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Das Jahr der Extreme: Krieg, Kälte und jede Menge Feuer

Vielen Menschen wird 2022 als Jahr in Erinnerung bleiben, in dem Ungewissheiten die neue Gewissheit geworden sind. Diese Fotografen und Karikaturisten haben es ausgezeichnet eingefangen.

BESTES FOTO

Rückblende 2022. Der Deutsche Preis für politische Fotografie und Karikatur

© Getty / Tagesspiegel U. Dahmen

So viel Politik war lange nicht – und so viele Extreme. 2022 wartete mit äußerster Kälte des Herrschers im Kreml gegen das Volk auf, das sich von Kiew aus gerne gen Westeuropa orientiert hätte. Stattdessen sind die Menschen seit fast einem Jahr in einem Krieg gefangen, den Wladimir Putin vom Zaun gebrochen hat. Und den der EX-KGB-Mann nur für zwei orthodoxe Weihnachtstage unterbrechen wollte, aber nicht einmal das tat. Für ein Fest, das viele Ukrainer diesmal als Zeichen Richtung Moskau bereits vorher begangen hatten – so, wie im Westen üblich

246
Fotograf:innen und 63 Karikaturist:innen reichten Arbeiten ein

Überwältigend viele der von 63 Karikaturist:innen und 246 Fotograf:innen eingereichten Arbeiten für die Rückblende widmen sich diesem alles überwölbenden Thema, dem Angriffskrieg auf die Ukraine. Aber auch ein anderes Extrem hat die optischen Künstler sehr beschäftigt: die Hitze, die zu vielen Feuersbrünsten geführt und die drängende Diskussion über den Umgang mit dem Klimawandel geschürt hat.

Diesmal zwei - sehr unterschiedliche - Siegerfotos

Bernd Kammerers Siegerfoto mit seiner dichten Atmosphäre entstand bei einer Solidaritätskundgebung auf dem Frankfurter Römer im März 2022, zu der ukrainische Präsident Selenskyj live zugeschaltet wurde.

© Bernd Kammerer

Boris Roessler beobachtete für sein Siegerbild mit einer Drohne die surreale Szenerie, als im Sommer, Feuerwehrleute in einem verkohlten Wald in Hessen letzte Glutnester bekämpften. Die Wege bilden ein Kreuz. Es wirkt wie das Symbol eines Abschieds.

© dpa / Boris Roessler

Die Foto-Jury diskutierte recht lange, wem die Sieger-Ehre gebührt – und entschied am Ende, diesen Preis der Bevollmächtigten Staatssekretärin Heike Raab zu teilen und für zwei sehr unterschiedliche Blicke auf die großen Themen des Jahres zu vergeben: Bernd Kammerer fing die Atmosphäre einer Solidaritätskundgebung in Frankfurt so gut ein, dass das Foto als Symbol für die Unterstützung der Deutschen für die Ukrainer gelten kann. Boris Roessler brennt mit seinem Luft-Bild die Tragödie der Brände und der kämpfenden Feuerwehrleute ins Gedächtnis ein.

Pracht mit Schatten

Auch die prächtig wie mystisch anmutende Serie von einer jüdische Hochzeit ist leider keine rein ausgelassene Feier. Filip Singer fotografierte mit sicherem Auge das Fest aus Odessa Geflüchteter in Berlin.

Die beste Fotoserie

Filip Singers Serie über die Hochzeit von aus Odessa geflüchteten Juden in Berlin beeindruckte die Jury sofort. Hie: Braut Elisheva Chay und ihr Bräutigam hatten sich noch in Odessa kennengelernt, sie flohen nach Kriegsausbruch nach Berlin.

© EPA-EFE/Filip Singer

Die Hochzeitszeremonie mit vielen Gästen in Berlin.

© EPA-EFE / Filip Singer

Für die Hochzeit wurde auch ein Ehevertrag vorbereitet.

© EPA-EFE / Filip Singer

Bräutigam Gabriel Grigoriev (Mitte) wird von seinen Verwandten zur Zeremonie begleitet.

© EPA-EFE / Filip Singer

Braut Elisheva Chay (Mitte) mit Verwandten auf dem Weg zur Zeremonie.

© EPA-EFE / Filip Singer

Braut und Bräutigam bei der Zeremonie in Berlin.

© EPA-EFE / Filip Singer

Das Scharfe Sehen

Der Preis fürs Scharfe Sehen geht an Florian Gaertner, der die Kabinett-Rivalen Robert Habeck und Christian Lindner ungewohnt vereint im Garten des Kanzleramts „traf“.  

Florian Gaertner beobachtete Robert Habeck und Christian Lindner beim Zwiegespräch. Jeder erkennt die Silhouetten der hier so einig wirkenden Ampel-Kontrahenten sofort.

© Florian Gaertner

Mit bitterbösem Strich

Bitterböse fingen Greser & Lenz Putins Eiseskälte in der Siegerkarikatur ein: „Igor, richten Sie mir ein Blutbad an“ – der erste Preis, gestiftet vom Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger.

Greser & Lenz bringen mit ihrem Blutbad die ganze Absurdität des Krieges und die Kälte des Herrschers in der Pracht des Kremls samt der Putin Dienenden auf den harten Punkt.

© Greser & Lenz

Ebenso sehr stark: Klaus Stuttmanns im Tagesspiegel erschienener Blick auf Wladimir Putins berühmt-berüchtigten Riesentisch im Kreml, an dem seine Besucher wie kleine Schuljungen nur sehr weit entfernt vom Präsidenten Platz nehmen dürfen, als einen elend langen Sarg.

Klaus Stuttmann überzeichnete den Riesentisch des russischen Präsidenten als elend langen Sarg. Und nicht einmal diese Größe reicht für die Opfer des Krieges.

© Klaus Stuttmann für den Tagesspiegel

Geradezu fröhlich mutet demgegenüber Burkhard Mohrs Blick auf bizarre Cannabis-Stunden der Ampel an. 

Die Ampel hatte sich die Legalisierung von Cannabis vorgenommen. Burkhard Mohr traf Thema und Akteure perfekt.

© Burkhard Mohr

Entscheidung in Fleece-Decken

Die Mitglieder der Foto-Jury erlebten, was es bedeutet, einen ganzen Tag lang weitgehend ohne Bewegung in einem Raum zu sitzen, wenn die Temperatur - wie in öffentlichen Gebäuden in diesem Winter wegen der explodierenden Energiepreise Vorschrift - bei 19 Grad gedeckelt ist. Dann wird es recht frisch. In der Landesvertretung Rheinland-Pfalz musste natürlich niemand frieren: Es gab vorsorglich Fleece-Decken für alle. Das gab dem Jury-Tag gerade zwischen all den Bildern mit Blick auf die Lage in der Ukraine eine ganz besondere Note. In Berlin, das war allen klar, gab es trotz dieser Einschränkung eine Behaglichkeit, von der allzu viele Opfer von Putins Überfall nur träumen können.  

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