zum Hauptinhalt
Robert Habeck erklärt in Bremen die LNG-Strategie des Wirtschaftsministeriums.

© Imago/Frank Peter

Habeck räumt LNG-Überkapazitäten ein: „Können nicht davon ausgehen, dass immer alles gut geht“

Der Wirtschaftsminister will aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und lieber zu viele Terminals für Flüssigerdgas bauen. Auch zur Letzten Generation äußert sich Habeck.

Das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck plant mit mehr LNG-Terminals für den Gas-Import als aktuell nötig sind. Das räumte der Grünen-Politiker bei einer Wahlkampfveranstaltung in Bremen am Dienstagabend ein. „Ja, wir planen mit einer Überkapazität, das tun wir“, sagte Habeck auf eine Frage aus dem Publikum und ergänzte: „Und das halte ich auch für richtig.“

Der Vizekanzler verwies darauf, dass Deutschland seit dem Gas-Lieferstopp aus Russland über die Nord-Stream-I-Pipeline 55 Milliarden Kubikmeter Gas weniger beziehe.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Durch die drei schwimmenden LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin habe man bislang aber nur eine Import-Infrastruktur für zwölf Milliarden Kubikmeter Gas aufgebaut. Zusätzlich seien in den Niederlanden acht Milliarden Kubikmeter hinzugekommen. „Es fehlen also noch 35“, sagte Habeck in Bremen.

Habeck: Auf Eventualitäten vorbereiten

Die Lücke habe man kompensiert, weil die Industrie die Produktion heruntergefahren habe und die Bürger im Winter Gas gespart hätten. „Es gibt aber keine Garantie, dass das immer so ist“, sagte Habeck weiter. Man müsse sich auf alle Eventualitäten vorbereiten, warnte der Vizekanzler und verwies auf den Anschlag auf die Nord Stream II Rohre im vergangenen Jahr.

Ein Kamerateam filmt vor dem Treffen von Vertretern der Bundesregierung mit Verbänden, Bürgermeistern und Wirtschaftsvertretern aus Mecklenburg-Vorpommern zu den Plänen eines Flüssigerdgas-Terminals am Standort Rügen an der Seebrücke.

© dpa/Jens Büttner

„Es gab auch einen Brand in einem großen LNG-Terminal, in diesem Fall in Texas“, erinnerte Habeck. Durch den Brand nach einer Explosion war eines der größten Flüssigerdgas-Terminals der Welt wochenlang ausgefallen. Das FBI hatte damals ermittelt.

Es sie seine Pflicht als Wirtschaftsminister, die Energiesicherheit Deutschlands zu garantieren, betonte Habeck: „Zu meiner Lehre des vergangenen Jahres gehört, nicht davon auszugehen, dass immer alles gut geht“, sagte er. Es sei deshalb sinnvoll, eine gewisse Reserve zu bauen. „Auch für den Preis, dass wir sie vielleicht nicht brauchen.“ Obwohl die Gasspeicher aktuell bereits zu rund 67 Prozent gefüllt sind, will die Bundesregierung deshalb weitere Gas-Infrastruktur aufbauen.

Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben mehrfach angekündigt, weitere LNG-Terminals in Betrieb nehmen zu wollen. So soll bis Ende 2023 in Stade ein weiteres schwimmendes Terminal entstehen, in Lubmin und Wilhelmshaven soll jeweils ein zweites Regasifizierungsschiff (sogenannte FSRU) festgemacht werden. Besonders umstritten sind jedoch die Pläne eines LNG-Terminals vor der Urlaubs-Insel Rügen. Hier will die Bundesregierung den Hafen Mukran nutzen.

Habeck: „Ich sehe die Gefahr eines Gas-Lockins“

Dagegen hat sich in den vergangenen Monaten auf der Insel Protest formiert. Mehr als 50.000 Unterschriften wurden bislang gegen das Bauvorhaben gesammelt. Ein Treffen von Scholz und Habeck mit Lokalpolitikern Rügens vor wenigen Tagen hatte den Konflikt nicht lösen können. „Die Meldung, dass die Bundesregierung bereits die Rohre für den Bau des Terminals gekauft hat, zeigt die Voreingenommenheit“, sagte der Bürgermeister von Binz, Karsten Schneider, nach dem Gespräch mit Scholz und Habeck dem Tagesspiegel. Er könne verstehen, dass die Menschen auf der Insel „den Glauben an die Demokratie“ verlieren würden.

Der LNG-Shuttle-Tanker «Coral Favia» liegt vor der Hafenstadt vor Anker. Im Hintergrund liegt der LNG-Tanker «Seapeak Hispania».

© dpa/Stefan Sauer

Auch Umweltverbände machen mobil gegen die LNG-Pläne vor Rügen. Sie haben naturschutzrechtliche Bedenken und befürchten Schäden für das Ökosystem. Der Schweinswal würde bedroht und Zugvögel gestört. Zudem waren die Umweltverbände davor, dass Deutschland durch den Bau von LNG-Terminals seine Klimaziele verfehlen könnte. Die Sorge: Die Investitionen würden sich nur finanziell rechnen, wenn die Terminals lang genug betrieben werden – das steht jedoch im Widerspruch zur Klimaneutralität, die die Bundesregierung 2045 erreichen will.

„Ich sehe die Gefahr eines Gas-Lockins“, versicherte Habeck in Bremen. Dem könne man aber vorbeugen, indem man Vorschriften mache, dass die LNG-Terminals so bald wie möglich auf Wasserstoff umgerüstet werden. Habeck versprach zu reagieren, sollte es dauerhaft Überkapazitäten geben: „Wenn wir merken, dass Deutschland mehr Gas einspart, wenn mehr Wärmepumpen eingebaut werden, wenn der Gasverbrauch runtergeht – dann schicken wir die Schiffe eben woanders hin.“ Man sei flexibel, die Infrastruktur „ohne große Kostenverluste“ abzubauen.

Auch zu den Protesten der Letzten Generation äußerte sich Habeck bei dem Wahlkampfauftritt eineinhalb Wochen vor der Bürgerschaftswahl in Bremen, wo die Grünen momentan in einem Bündnis mit SPD und Linken mitregiert. „Ich habe einen hohen Respekt und ich glaube diesen Menschen die Ernsthaftigkeit ihres Anliegens“, sagte der Grünen-Politiker über die Klimaschutzaktivisten, die in den vergangenen Tagen wiederholt mit Blockaden den Straßenverkehr in Berlin gestört hatten.„Politisch finde ich es falsch, wie die Aktionen laufen“, ergänzte Habeck.

In einer Demokratie gehe es darum, Mehrheiten zu schaffen. „Das ist erkennbar nicht der Fall“, sagte Habeck über die Letzte Generation. Er lobte dagegen die Proteste von Fridays for Future, die eine „Mehrheitsbewegung“ über Deutschland ausgelöst hätten. „Sie haben im Grunde Klimaschutz mehrheitsfähig gemacht.“ Die Aktionen der Letzten Generationen seien dagegen nicht hilfreich und falsch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false