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Standleitung: Robert Habeck (Grüne) muss in diesen Tagen wahrscheinlich häufig im Finanzministerium anrufen.

© dpa/Kay Nietfeld

Wer verliert am meisten? : Die Geldsorgen steigen – doch die Ampel hat weiter keinen Plan

Der Bundesregierung scheinen nach dem Karlsruher Urteil nicht nur die 60 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds zu fehlen. Steuererhöhungen schließt die FDP aber weiterhin aus.

Robert Habeck klingt an diesem Morgen etwas heiser. Seine Worte sind aber an Dramatik kaum zu überbieten. „Mit weniger öffentlichen Subventionen zu modernisieren, kann auch dazu führen, dass nicht modernisiert wird“, sagt er im Interview mit dem Deutschlandfunk. „Dann gibt es halt weniger CO₂ in Deutschland, aber nicht, weil wir eine grüne Industrie haben, sondern weil wir möglicherweise gar keine – oder eine weniger starke – Industrie haben.“

Die halbe Welt subventioniere den Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. China, Südkorea, die USA. Die Aussage von Finanzminister Christian Lindner, FDP, immerhin Habecks Koalitionspartner, nun mehr privates Kapital für Investitionen zu mobilisieren, sei deswegen vor allem eins: „Gerede“.

Gerede? Die starken Ampelmänner sind zu dieser Koalition gezwungen. Sie können, wenn sie nicht miteinander arbeiten, nur verlieren. Im schlimmsten Fall: alles. Olaf Scholz seine Kanzlerschaft, Robert Habeck den Traum seiner Partei, Volkspartei zu werden. Christian Lindner könnte gar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Einer wird verlieren. Oder alle.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am vergangenen Mittwoch fehlen der Bundesregierung 60 Milliarden Euro zum Umbau der Wirtschaft aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF). Der Druck in der ohnehin nicht einfachen Koalition ist seitdem enorm gestiegen. Die Frage, ob die Ampel hält, wird von Funktionären nicht länger mit einem gelassenen „natürlich“ beantwortet.

Denn es sind nicht nur die 60 Milliarden, die fehlen. Auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) könnte betroffen sein. Habeck geht davon aus. Das Urteil beziehe sich seiner Meinung nach „auch auf den Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds, da muss die Union jetzt gar nicht groß klagen“.

FDP schließt Steuererhöhungen weiter aus

Bestätigt sich diese Sicht, würden der Regierung zusätzliche Milliarden wegbrechen, von denen viele bereits zum Beispiel für die Gas- und Strompreisbremse ausgegeben sind. Habeck macht dafür die CDU verantwortlich, die die Klage gegen den KTF angestrebt hatte.

Bundesfinanzminister Christian Lindner bleibt in der Sache hart.

© IMAGO/Frank Ossenbrink/IMAGO/Frank Ossenbrink

Steuererhöhungen bleiben ausgeschlossen, Ausnahmen von der Schuldenbremse erst recht.

FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner will von seinen Grundsätzen nicht abrücken.

Es ist die FDP, mit der SPD und Grüne vor allem ringen. Sowohl Sozialdemokraten als auch Grüne würden ohne den liberalen Koalitionspartner wohl versuchen, eine Notlage mindestens für 2023 zu erklären, und langfristig möglicherweise die Schuldenbremse zu reformieren. In der FDP sieht man selbst das kurzfristige Erklären einer Notlage skeptisch, ausschließen will man sie aber nicht.

Öffentlich hat sich kaum ein FDPler über das Urteil geärgert. In einer internen Mail von Lindner, die nach Tagesspiegel-Informationen am vergangenen Mittwoch an die Abgeordneten der Fraktion ging, schrieb der Finanzminister, das Urteil sei „momentan natürlich herausfordernd, aber grundsätzlich aus unserer Perspektive zu begrüßen“. Er zog rote Linien: „Steuererhöhungen bleiben ausgeschlossen, Ausnahmen von der Schuldenbremse erst recht“.

Die Union weist die Verantwortung von sich

Nun aber, da sich die Dramatik des Urteils deutlicher herausschält, ist auch die FDP alarmiert. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle schrieb auf Instagram, das Urteil sei eine „heftige Niederlage für die Bundesregierung.“ An keinem der Kolleginnen und Kollegen im Bundestag gehe der Druck „spurlos vorbei“.

Doch die Ampel wird nur schwer zueinanderfinden. In der FDP erwarten sie weitreichende Priorisierungen und Kürzungen. Die Grünen plädieren dafür, klimaschädliche Subventionen abzubauen, SPD-Chef Lars Klingbeil mahnte, das Land müsse weiter modernisiert werden.

Und die Union? Die größte Oppositionsfraktion schaut sich das Ampeldrama um das fehlende Geld erst einmal in Ruhe an. Sie will Habecks Aufforderung nachkommen und von einer Klage gegen den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) absehen. Am Dienstag will Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz zur Diskussion stellen lassen, ob ein weiterer Gang vor das Bundesverfassungsgericht nötig sei.

Einig ist sich die Union schon in ihrer Kritik daran, dass die Ampel der Union nun die möglicherweise steigenden Energiekosten und andere Folgen des von der CDU/CSU-Fraktion herbeigeführten Karlsruher Urteils anlasten will. „Für ihren Scherbenhaufen nun die Opposition verantwortlich zu machen, ist schlicht eine Unverschämtheit“, schimpft Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in Richtung des Vizekanzlers: „Was hätte sich Habeck stattdessen von uns gewünscht?“, fragt er, „Dass wir stillschweigend zu ‚Partners in Crime‘ mit dieser Koalition werden?“

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