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Gillamoos - hier müssen politische Redner erst einmal bestehen können.

© Armin Lehmann/Tagesspiegel

Bayerische Bierzeltschlacht Gillamoos : Stiehlt Aiwanger Söder die Show?

Traditionell versammelt sich beim ältesten Volksfest Bayerns die Politprominenz. Doch wegen der Flugblattaffäre schauen alle nur auf den Ministerpräsidenten und seinen Vize.

Hubert Aiwangers Sprecher verfällt am Sonntagmittag in einen erstaunten Tonfall, der einigermaßen gespielt wirkt: Es habe doch niemals zur Debatte gestanden, dass der in die Kritik geratene Chef der Freien Wähler diesen traditionellen Auftritt auf dem Gillamoos in Abensberg absagt. Im Gegenteil, „Hubert Aiwanger liebt das“, und es werde garantiert sehr kuschelig voll werden.

War da also was? Politische Krise? Rücktrittsforderungen wegen eines antisemitischen und menschenverachtenden Flugblatts in seiner Schultasche vor 35 Jahren? Entschuldigung. Erinnerungslücken. Absolution durch den Ministerpräsidenten. Und nun? Man wird sehen.

Ab 10 Uhr Montagmorgen reden neben den Spitzenkandidaten im Wahlkampf viele Spitzenpolitiker aus den Bundesparteien gleichzeitig in fünf verschiedenen Zelten. Die AfD muss allerdings draußen bleiben und darf nur außerhalb der Festwiesen reden. Es ist eine Art politischer Aschermittwoch, nur eben im September.

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CDU-Chef Friedrich Merz ist zum Beispiel da, FDP-Vize Wolfgang Kubicki für die FDP, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann für die Grünen. Lars Klingbeil, einer der Bundesvorsitzenden der SPD, spricht für die Sozialdemokraten. Und natürlich sind da vor allem Markus Söder und Hubert Aiwanger.

Söder gibt den Kümmerer

Politisch dreht sich in diesem Jahr alles um diese Zwei, deren Duell, obwohl sie in einer Regierungskoalition sitzen, fortgesetzt wird. Gerade noch am Sonntag war Markus Söder am Zug.

Er erklärte in staatsmännischen Worten, warum er Hubert Aiwanger trotz des, wie er sagte, „ekeligen, im Nazijargon“ verfassten Flugblatts aus Schulzeiten, nicht entlassen werde. Kurzgefasst, sagte Söder, sei eine Entlassung „nicht verhältnismäßig“

Es sollte auch eine Geste der politischen Großzügigkeit und Gelassenheit darstellen. Er, Söder, habe sich im persönlichen Vieraugengespräch versichert, dass Aiwanger Reue und Demut zeige. Söder versucht, ganz der sich kümmernde Landesvater, den politischen Krisenbrand auszutreten.

Trotzdem bleibt fraglich, ob ihm die Entscheidung am Wahltag, dem 8. Oktober, geholfen oder geschadet haben wird.

Wir haben ein reines Gewissen. Wir handeln nach der Maxime: tue recht und scheue niemanden.

Hubert Aiwanger

Aiwanger jedenfalls freut sich, „wieder weiter für Bayern zu arbeiten“, wie er am Rande eines Wahlkampfauftrittes am Sonntag sagte. Und dementsprechend hatte er nichts Besseres zu tun, als noch zeitgleich zur Erklärung Söders im aggressiven Wahlkampfmodus zu bleiben und sich als Opfer einer Hexenjagd, wie er es formulierte, darzustellen.

Wörtlich sagte Aiwanger beim Keferloher Sonntag südöstlich von München: „Man wollte den Aiwanger ertränken…Aber die Schmutzkampagne wird uns stärken. Wir haben ein reines Gewissen. Wir handeln nach der Maxime: tue recht und scheue niemanden.“

Der Gillamoos ist an sich ein großer Jahrmarkt in Abensberg im Landkreis Kehlheim. Laien würden es als kleines Oktoberfest bezeichnen, doch in Wahrheit ist es nicht nur das älteste Jahrmarktfest Bayerns, sondern seit mehr als 50 Jahren auch traditionell Bühne für die politische Prominenz aus Bayern und dem Bund.

Selbstbewusst ist man in Abensberg wie im Rest Bayerns.

© Armin Lehmann/Tagesspiegel

An den Buden ist ein Spruch der Souvenirrenner, ob auf T-Shirts oder anderswo, der etwas über das Selbstverständnis auch der Leute aussagt: „Bayern ist Weltmacht“.

Am Sonntagabend gegen 20 Uhr war die Festwiese mit Tausenden Gästen bevölkert. Im Weißbierstadl, dem wohl engsten Bierzelt, stapelten sich zumindest draußen im Biergarten die Leute. Sie schunkelten zur Blasorchestermusik der „6 lustigen 5“.

Die Bläserband die „6 lustigen 5“ vor dem Weißbierstübl am Sonntagabend. Montagfrüh spricht Hubert Aiwanger hier.

© Armin Lehmann/Tagesspiegel

Hier wird Aiwanger ab 10 Uhr sprechen. Vor der letzten Wahl, im September 2018, rief Aiwanger den Leuten noch zu: „Die Politik muss endlich dorthin, wo der Bürger lang will…“ Und an Söders Adresse sagte er: „Man muss denen von morgens bis abends auf die Finger schauen“, deshalb wolle er mit den Freien Wählern in die Regierung.

Schwarz-Grün wird es in Bayern nicht geben.

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident Bayerns

Das will er jetzt auch wieder. Und Söder muss ihn wohl lassen, weil es keine Alternative zu den Freien Wählern gibt. „Schwarz-Grün wird es jedenfalls in Bayern nicht geben“, hat Söder noch am Sonntag beim Hinausgehen aus dem Prinz-Carl-Palais, seinem Amtssitz, gesagt. Und der große staatsmännische Auftritt war plötzlich zu einer ziemlich schwachen politischen Position geschrumpft.

Söders Festzelt, in dem auch Merz redet, war immerhin auch schon am Sonntag voll – ob voller Vorfreude war aus den Leuten nicht herauszubekommen. Die meisten von ihnen werden am Montagfrüh wohl nicht wieder kommen. Die Grünen werden sich im Weinzelt aufhalten, dort spielte am Abend eine Band vor sehr wenig Leuten. Aber das kann sich am Montagvormittag natürlich geändert haben.

Wer am Montag in die Fußstapfen des Heiligen Ägidius und Namenspatrons des Gillamoos treten wird? Mal sehen. Dieser jedenfalls gründete um 680 die spätere Benediktinerabtei „Saint Gilles“. Verehrt wird Ägidius aus unterschiedlichen Gründen. Er ist nämlich Schutzpatron für ziemlich viele Menschen: Der stillenden Mütter, der Jäger, Hirten, Schiffbrüchigen, Bogenschützen, des Viehs, des Holzes, des Waldes, der Aussätzigen und der Bettler.

Ob Markus Söder und Hubert Aiwanger auch verehrt werden, und wenn ja, von wie vielen? Man weiß es nicht. Schlauer sind alle erst am Wahlabend.

(Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version wurde Lars Klingbeil als Generalsekretär bezeichnet. Das war er mal. Seit 2021 ist er einer von zwei Bundesvorsitzenden der SPD. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen)

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