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16.06.2023, Berlin: Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, spricht beim CDU-Bundesausschuss im Konrad-Adenauer-Haus. Bei dem Kleinen Parteitag sollen die 158 Delegierten unter anderem über zwei Leitanträge des Bundesvorstandes entscheiden und auch der Grundsatzprogrammprozess der Partei dürfte Thema sein. Foto: Christoph Soeder/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Christoph Soeder

Kleiner Parteitag wirft Grundsatzfragen auf: Wohin führt Friedrich Merz die CDU?

Bei der CDU macht sich trotz solider Umfragewerte Nervosität breit. Dazu tragen auch die Kursdebatten bei. Beim kleinen Parteitag hält Merz eine Grundsatzrede.

Beim Thema Migration will Friedrich Merz deutlich werden. „Wir brauchen Einwanderung. Deutschland ist ein Einwanderungsland“, sagt der CDU-Chef. Aber: Man dürfe das Land, man dürfe Menschen, Städte und Gemeinden nicht überfordern. „Wenn die Außengrenzen nicht ausreichend geschützt werden können, dann müssen wenigstens Kontrollen an den Binnengrenzen möglich sein, damit wir wissen, wer in dieses Land kommt.“

Friedrich Merz spricht beim sogenannten Bundesausschuss der CDU, einer Art kleinem Parteitag. 160 Delegierte haben sich in der Parteizentrale eingefunden. Sie sollen unter anderem Leitanträge zum Freiheitsbegriff der CDU und zu Maßnahmen gegen Kinderarmut verabschieden. Doch eigentlich dient das Treffen vor allem der Selbstvergewisserung.

Nervosität in der Partei

Die CDU liegt bei knapp unter 30 Prozent in den Umfragen und damit deutlich vor allen anderen. Gleichzeitig fragen sie sich in der CDU, warum die Partei nicht noch deutlich mehr von der Schwäche der Ampel profitiert und stattdessen unzufriedene Wähler in den Umfragen erklären, AfD wählen zu wollen. Gegen die Rechtsradikalen hat die CDU noch kein Rezept gefunden.

In der Partei hat sich in den letzten Wochen Nervosität breit gemacht. Das liegt auch an der unterschwelligen Richtungsdebatte in der Partei. Wie konservativ soll sie sein? Wie kulturkämpferisch? Wie deftig in ihrer Rhetorik? Wie hart beim Thema Migration?

In der CDU führen sie die aktuellen Schwierigkeiten auch darauf zurück, dass ihr die 16 Regierungsjahre noch immer nachhängen. Gerade im Osten, so die Analyse, werde die CDU als Teil des Establishments wahrgenommen und nicht als Oppositionspartei. Aber auch im Westen werde sie noch nicht ausreichend als Alternative zur Ampel gesehen, sagen Kritiker in der Partei.

Liegt das auch an Friedrich Merz selbst? Der CDU-Chef will die unterschiedlichen Flügel der Partei zusammenführen. Eigentlich hat er seine Fans im Wirtschaftsflügel der Partei, viele erhofften sich von ihm klare, konservative Kante. Doch Merz gibt sich große Mühe, auch die Merkelianer zu integrieren. Es ist ein Spagat. Manche sagen: Merz könne als Parteichef nicht Merz sein.

Grünes Dilemma

Auf dem kleinen Parteitag der CDU hält Merz eine kämpferische Grundsatzrede. Merz fordert vom Kanzler ein Bekenntnis dazu, dass die Ukraine den Krieg mit Russland gewinnen müsse. Er warnt vor einer Abwanderung von Unternehmen. Dass der „rechtsnationalistische Rand“ immer stärker werde, wertet Merz als „Symptom einer handfesten Krise unserer Demokratie“.  Er sagt deutlich: Einen Zusammenarbeit mit der AfD werde es nicht geben. Und er wirft der Ampel vor, mit ihrer Vorgehensweise beim Heizungsgesetz das Verständnis für Klimaschutz in Deutschland zu zerstören.

Es fällt aber auch auf, was Merz nicht sagt. Er spricht anders als noch kürzlich in seinem persönlichen Newsletter nicht das Thema Gendern an, er bringt keine Kulturkampfthesen. Und er attackiert die Grünen nicht frontal, wie es etwa CSU-Chef Markus Söder oft tut.

Denn der Umgang mit den Grünen ist für Merz ebenfalls ein Dilemma. Für viele CDU-Anhänger sind die Grünen eine ideologiegetriebene Verbotspartei. Andererseits sind sie eine, wenn nicht gar die wichtigste Machtoption für die CDU – und in mehreren Ländern regieren die Schwarzen geräuschlos und erfolgreich mit den Grünen. Auch Merz persönliches Verhältnis zu den Grünen ist gut.

Auf die internen Konflikte in der Partei geht Merz in seiner Rede nur ganz am Rande ein. Doch es lässt sich eine kleine Spitze gegen NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst heraushören.  

 Wer nur die billigen Punkte macht und den Populisten hinterherrennt, der legt die Axt an die eigenen Wurzeln.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst im FAZ-Gastbeitrag

In der nervösen Lage beobachten sie in der CDU ganz genau, was Wüst macht. Dass der viele Termine außerhalb seines Bundeslandes wahrnimmt, wird als Indiz für seine Ambitionen gewertet. Auch wenn er betont, „aktuell“ sei sein Platz in seinem Bundesland, gilt er als wichtigster möglicher Konkurrent für Friedrich Merz für die Kanzlerkandidatur 2025.

In der „Rheinischen Post“ pochte Wüst nun darauf, die Länder müssten bei dem Prozess der personellen Aufstellung eine wichtige Rolle spielen. Und in einem Gastbeitrag für die FAZ warnte er seine Partei: „Wer nur die billigen Punkte macht und den Populisten hinterherrennt, der legt die Axt an die eigenen Wurzeln und stürzt sich selbst ins Chaos.“ Die CDU müsse sich auf die Mitte konzentrieren. Es ist jene staatstragende Linie, die Wüst für sich als Erfolgsrezept auserkoren hat.

Merz lässt in seiner Rede süffisant wissen, er freue sich ja auch über die Veröffentlichung von Namensbeiträgen. Er könne aber in den Veröffentlichungen gar keine internen Widersprüche erkennen. Er würde sich freuen, wenn die Autoren dieser Namensbeiträge doch auf andere Autoren aus der CDU verweisen würden, erklärt Merz. Es ist das Signal und die Warnung: Keiner soll versuchen, sich auf Kosten der Partei zu profilieren.

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