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German Family Affairs, Senior Citizens, Women and Youth Minister Lisa Paus and Finance Minister Christian Lindner attend a press conference on child support, in Berlin, Germany, August 28, 2023. REUTERS/Lisi Niesner

© REUTERS/LISI NIESNER

Ampel zeigt sich zufrieden: Lindner hält Kindergrundsicherung für die vorerst „letzte größere Sozialreform“

Am Montag stellten Lindner, Paus und Heil in einer Pressekonferenz die Eckpunkte der Kindergrundsicherung vor. Was sich nun ändert, wer davon profitiert und wie viel Mehrausgaben geplant sind.

Kurz vor ihrer Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg und nach monatelangen Grundsatzdiskussionen hat sich die Ampel-Regierung offenbar beim Streitthema Kindergrundsicherung geeinigt. Nähere Details und Eckpunkte wurden am Montag ab 11 Uhr in einer Bundespressekonferenz vorgestellt.

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„Darauf können wir stolz sein“, sagte Bundesministerin Lisa Paus zum Beginn der Pressekonferenz und dankte allen, die sie dabei unterstützt haben. „Wir stehen an der Seite aller Kinder und ganz besonders an der Seite der Kinder, die von Armut betroffen oder bedroht sind“, stellte die Politikerin klar.


Kindergrundsicherung: Was ändert sich bei der Antragstellung?

„Das Verfahren wird einfach und digital werden“ und soll künftig „mit dem Kindergrundsicherungscheck von Zuhause aus gehen“, stellte die Familienministerin klar.

Mit der neuen Dienstleistung könnten frisch gebackene Eltern ihr Kind anmelden, die Kindergrundsicherung beantragen und müssten abschließend nur noch ihr Einverständnis zum Datenabgleich geben. „Mehr müssen sie nicht tun“, so Paus. „Von der Hol- zur Bringschuld: Der Staat als Servicedienstleister, ein echter Paradigmenwechsel“, so die Politikerin.


Wie hoch werden die Regelsätze ausfallen?

Die Höhe der Regelsätze für das Jahr 2025 seien noch ungewiss, da man hier auf die Daten des Statistischen Bundesamtes angewiesen sei, so Paus. Es solle aber zu „spürbaren Steigerungen des Status Quo“ kommen.

So sollen beispielsweise Teenager, die bislang einen Kinderzuschlag bekommen, im Rahmen der Kindergrundsicherung monatlich nochmals 60 Euro mehr erhalten. „Für alle Anderen gibt es keine Schlechterstellung“, versicherte die Familienministerin.

Die Kindergrundsicherung schafft mehr soziale Gerechtigkeit und sie ist eine kluge Investition in die Zukunft unserer Kinder.

Lisa Paus, Bundesfamilienministerin
Christian Lindner mit Lisa Paus und Hubertus Heil bei der Pressekonferenz zur Einigung bei der Kindergrundsicherung in Berlin.

© Imago/Florian Gaertner


Wie wird das Existenzminimum berechnet?

Der bisherige Kindersofortzuschlag werde durch die Neuermittlung des Existenzminimums abgelöst, gab der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, bei der Pressekonferenz bekannt.

Die Berechnung dieses Existenzminimums von Kindern solle demnach die Lebenswirklichkeit „besser abbilden“, so der Politiker. Dazu gehöre auch, dass beispielsweise Strom- und Haushaltskosten „individualisierter“ in die Berechnungen mit einfließen sollen.


Kindergrundsicherung: Wie viel Mehrausgaben sind geplant?

Aus Grünen-Kreisen hieß es: „Heute Nacht ist die Einigung bei der Kindergrundsicherung erfolgt. Bundesministerin Lisa Paus kann das als Erfolg für sich verbuchen, dass es ihr gelungen ist, die Weichen für das Projekt zu stellen.“

 Lisa Paus kann das als Erfolg für sich verbuchen.

Stimme der Grünen

Ab 2025 sollen Mehrausgaben von zunächst etwa 2,4 Milliarden Euro eingeplant sein. Die Ausgaben werden in der Folge aber weiter steigen, weil zudem das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum neu berechnet werden soll. Dieses ist ausschlaggebend für die Höhe des Bürgergeldes.

„Damit wird der Bedarf für Kinder an die aktuelle Lebenswirklichkeit angepasst“, heißt es in einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Papier. „In der Folge werden sich die Regelbedarfe im Kinderzusatzbetrag erhöhen.“ 

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Was ändert sich für Alleinerziehende?

Bundesfinanzminister Lindner gab bei der Pressekonferenz bekannt, dass sich dank der Kindergrundsicherung vor allem die Situation der Alleinerziehenden verbessern solle.

Bisher seien hundert Prozent des Unterhaltseinkommens auf den Transfer angerechnet worden. „Das verändern wir. Von hundert Prozent geht es in eine Staffel: 75 Prozent werden dann nur noch bei sehr hohem Unterhaltseinkommen angerechnet, bis auf 45 Prozent bei relativ geringem Unterhaltseinkommen“, so Lindner.

Die neue Kindergrundsicherung solle bei Alleinerziehenden zudem an eine Erwerbstätigkeit gekoppelt werden. „Ab Schuleintritt, also ab dem sechsten Lebensjahr, gibt es die geringere Anrechnung von Unterhaltseinkommen nur für diejenigen, die arbeiten“, so der FDP-Politiker.


Welche Folgen hat die Kindergrundsicherung für den Haushalt?

Bundesfinanzminister Lindner erwartet für das Jahr 2025 etwa 400 Millionen Euro höhere Kosten. „Das ergibt sich aus der höheren Inanpsruchnahmequote aus Änderungen beim Transferentzug und aus Verwaltungskosten“, so Lindner.

Ich wage die Prognose, dass es sich bei der Kindergrundsicherung mit Blick auf die nächsten Jahre um die letzte größere soziale Reform handelt, die noch in den Haushaltsrahmen des Bundes passt.

Christian Lindner, Bundesfinanzminister

„400 Millionen Euro über Plan erhöhen den Handlungsbedarf, den wir im Haushaltsplan 2025 haben werden, weiter“, so der FDP-Politiker. Daher wagte Lindner die Prognose, dass es sich bei der Kindergrundsicherung mit Blick auf die nächsten Jahre um die „letzte größere soziale Reform handelt, die noch in den Haushaltsrahmen des Bundes passt“.


Lindner zur Einigung: Gespräche waren „konstruktiv“ und „intensiv“

„Die Kindergrundsicherung schafft mehr soziale Gerechtigkeit und sie ist eine kluge Investition in die Zukunft unserer Kinder“ resümierte Paus bei der Pressekonferenz. Daher sei sie mit dem Ergebnis „angesichts der Haushaltssituation des Bundes“ besonders zufrieden.

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen. Er bezeichnete die zuvor geführten Gespräche innerhalb der Ampelkoalition als „konstruktiv“ und „intensiv“.

Mit der Kindergrundsicherung wird nun die Absicherung des Existenzminimums von Kindern neu definiert.

Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, bezeichnete die Kindergrundsicherung als wichtige und große Sozialreform. „Unser Ziel ist, dass Kinder besser vor Armut geschützt werden und dass wir ihnen langfristig mehr gesellschaftliche Teilhabe und damit die Chance zu einem selbstbestimmten Leben eröffnen“, so der Politiker.


Wann wird die Kindergrundsicherung umgesetzt?

Bundesfamilienministerin Paus betonte bezüglich der Umsetzung der Kindergrundsicherung „Eile ist wichtig“. Allerdings sei die technische Umsetzung „nicht trivial“.

Wenn die Kindergrundsicherung zum 1.1.2025 am Start sein soll, dann müssen wir da zügig ran.

Lisa Paus, Bundesfamilienministerin

„Unser Zeitplan ist: Wir gehen jetzt in die Verbändeanhörung. Wir hoffen, dass wir vielleicht mit zwei Wochen hinkommen“, rechnete die Politikerin vor. Ein möglicher Termin wäre im Anschluss daran die nächste Kabinettssitzung im September.

Kindergrundsicherung: Wie reagieren die Sozialverbände?

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hat die geplante Kindergrundsicherung als unzureichend kritisiert. „Das darf nur ein Anfang sein, denn dieser Kompromiss ist noch keine echte Antwort auf die grundsätzliche strukturelle Problematik von Kinder- und Familienarmut in Deutschland“, sagte die Verbandsvorsitzende Michaela Engelmeier am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Das darf nur ein Anfang sein.

Michaela Engelmeier, Sozialverband Deutschland

Engelmeier sagte: „Gut, dass endlich eine Einigung gefunden wurde und die lähmende Debatte der Koalition, die zu viel Verunsicherung bei den Menschen geführt hat, ein Ende hat.“ Weiter sagte sie: „Aber bei der konkreten Ausgestaltung sind wir enttäuscht und hatten uns weit mehr versprochen.

Hubertus Heil, Christian Lindner und Lisa Paus stellen die Eckpunkte der Kindergrundsicherung vor.

© dpa/Kay Nietfeld

Für eine Gleichbehandlung armer und reicher Familien bei der staatlichen Grundförderung und zusätzliches Geld für armutsbetroffene Familien reichten 2,4 Milliarden Euro bei weitem nicht. Engelmeier sieht nach eigenen Worten nun den Gesetzgeber gefordert, weitere Schritte festzulegen, wie langfristig eine wirklich armutsfeste Kindergrundsicherung gelingen könne.


Wird es nach der Einigung weitere Anpassungen geben?

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hält nach der Einigung noch Änderungen im parlamentarischen Verfahren für möglich. Parlament und auch SPD-Fraktion würden das ein oder andere am Gesetzentwurf möglicherweise „präzisieren“, sagte Mützenich am Montag im ARD-„Morgenmagazin“.

Mützenich zeigte sich zuversichtlich, dass der Bundestag von der Regierung bald einen „belastbaren Gesetzentwurf“ bekommt. Zu Details der Einigung wollte Mützenich sich mit Verweis auf die Pressekonferenz der Fachminister nicht äußern.


Warum wird die Kindergrundsicherung eingeführt?

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag sollen darin gebündelt werden.

Durch mehr Übersichtlichkeit und mithilfe einer zentralen Plattform sollen auch viele Familien erreicht werden, die bisher wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden ihnen zustehende Gelder nicht abrufen. „Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen und setzen dabei insbesondere auch auf Digitalisierung“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag.

Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen und setzen dabei insbesondere auch auf Digitalisierung.

Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung

Zwischen Grünen und FDP hatte sich allerdings ein Dauerstreit darüber entwickelt, wie viel Geld der Staat nun für die Kindergrundsicherung ausgeben soll und ob Leistungen erhöht werden sollen oder nicht.

Die zuständige Familienministerin Paus hatte zuerst 12 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt, sie sprach später von bis zu 7 Milliarden Euro. Finanzminister Lindner nannte als „Merkposten“ eine Summe von zunächst nur 2 Milliarden Euro.

Auf welche Summe sich die Koalition in den Gesprächen nun geeinigt hat, war zunächst unklar. An diesem Dienstag kommen Scholz und die Minister auf Schloss Meseberg bei Berlin zu ihrer fünften Kabinettsklausur zusammen.


Verbissene Grundsatzdiskussionen um Kindergrundsicherung

Der Einigung gingen monatelange und verbissene Grundsatzdiskussionen vor allem zwischen den Grünen und der FDP in der Ampel von Kanzler Olaf Scholz (SPD) voraus.

Am Sonntagabend waren Scholz, Paus und Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu Gesprächen im Kanzleramt zusammengekommen. Gegen Mitternacht wurde bekannt, dass man sich bei der Kindergrundsicherung zusammengerauft hat.

Lindner hatte zuvor im ZDF-„Sommerinterview“ gesagt, dass er mit einer schnellen Einigung auf Eckpunkte rechne. Danach würden Verbände und Länder beteiligt, und erst dann werde es einen fertigen Gesetzentwurf geben, der an den Bundestag gehe. (mit dpa, Reuters)

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