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Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt ist im Sinne des Presserechts verantwortlich für das News-Portal Nius.

© dpa/Tobias Steinmaurer

Sorgfaltspflicht verletzt?: Reichelt-Portal „Nius“ im Visier der Medienaufsicht

Nach mehreren Beschwerden könnte es zu einem Prüfverfahren der Medienanstalt Berlin-Brandenburg kommen. Es geht um die journalistische Sorgfaltspflicht.

Das News-Portal „Nius“ ist ins Visier der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) geraten, nachdem mehrere Beschwerden gegen das rechtspopulistische Portal bei den Medienaufsehern eingegangen sind, bestätigte die Medienanstalt dem Tagesspiegel einen Bericht von T-Online. Für den Inhalt von „Nius“ verantwortlich ist der frühere „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt.

„Die MABB geht jeder Beschwerde nach. Wenn Anhaltspunkte für Verstöße gegen die journalistischen Sorgfaltspflichten vorliegen, entscheidet die MABB über mögliche weitere Verfahrensschritte. Dies kann je nach Fallgestaltung ein niedrigschwelliges Hinweisschreiben sein, aber auch die Einleitung eines förmlichen Aufsichtsverfahrens“, teilte die Medienanstalt weiter mit.

Das News-Portal war gerade erst in die Schlagzeilen geraten, weil es dem österreichischen Publizisten Stefan Weber eine vierstellige Summe dafür gezahlt haben soll, die Diplomarbeit und Dissertation von Alexandra Föderl-Schmid auf mögliche Plagiate zu untersuchen. Wegen der Vorwürfe hatte die Vize-Chefredakteurin der „Süddeutschen Zeitung“ ihre Tagesgeschäfte ruhen lassen.

Der Trierer Politikwissenschaftler Markus Linden bezeichnete „Nius“ im T-Online-Beitrag als „rechtspopulistisches Agitationsformat mit journalistischem Anstrich“. Für die Medienanstalt Berlin-Brandenburg ist hingegen entscheidend, ob und in welchem Maße die journalistischen Sorgfaltspflichten verletzt werden. „Bislang hat die MABB noch keine förmlichen Aufsichtsmaßnahmen wie zum Beispiel eine Beanstandungs- oder Untersagungsverfügung gegen die Anbieterin von nius.de ergriffen“, hieß es Mittwoch von der Medienanstalt. „Nius“ wollte laut T-Online „zu internen Vorgängen“ nicht öffentlich Stellung nehmen.

MABB: Bislang keine förmlichen Aufsichtsmaßnahmen

Um Verletzungen der journalistischen Sorgfaltspflicht könnte es sich zum Beispiel gehandelt haben, als „Nius“ dem „Kontraste“-Redaktionsleiter Georg Heil zu Unrecht vorgeworfen hat, Insider-Infos von seinem Bruder Hubertus Heil bekommen zu haben. Insbesondere auch deshalb, weil in dem inzwischen nicht mehr abrufbaren Text zunächst behauptet wurde, man habe Georg Heil erfolglos zu einer Stellungnahme aufgefordert. Dabei wurde diese offenbar gar nicht abgeschickt.

„Wird ein Aufsichtsverfahren eingeleitet, wird der Anbieter in einem ersten Schritt förmlich angehört und es wird ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben“, erläuterte die MABB. Je nach Ergebnis der Prüfung können einzelne Aussagen oder Beiträge beanstandet oder untersagt werden. Zu Inhalten der Beschwerden oder dem Stand eines etwaigen Verfahrens könne man sich nicht äußern, so die MABB.  

Im vergangenen Jahr hat die Medienanstalt Berlin-Brandenburg 16 Fälle im Bereich Rundfunk und 47 Fälle im Bereich Telemedien wegen möglicher Verletzungen der journalistischen Sorgfaltspflichten behandelt. Eine Sperrung eines Angebots ist nur als letztes Mittel vorgesehen.

Im Jahr 2021 hatte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg ein Verfahren gegen das Portal „KenFM“ um den Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen eröffnet. Ihm wurden permanenten Verletzungen der journalistischen Sorgfaltspflichten vorgeworfen. Nachdem er zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde, kündigte er die Verlagerung des Angebots ins Ausland an. Das Verfahren wurde Ende 2021 eingestellt, nachdem KenFM vom Netz genommen wurde.

Die Medienwächter sind seit der Neureglung des Medienstaatsvertrags im Jahr 2020 auch für redaktionell gestaltete Online-Angebote zuständig, die geschäftsmäßig betrieben werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das Angebot keiner Selbstkontrolleinrichtung wie beispielsweise dem Deutschen Presserat unterworfen hat.

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