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Francesca Melandri, Romanautorin aus Rom

© Elisabetta Claudio

Update

„Goethe wäre nicht einverstanden“: Vor allem in Neapel ist der Ärger über die drohende Schließung des Goethe-Institutes groß

Neben Frankreich ist Italien schwer von der Schließung mehrerer Standorte der deutschen Kultureinrichtung getroffen. Was würde Goethe selbst wohl sagen, fragt die Schriftstellerin Francesca Melandri.

Die einen standen unter Schock, die anderen hatten für einen Aufschrei vermutlich nicht ausreichend Informationen zur Hand. Vergangene Woche hatte das Goethe-Institut angekündigt, dass man zum Jahreswechsel neun von weltweit 159 Standorten schließen würde.

Die Tragweite des Beschlusses vernebelte die offizielle Erklärung von Deutschlands auswärtiger Kulturpolitik eher, als dass diese zur Klärung beitrug: Man sprach von „umfangreicher Transformation der globalen Organisation“, einem „Zukunftskonzept“ und „strategischer Neuausrichtung“.

Hart getroffen sind zwei traditionelle Partner Deutschlands, Frankreich und Italien, wo jeweils drei Institute schließen müssen. Verfügte die Institution zur Förderung der deutschen Sprache und Kultur 2023 über ein Budget von 239 Millionen Euro insgesamt, so muss sie künftig 24 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Zugleich will sie andere Akzente setzen.

Während neue Präsenzen in Polen, der Republik Moldau, im Südpazifik und in den USA, darunter Texas, öffnen sollen, fallen außer den drei Institutionen in Italien und Frankreich auch Standorte in Washington, Brasilien, den Niederlanden und Japan weg. Zu den französischen Betroffenen gehören neben dem Goethe-Institut in Bordeaux jenes in Lille und das Verbindungsbüro in Straßburg. In Italien sind es Genua, Turin und Triest.

Unmut in Frankreich

Hintergrund der Neuausrichtung seien „erhebliche Veränderungen der geopolitischen und finanziellen Rahmenbedingungen“, erklärte die Zentrale des Goethe-Instituts auf Anfrage. Durch die Einsparung von Strukturkosten sollten Mittel frei gesetzt werden, um Programme und die Spracharbeit mittelfristig zu stärken.

„Dies gilt auch für Frankreich, wo wir stark darauf geachtet haben, dass unsere Angebote weiterhin für alle Landesregionen gut nutzbar bleiben.“ Die Transformation sei notwendig, damit das Institut seine Aufgaben nachhaltig erfüllen könne. Sie verwies auf digitale Plattformen mit umfangreichen Sprachlern-Angeboten, die landesweit zugänglich seien.

Frankreich bleibt dennoch das Land mit dem dichtesten Netzwerk von Goethe-Instituten in Europa. Dieses sei „Ausdruck der tiefen Freundschaft“ zwischen beiden Ländern. Doch wie viel ist Deutschland diese Freundschaft wert in Zeiten, wo immer wieder über eine Entfremdung spekuliert wird und die Zahl derer, die die Sprache des Nachbarn lernen, kontinuierlich sinkt?

Bei der traditionell gut besuchten Feier zum Tag der Deutschen Einheit in Paris drehten sich viele Gespräche um diese Frage, aber auch um das Signal, das von der so überraschend getroffenen Entscheidung ausgeht. Auf politischer Ebene wird nicht zuletzt seit der Europarede, die Olaf Scholz im August 2022 in Prag hielt und in der er Frankreich kein einziges Mal erwähnte, immer wieder befürchtet, dass Berlin sich von Paris ab – und dem Osten stärker zuwendet.

Deutsche Sprache Teil des Alltags

In den betroffenen Regionen lösten die Ankündigungen der Schließungen Bestürzung aus. Der Präsident der Region Grand Est, Franck Leroy, brachte „tiefes Bedauern“ zum Ausdruck. Die regionale Abgeordnete Brigitte Klinkert gab zu bedenken, dass die deutsche Sprache in Straßburg, wo das EU-Parlament und der Europarat sitzen, Teil des Alltags und dieser Institutionen sei.

„Das ist keine gute Nachricht für das Bewerben der Zweisprachigkeit in unserer Region“, so Klinkert, die Co-Vorsitzende der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung ist die sich aus je 50 Abgeordneten beider Länder zusammensetzt. Im Aachener Vertrag, der sie begründete, wurde auch ein verstärkter sprachlicher und kultureller Austausch in den Grenzgebieten beschlossen.

Das Goethe-Institut wird künftig seinen Fokus stärker auf die Länder des globalen Südens, wie hier mit dem Mosul Heritage Music Festival im Irak, legen.

© AFP/ZAID AL-OBEIDI

Protest formiert sich inzwischen auch bei den Gastgebern im Süden, zumal sich herausstellt: Mit dem Aus für Genua, Turin und dem Schlusspunkt unter dem schon seit Jahren unbesetzten Institut in Triest ist es wohl nicht getan. Auch das Goethe-Institut in Neapel, das in der Liste der geschlossenen Institute nicht erscheint, dürfte ab nächstem Jahr nur noch dem Namen nach existieren.

In einer offiziellen Verlautbarung heißt es, Neapel werde parallel zur Schließung der Institute in Turin und Genua bis zum 31. Januar 2024 „verkleinert“. In Klammern ist angefügt, was das bedeutet: „Schließung der Sprachabteilung, Aufgabe der Räume im Palazzo Sessa, kulturelle Aktivitäten künftig nur bei Partnern.“

Goethe war Gast im Palazzo

Über die Treppen des Palazzo Sessa, den das Institut 2012 bezog, schritt schon der Namensgeber. Goethe war während seines Aufenthalts in der Stadt mehrmals im barocken Palazzo zu Gast, dem Sitz des damaligen britischen Botschafters Lord Hamilton und seiner Frau Emma.

Keine Räume, keine Sprachkurse mehr – was bleibt? Nach Informationen des Tagesspiegels bleibt nur eine Stelle, von der nicht mal klar ist, ob sie eine im Sekretariat sein wird oder die der Direktorin.

Die Sprecherin der italienischen Goethe-Institute teilte auf Anfrage mit, es sei noch zu früh, über die künftige personelle Aufstellung zu sprechen, zuerst müssten Gespräche mit den Mitarbeiter:innen in Neapel geführt werden.

„Sicher ist, dass wir unsere Programmarbeit und die Förderung des Deutschunterrichts an italienischen Schulen in Kampanien und Süditalien und unsere Verbindung zu unseren Partnern in Neapel genauso engagiert fortsetzen werden.“

Inzwischen hat die Nachricht der Schließungen harte Reaktionen in Italiens Kulturlandschaft ausgelöst: Marta Hering, Leiterin des Italienischen Historischen Instituts, sprach von einem drohenden „großen Verlust“. „Das Goethe-Institut ist in unserer Stadt auf besondere Weise und tief verwurzelt. Als Neapolitanerin bin ich sehr besorgt.“ Das Institut sei ein wichtiger Teil der internationalen Verbindungen der Stadt, „die nicht auf Tourismus reduziert werden dürfe“.

Die Turiner Zeitung „La Stampa“, deren Stadt betroffen ist, widmete dem italienischen Kahlschlag bei Goethe am Freitag einen Artikel mit bitterem Fazit: „In einem Krisenmoment streicht Deutschland seine Investitionen in die Kultur, den Sektor, bei dem das am leichtesten ist.“ Das Blatt zitiert eine gemeinsame Stellungnahme von Luca Crescenzi, dem Präsidenten des „Instituto Italiano di Studi Germanici“ und von Emilia Fiandra, die an der Spitze der Vereinigung italienischer Germanist:innen steht.

Man sei „tief betroffen und besorgt“, heißt es über die drohende Schließung in Neapel. Das Institut dort sei „eines der wichtigsten und angesehensten unter denen, die die deutsche Sprache und Kultur in Italien fördern“. Seine Schließung wäre nicht nur „ein schwerer Verlust für die Stadt, sondern für ganz Italien“.

In Neapel fragt man sich bereits, ob unter diesen Umständen „die fruchtbaren Kulturbeziehungen beider Nationen aufrechterhalten werden können“.

„Ich glaube nicht, dass Johann Wolfgang von Goethe einverstanden wäre, wenn er wüsste, dass das Institut, das seinen Namen trägt, seinen Sitz gerade in der Stadt aufgibt, die er womöglich am meisten geliebt habt, Neapel“ sagte die italienische Schriftstellerin Francesca Melandri („Alle außer mir“, „Eva schläft“) dem Tagesspiegel.

„Das Goethe-Institut in Neapel ist ein wesentlicher Bestandteil der jahrhundertealten und sehr lebendigen Beziehungen zwischen Italien und Deutschland und hat in jüngster Zeit wichtige Beziehungen zu vielen sozialen und kulturellen Bezugspunkten dieser außergewöhnlichen und einzigartigen Stadt aufgebaut. Ich hoffe wirklich, dass die deutschen Behörden dies überdenken und Neapel erhalten werden.“

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