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Eine Frau arbeitet allein in einem dunklen Büro (Symbolbild).

© Getty Images/Image Source

Umstrittener FDP-Vorschlag: Der Arbeitsmarkt braucht mehr Impulse als Steueranreize für Überstunden

Die Liberalen möchten Überstunden steuerlich privilegieren – das greift zu kurz. Viel wirkungsvollere Eingriffe in den Arbeitsmarkt wären nötig und möglich, doch die FDP macht nicht mit.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Die arbeitsmarktpolitische Kompetenz der FDP ist überschaubar, da sich die Liberalen mit ihrem Wirtschaftsverständnis traditionell nach der Angebotsseite orientieren: Den Unternehmern viel Freiraum lassen und Profit, dann investieren die Firmen ordentlich und schaffen Arbeitsplätze und alles wird gut.

Mit ihrem Vorschlag einer steuerlichen Privilegierung von Überstunden adressiert die Partei der Freiberufler nun mit den Beschäftigten gleichsam die Akteure auf der Nachfrageseite: Wenn der Staat die Mehrarbeit weniger stark abschöpft, dann bleiben die Leute gerne noch ein Stündchen länger im Büro oder Betrieb und der Arbeitskräftemangel ist behoben. Zu schön, um wahr zu sein.

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Nach Berechnungen der Statistiker hat die arbeitende Bevölkerung im vergangenen Jahr knapp 1,3 Milliarden Überstunden geleistet, davon gut 700 Millionen unbezahlt. Es könnte sein, dass der Anteil der bezahlten Stunden steigt, wenn netto mehr übrigbliebe. Der vielschichtigen Situation auf dem Arbeitsmarkt wird die FDP-Idee indes nicht gerecht. „Der höchste Krankenstand, die wenigsten Überstunden, die meiste Teilzeit“, so resümiert das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit das Jahr 2023.

Weniger arbeiten, Zurückhaltung auf der Karriereleiter, mehr Freizeit und überhaupt Spaß am Leben – in der Wohlstandsgesellschaft verändern sich die Prioritäten. Scheinbar. Die Fakten dementieren das Klischee von der arbeitsmüden Gesellschaft: Die Arbeitszeit je erwerbstätiger Person sank im vergangenen Jahr nur leicht um 0,3 Prozent, das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen stieg sogar um 0,4 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen erhöhte sich um 340.000 auf einen Rekordstand von knapp 46 Millionen. Kurzum: Es wird viel gearbeitet im Land.

Gleichzeitig fehlen an allen Ecken und Enden Arbeitskräfte, und zwar keineswegs nur Ingenieurinnen und Programmierer, Lehrer und Pflegerinnen. Die mangelhafte Personalausstattung, etwa in Kliniken und Kitas, ist auch eine Ursache für den Krankenstand. Der durchschnittliche Beschäftigte war 2023 mit 15,2 Arbeitstagen so lange krankgeschrieben wie zuletzt 1991. Die Probleme verschärfen sich wechselseitig.

Feel Good Manager gesucht

Eine wertschätzende Personalpolitik, die Entwicklung und Teilhabe ermöglicht und überhaupt attraktive Arbeitsbedingungen bietet, befördert das Wohlbefinden im Arbeitsalltag. Tatsächlich gibt es inzwischen eine neue Profession für glückliche Berufe: 2023 suchten immerhin schon 173 Arbeitgeber sogenannte Feel Good Manager.

Viele Teilzeitkräfte fühlen sich nicht gut. Vor allem Frauen arbeiten in Teilzeit, da sie nicht anders können. 400.000 Kitaplätze fehlen, und die Betreuungslücke erschwert längere Arbeitszeiten und eine höhere Erwerbsquote der Frauen.

Zu einer höheren Quote der Alten trägt die Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze im Fall der vorgezogenen Altersrente bei – und das ebenso von der Koalition durchgesetzte Fachkräfteeinwanderungsgesetz hilft auch. Aber es wäre noch mehr nötig auf dem Arbeitsmarkt. Und auch möglich – wenn die FDP nicht wäre.

Arbeitsmarktforscher berichten über „Verlängerungswünsche“ der geringfügig Beschäftigten bei der Arbeitszeit. 2003 waren die Minijobs im Rahmen der Hartz-Reformen eingeführt worden, inzwischen gibt es sieben Millionen. „Das Arbeitskräftepotenzial wird nicht adäquat ausgeschöpft“, befand der Rat der Arbeitswelt vor einigen Jahren und plädierte für eine gravierende Einschränkung: Künftig sollten die abgabefreien Jobs nur noch für Schüler, Studenten, Rentner und Übungsleiter in Sportvereinen erlaubt sein.

Da macht die FDP nicht mit. Ihre Zustimmung zur Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro gab die Partei nur, weil im Koalitionsvertrag der Regierung die Minijobs festgeschrieben wurden. Und so setzt sich also die volkswirtschaftliche Verschwendung fort. Wenn nur die Hälfte der Minijobber Vollzeit arbeiten würden, dann kämen so viele Stunden zusammen, wie alle „normalen“ Beschäftigten 2023 an Überstunden geleistet haben.

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