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Auf der Sünderbank: Kanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck (v. l.).

© Reuters/Annegret Hilse

Abfuhr für die Ampel: Das Haushalten mit Tricks ist in der Politik zur Sucht geworden

Das Karlsruher Urteil zwingt die Bundesregierung zu einer Neuausrichtung. Die Abkehr von der Schuldenbremse sollte nicht dazugehören.

Ein Kommentar von Albert Funk

Der Paukenschlag aus Karlsruhe dröhnt den Politikern der Ampelkoalition auch am Freitag noch in den Ohren. Das zeigte sich nach dem Ende des ersten Teils der Abschlussrunde im Haushaltsausschuss zum Etat 2024. Und er wird nachklingen, weit über die laufenden Beratungen zum Bundeshaushalt für 2024 hinaus.

Denn die Koalition muss nachsitzen – der endgültige Abschluss kann erst in der kommenden Woche erfolgen, jedenfalls dann, wenn es gelingt, das Loch im Etat zu stopfen. Wie groß es ist, blieb am Freitag unklar. Aber es dürften mehr als 30 Milliarden Euro sein. Das ist eine beträchtliche Summe bei einem Gesamtetat von 445 Milliarden Euro plus Ausgaben über Nebenetats mit einem Volumen im zweistelligen Milliardenbereich.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem nüchternen, aber immens harten Urteil der Bundesregierung eine Lektion erteilt. Man darf gespannt sein, ob sie wirklich ankommt.

Denn das Haushalten mit vielen Tricks, mit Sondervermögen, die dann wieder vermischt werden mit dem regulären Etat, mit dem Umbuchen von Kreditermächtigungen, dem Verschulden auf Vorrat, dem vorsätzlichen Umgehen der Schuldenbremse und der wichtigsten Haushaltsgrundsätze – das ist für die Politik geradezu eine Sucht geworden. Es ist wie das Zocken mit Hebelprodukten: geringer Einsatz, potenziell großer Ertrag.

Politik mit Verlustrisiko

Aber eben auch mit hohem Verlustrisiko. Das ist nun wahr geworden. Jetzt muss nach der Ernüchterung aus Karlsruhe die Phase des Entzugs folgen. Übrigens nicht allein bei der Ampel – in den Ländern zumindest hat die Union sich auch ein bisschen am Trip beteiligt. Aber es ist nun einmal die Koalition von SPD, Grünen und FDP, die in Karlsruhe eine Abfuhr erhielt, wie sie selten zu erleben ist.

Sie braucht nicht nach Schuldigen außerhalb ihrer Reihen zu suchen. Der Hauptverantwortliche steht zudem an der Spitze der Regierung. Die in Karlsruhe krachend gescheiterte Etatpolitik wurde parallel zu den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2021 im damals von Olaf Scholz geleiteten Bundesfinanzministerium konzipiert.

Dass der Kanzler nach dem Urteil schmallippig und konsterniert wirkte, hatte schon seinen Grund. Er hatte wohl geglaubt, man käme mit der Zaubernummer in Karlsruhe einigermaßen durch. Er hat sich getäuscht.

Gestärkte Schuldenbremse

Die Schuldenbremse ist vom Verfassungsgericht bestätigt und gestärkt worden. Schon vorher gab es kritische Stimmen, bis hin zur Forderung nach Abschaffung, vor allem bei SPD, Grünen und Linker. Dort gilt die Schuldenregel im Grundgesetz als konservative Fortschrittsbremse – und das in Karlsruhe gescheiterte Modell als progressiv.

Aber das Verfassungsgericht ist kein Hort altmodischer Vorstellungen. Man hat dort nur nüchtern deutlich gemacht, was Verfassungs- und Rechtsbruch ist. Und den hat die Ampel nun einmal begangen. Sie ist nun quasi vorbestraft.

Insofern erübrigt es sich, jetzt weiter an der Schuldenbremse herumzumäkeln. Sie gilt – und ist im Übrigen auch gar nicht so schlecht. In zwei aufeinanderfolgenden Notlagen – Pandemie und Ukraine-Krieg – hat sie eine Kreditaufnahme ermöglicht, mit der die Doppelkrise gut abgefangen werden konnte.

Die Notlage hätte auch für einen etwas längeren Zeitraum erklärt werden können – das verhindert zu haben, fällt in die Verantwortung der FDP, ein kapitaler Fehler von Christian Lindner. Der Finanzminister steht zudem mit der völlig schrägen Finanzierung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds Scholz in nichts nach und wirkt als Verteidiger der Schuldenbremse nicht sonderlich überzeugend.

Kurzum: Man darf von der Koalition erwarten, dass sie im Rest der Wahlperiode haushaltspolitisch überzeugt, indem sie ihre progressive Politik in dem von Karlsruhe aufgezeigten Rahmen finanziert. Dass die Ansätze im Klimafonds künftig offenbar am Bedarf ausgerichtet werden sollen und nicht an rauschhaften Planzahlen, ist schon mal ein guter Start in die Entzugsphase.

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