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CDU-Chef Friedrich Merz

© Imago/Chris Emil Janßen

Verlockung von Kulturkampf und Populismus: CDU-Chef Friedrich Merz darf hier nicht mäandern

Die CDU steht vor grundsätzlichen Entscheidungen: Wie geht sie mit der Verlockung von Kulturkampf und Populismus um? Friedrich Merz muss Führung zeigen.

Ein Kommentar von Maria Fiedler

CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble hat die Lage diese Woche im Tagesspiegel treffend analysiert. Für die Grünen, sagte er, gelte der Satz nicht: „Opposition ist Mist“. Für eine so idealistische Partei wie die Grünen sei in Wahrheit Regieren das Problem. Das Rendezvous mit der Realität drohe sie zu zerreißen – besonders schmerzlich ist es gerade in der Flüchtlingspolitik. Zu besichtigen an diesem Wochenende beim kleinen Parteitag der Grünen.

Bei der CDU, könnte man nun ergänzen, ist es genau andersherum. Für sie ist Opposition in der Tat Mist. Nicht nur, weil man, logisch, in der Opposition wenig bestimmen kann. Sondern, weil zum Markenkern der CDU eigentlich die Macht gehört. Die CDU ist keine Programmpartei, sondern eine, die im Handeln stark wird. Wenn sie das nicht kann, wirkt sie verloren.

Die Partei sucht sich selbst, auch an diesem Wochenende. Nur dreht sich der eigentliche Konflikt derzeit in der CDU nicht um Sachfragen, um Steuerpolitik, Ehegattensplitting oder ein Rentenkonzept. Sondern um Grundsätzliches: Wie populistisch darf ihre Sprache sein? Soll man sich an einem Kulturkampf etwa gegen das Gendern beteiligen, ihn gar anheizen? Hilft es, die Ampel zu verteufeln, wenn man selbst als ernstzunehmende Alternative wahrgenommen werden will?

Merz will Debatten, aber keine zerstrittene Partei

In der Parteispitze wird betont, es gebe eigentlich gar keinen Dissens, sondern nur unterschiedliche Schwerpunktsetzungen. In der Folge wird die Debatte seltsam verdruckst geführt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sagte etwa kürzlich in einem Interview, die Union müsse noch stärker ihre eigenen Lösungsalternativen zur Ampelpolitik aufzeigen. Günther gilt als Kritiker von Merz. Daraufhin verbreitete eine anonyme Quelle aus der Parteizentrale via „Bild“, Günther schwänze ständig Vorstandssitzungen. Souverän wirkte das nicht.

Merz will zwar Debatten in der Partei, aber keinen offenen Streit. Er weiß: Zerstrittene Parteien werden nicht gewählt. Er versucht, die Strömungen in der Partei zusammenzuhalten, Merzianer und Merkelianer. Doch es ist schwer, es beiden Seiten gleichzeitig recht zu machen.

Merz sendet widersprüchliche Signale. Einerseits bereut er es, von „Sozialtourismus“ gesprochen haben. Verteidigt aber seine Formulierung „kleine Paschas“. Er hielt sich Monate lang von Kulturkampfrhetorik fern. Erklärte jüngst aber überraschend in seinem Newsletter, mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gingen wieder ein paar Wähler zur AfD. Nach der Kritik daran ließ er das Thema in seiner Grundsatzrede vom Freitag wieder weg.

Die Verlockung des Populismus wird bleiben

All das stellt weder Merz größte Fans zufrieden, noch seine Kritiker. Doch die Partei muss diese Frage klären. Denn auch wenn die CDU mit ihrem Grundsatzprogramm fertig ist und zahlreiche neue Positionen gefunden hat, wird die Verlockung des Populismus bestehen bleiben. Für die Opposition ist Aufmerksamkeit ein begrenztes Gut. Eine Schlagzeile lässt sich schneller mit einer Boulevard-tauglichen Aussage generieren als mit beharrlicher Sachpolitik. Und mit Kulturkampf lässt sich mehr Aufregung erzeugen als mit einem soliden Rentenkonzept.

Erstens: Die Partei sollte darüber offen miteinander reden - und die Debatte nicht nur über Gastbeiträge, Interviews und Twitter führen. Es geht um eine Grundsatzentscheidung. Der Grüne Ralf Fücks hat der CDU erst an diesem Wochenende ins Stammbuch geschrieben, als konservative Partei solle ihr Leitmotto „Sicherheit im Wandel“ sein. Mit Kulturkampf erreicht die CDU aber eher, dass Menschen Veränderung als Bedrohung empfinden. Will sie das?

Zweitens: Friedrich Merz sollte hier nicht mäandern. Der CDU-Chef braucht eine Linie und muss sie durchziehen. Auch in Stil und Sprache muss er Führung zeigen und Vorbild sein. Wenn er klar ist, werden viele in der Partei ihm folgen. Die CDU kann nur gewinnen, wenn man ihr zutraut, es besser zu machen als die Ampel. Mit überdrehter Kulturkampf-Rhetorik wird sie das nicht erreichen.

Führung ist es übrigens auch, was den Grünen mitunter fehlt. Denn wenn die Regierung unangenehme Entscheidungen treffen muss, müssen die zuständigen Minister ihre Partei überzeugen. Doch es ist nicht klar, wo das Führungszentrum der Grünen liegt. Schon beim Heizungsgesetz zeigte sich, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck zu wenig Durchsetzungskraft in den eigenen Reihen hatte.

Nun bekam Außenministerin Annalena Baerbock ein ähnliches Problem. Sie hat die umstrittene Asylrechtsverschärfung auf EU-Ebene mitgetragen und es zunächst versäumt, Partei und Fraktion mitzunehmen. Auch die Parteiführung sprach nicht mit einer Stimme. Baerbock hat am Samstag versucht, das einzufangen. Denn ohne Überzeugungskraft in der Spitze droht das Regieren die Partei in der Tat zu zerreißen.

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