm eher märchenhaften Titel „Die Schneewittchen Party“ erschien.

Später Agatha-Christie-Roman

Kenneth Branagh gibt nun ein weiteres Mal den Superdetektiv Hercule Poirot, wieder mit komödiantisch angepapptem Zwirbelschnurrbart und frankophonem Akzent.

Das pittoresk morbide Venedig

Bei Agatha Christie spielt die Spukgeschichte mit mindestens drei Morden noch auf einem britischen Landsitz. Zusammen mit Drehbuchautor Michael Green versetzt Branagh die Sache ins pittoresk morbide Venedig des Jahres 1947, wo sich Hercule Poirot gerade in einem Dachterrassenapartment am Canal Grande zur Ruhe gesetzt hat.

Nach unzähligen gelösten Mordfällen und, wie er einmal betont, zwei den Glauben an die Menschheit erschütternden Weltkriegen. Trotzdem überredet ihn eine plötzlich als alte Freundin auftauchende elegante Schriftstellerin (Tina Fey), die selbst auf der Suche nach einem neuen Stoff ist, mit ihr einer Mischung aus Halloween-Party und venezianischem Karneval beizuwohnen: in einem Palazzo, der seit Generationen von bösen Geistern heimgesucht werde.

Für Poirot, der nur an böse Menschen, aber keine höheren oder tieferen Geister glaubt, eine letzte Herausforderung. Soll es doch in dem verhexten Haus auch eine Séance geben, in der ein ominös berühmtes Medium den Dialog mit einer Toten führen will.

Die Tote ist die kurz zuvor vom Turm des Palazzos gestürzte Tochter der elegisch mondänen Hausherrin Rowena Drake (Kelly Reilly), die noch einmal die Stimme des Mädchens hören will. Überhaupt spielen Kinder hier eine geisterhafte Rolle. Früher sollen in dem Spukhaus Waisenkinder zu Tode gekommen sein, jetzt beginnt die Film-Nacht mit einer Halloween-Party für junge Kriegswaisen, bei der zum gruseligen Kitzel auch Scherenschnitt-Filme früherer Schauergeschichten des Hauses gezeigt werden.

Dann verlassen die Kinder in Gondeln wie zur Fahrt über einen Totenfluss den Palazzo, in dem nun unter einer Schar überwiegend Erwachsener die erwähnte Séance mit Oscar-Preisträgerin Michelle Yeoh als trickreichem Medium ein fatales Ende nimmt – als Anfang weiterer, tödlicher Rätselfälle.

Überlaut und schrill klappern Fensterläden und Türen, kreischen flatternde Vögel, zucken Blitze, bersten Holzpfähle (auf denen Venedig erbaut ist), ständig ist etwas äußerlich los, wie um zu übertönen, dass im Kern eigentlich wenig passiert. Bis auf zwei Anschläge auf Poirot persönlich, bei denen der Protagonist kurz seine Fassung zu verlieren droht, dominiert Branaghs Meisterdetektiv das vor allem von seinen Verhörgesprächen bestimmte Geschehen mit derart stoischer Ruhe, als seien Fluch und Spuk allemal nur Fake.

Was so vernünftig wie leider auch undramatisch wirkt. Einzig der junge Jude Hill, zuletzt schon in Branaghs „Belfast“ der Kinderheld, sorgt als frühreifer Leser von Edgar Allen Poe („Dickens ist mir zu doof“) für eine Prise schwarzromantischer Ironie.

So aber denkt man wehmütig zurück an einen wirklichen Venedig-Mystery-Thriller wie Nicolas Roegs „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Er kam vor jetzt 50 Jahren in die Kinos und wirkt bis heute noch frischer als dieser Haunting-Humbug.

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