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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) empfängt Li Qiang, Ministerpräsident von China.

© dpa/Michael Kappeler

Deutsch-chinesisches Regierungstreffen: Wo Fragen von Journalisten nicht erlaubt waren

Rund 20 chinesische und deutsche Minister berieten in Berlin. Die tiefgreifenden Differenzen zwischen beiden Ländern wurden öffentlich jedoch kaum thematisiert.

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Fragen waren keine zugelassen. Nach den 7. deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin gaben Kanzler Olaf Scholz (SPD) und der chinesische Premierminister Li Qiang am Dienstagmittag vor der Presse im Kanzleramt jeweils ein Statement ab, reichten sich die Hände und schritten dann zu einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern.

Die Entscheidung kann als Hinweis darauf gelesen werden, welchen Spannungen dieses Treffen ausgesetzt war. Denn die Fragen der Journalisten hätten wohl vor allem jenen Themen gegolten, bei denen massive Meinungsunterschiede auftreten, etwa die Drohungen Pekings gegen Taiwan, die Menschenrechtsverletzungen oder die Weigerung Pekings, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine klar zu verurteilen.

Auch deshalb hatten sogar manche Stimmen aus der Koalition den Sinn des Treffens offen infrage gestellt. Denn Regierungskonsultationen gelten als Instrument, die Beziehungen zu engen Partnern zu vertiefen. Doch China hat sich in der Außenpolitik zunehmend aggressiver aufgestellt und verschärft auch im Inneren seine autoritäre Politik, seit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2011 zum ersten Mal Regierungskonsultationen verabredet hatte.

Zudem hat Russlands Krieg gegen die Ukraine der deutschen Politik vor Augen geführt, dass wirtschaftliche Abhängigkeit wie etwa von Gasimporten auch als Waffe genutzt werden kann. Seitdem arbeitet die Ampelkoalition zum Ärger der Chinesen daran, Risiken im ökonomischen Austausch mit dem Land zu reduzieren, das Deutschlands größer Handelspartner ist.

Wir haben kein Interesse an einer wirtschaftlichen Abkoppelung von China.

Bundeskanzler, Olaf Scholz (SPD)

Kanzler Scholz verzichtete in seinem Statement auf harte, offene Kritik am Gast und lobte den Sinn des Treffens. „Der direkte Dialog, das persönliche Gespräch, ein wirklicher Austausch – all das ist in dieser außergewöhnlichen Zeit voller globaler Herausforderungen und Krisen noch wichtiger als sonst“, sagte der SPD-Politiker. Der Austausch solle fortgesetzt werden.

„Wir haben kein Interesse an einer wirtschaftlichen Abkoppelung von China“, versicherte der Kanzler im Hinblick auf deutsche „De-risking“-Bemühungen, die von Peking als politische Einmischung in die Wirtschaft scharf kritisiert werden.

Besonders wichtig ist es laut Scholz, dass beide Länder im Kampf gegen den Klimawandel eng zusammenarbeiteten. Vereinbart wurde dazu unter anderem die Aufnahme eines Klima- und Transformations-Dialogs.

Li Qiang dankte für den „herzlichen Empfang“ bei seiner ersten Auslandsreise als Premierminister und nannte die Gespräche mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Scholz am Vorabend „offen und tiefgehend“.

Schon während der Corona-Pandemie war aufgefallen, dass Europa bei der Medikamentenherstellung von chinesischen Vorprodukten abhängig ist. Die Ampel will die Dependenz nun überprüfen und herunterfahren.

© imago/photothek

Der Gast warb darum, dass beide Länder ihre Beziehungen „auf ein immer höheres Niveau bringen“ sollten, und verwies auf eine komplexe internationale Lage und die mangelnde Wachstumsdynamik der Weltwirtschaft. „Wenn wir die Zusammenarbeit in Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft verstärken, werden wir einen Beitrag zur Stabilität der Weltwirtschaft leisten“, prophezeite er. Beide Länder könnten eine „Rolle als Stabilisator“ spielen.

Spionagegesetz – da war doch was

Scholz forderte die chinesische Regierung auf, ihren Einfluss auf Russland im Ukraine-Konflikt noch stärker geltend zu machen. Es sei aber auch wichtig, dass China weiter keine Waffen an Russland liefere. Ein möglicher Frieden in der Ukraine dürfe nicht ohne Berücksichtigung der Rechte des Landes zustande kommen, mahnte er. „Kein Land darf andere Länder als seinen Hinterhof betrachten und mit Gewalt versuchen, Grenzen zu verschieben“, sagte Scholz. „Imperialismus ist nie die Lösung.“

Streitpunkte wie Benachteiligungen für ausländische Firmen in Peking oder ein Spionagegesetz, das sich auch gegen Wettbewerber richtet, erwähnte Scholz nur in allgemeiner Form. Das Wort Taiwan nahm er nicht in den Mund. Vor dem Treffen war aus der Bundesregierung heraus allerdings versichert worden, dass die strittigen Themen hinter verschlossenen Türen deutlich angesprochen würden.

Nach einem kurzen Zwischenstopp in Bayern reist Li Qiang weiter nach Paris, wo am 22. und 23. Juni der „Summit for a New Global Financing Pact“, ein internationaler Finanzgipfel, stattfindet.

Deutschland erwarte von China, dass es sich nicht nur bei der Umsetzung bestimmter Klimaziele stärker engagiert, sondern dass es „bei der Lösung der globalen Schuldenfrage eine aktive Rolle spielen sollte“, sagt Mikko Huotari, Direktor des Berliner China-Think-Tanks Merics, dem Tagesspiegel. „Bislang zeigt sich Peking nicht wirklich bereit, Entwicklungsländern Schulden zu erlassen oder bei einer Umschuldung zu unterstützen.“

Mit Blick auf den Finanzgipfel sagt Janka Oertel, Leiterin des Asien-Programms des European Council on Foreign Relations: „Ungünstig wäre, wenn es am Ende so wirkt, dass es bei den Regierungskonsultationen in Berlin nur um die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und ein wenig Klimarhetorik ging, die wirklich großen, europäischen und globalen Themen aber in Paris besprochen werden.“

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