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Intels Chipfabrik in Magdeburg in einer Simulation.

© Simulation: Intel

„Nicht länger vom Wohlwollen anderer abhängig“: Intel-Chefin über die Chipfabrik Magdeburg

Mit der Investition des weltgrößten Chip-Herstellers in Sachsen-Anhalt schreitet die digitale Regionalisierung voran – auch als Reaktion auf Corona und Kriege.

Frau Eisenschmid, Intel baut eine Chipfabrik in Magdeburg. Der Standort Deutschland galt lange als zu teuer und zu reguliert für internationale Konzerne. Ist das nicht mehr so?

Deutschland ist nach wie vor teuer. Europa ist teuer. Aber sie haben auch einiges zu bieten. Deutschland ist der viertgrößte Markt weltweit für Halbleiter und hat ein Halbleiter-Ökosystem. Hinzu kommt, dass einflussreiche Politiker die Bedeutung von Halbleitern erkannt haben. Daher ist es interessant für uns, hier eine Fabrik zu bauen.

Und weil Sie Milliarden aus der Staatskasse bekommen?

Die Milliarden haben wir noch nicht bekommen. Die Situation ist so, dass Industrien immer schon stärker abgewandert sind nach Asien einschließlich China. 80 Prozent der Fertigung für Wafer, die Grundlage für Chips, sowie für Montage und Tests der Chips liegen in Asien. Bei den Materialien, die für die Chipherstellung benötigt werden, ist das Bild das gleiche. Nur bei Maschinen und Equipment für die Fabriken sieht es anders aus. Dass so viel Industrie abgewandert ist, liegt an der Politik in Asien. Sie hat frühzeitig erkannt, dass die Chipfertigung eine Schlüsselindustrie für die Digitalisierung ist. Und sie hat diese massiv finanziell unterstützt. Wenn wir nun in Europa investieren, müssen wir auch unseren Aktionären gegenüber sicherstellen, dass wir sorgsam mit ihrem Geld umgehen. Hinzu kommt der generelle Trend zur Regionalisierung. Darauf haben wir uns eingestellt. Deshalb investieren wir in Europa und rücken näher an unsere Kunden heran. Das stellt die Versorgungssicherheit her und es schafft neue Lieferketten.

Intels Deutschland-Chefin Christin Eisenschmid.
Intels Deutschland-Chefin Christin Eisenschmid.

© Intel

Haben Corona und die abgerissenen Lieferketten nach Asien eine Rolle bei Ihrer Entscheidung gespielt?

Corona war nicht der Auslöser, aber es hat Entwicklungen und Trends beschleunigt und verschärft. Generell verhärten sich die Fronten im internationalen Wettbewerb, der zunehmend härter wird. Handelspolitisch wird über Zölle diskutiert, und das verstärkt den Trend zur Regionalisierung. Es besteht zunehmend die Sorge, einseitig abhängig zu werden von anderen Ländern, die nicht immer zuverlässig sind. Bisher ist Europa gut gefahren mit der Globalisierung. Aber jetzt wäre es fahrlässig, sich auf die guten Beziehungen zu verlassen. Digitale Souveränität ist zunehmend wichtig. Das beschäftigt die EU und ihre Mitgliedstaaten. Sie wollen ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und nicht vom Wohlwollen anderer Länder abhängig bleiben bei strategisch wichtigen Technologien.

Welche Rolle spielte die Nähe zu Berlin des neuen Standorts Magdeburg?

Wir haben das gesamte Einzugsgebiet für Arbeitskräfte im Blick gehabt, und das ist groß. Wir wollen bis zu 3000 Stellen in der neuen Fabrik schaffen. Da schauen wir uns nach Universitäten im Umkreis um und natürlich auch nach Berlin und seinen Hochschulen.

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Leicht wird das nicht, es herrscht ein Mangel an Fachkräften.

Ja, das beschäftigt zurzeit alle in der Halbleiterindustrie. Es braucht deshalb Programme, die wir mit den Universitäten und der Politik aufsetzen, damit wir Arbeitskräfte ausbilden und die Pipeline gefüllt bekommen. Dieses Thema beschäftigt ganz Europa, denn mit der Digitalisierung gibt es einen Run auf Arbeitskräfte aus den naturwissenschaftlichen Studiengängen. Absolventen sind ein knappes Gut.

Geht die Rekrutierung jetzt schon los?

Ja, aber zunächst brauchen wir Arbeitskräfte, die an der Planung der Fabrik, am Finanzwesen rund um das Projekt und an der Organisation des Betriebs der Fabrik arbeiten.

Zahlen Sie gut?

Wir sind bei der Bezahlung wettbewerbsfähig. Wir sind vor allem bemüht, Leistungen anzubieten, die das Arbeiten angenehm machen. Wir bieten flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice und Elternzeit an. Wobei nicht alles für die Schichtmodelle in der Fabrik gilt, sondern eher für die Verwaltungstätigkeiten. Theoretisch ist auch hybrides Arbeiten möglich, also etwa von Berlin aus mit ein oder zwei Fahrten pro Woche nach Magdeburg. Dank dieser Flexibilität erweitert sich das Einzugsgebiet für Mitarbeiter der Fabrik.

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Wann endet die Chipkrise?

Das würden wir alle gerne wissen (lacht). In der Industrie ist die herrschende Meinung, dass die Chipkrise bis 2023 anhält und im Laufe des kommenden Jahres eine Entspannung eintritt. In der Chipindustrie gab es immer schon Zyklen mit abwechselnden Phasen von zu viel oder zu wenig Kapazitäten. Generell sehe ich aber eher einen Trend zu ungebrochener Nachfrage. Die Digitalisierung und die neuen Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz erfordern ungeheure Rechenkraft. Deshalb gehen wir von langfristigem Wachstum aus. Der Anteil der Kosten für den Einbau von Halbleitern in Autos ist von 600 auf 2500 Euro pro Fahrzeug gestiegen. Die Entwicklung geht hin zum autonomen Fahren und da wird der Anteil noch größer, weil diese Technik sicherheitsrelevant ist. Dafür ist große Rechenpower nötig.

Welche Rolle hat die Verwaltung bei der Standortentscheidung gespielt?

Wir hatten rund 60 Vorschläge für die Ansiedlung der Fabrik in vielen Ländern Europas. Es war am Ende eine Kombination aus verfügbarer Fläche, politischem Willen, Verfügbarkeit von Arbeitskräften und akademischem Umfeld. Auch die Verfügbarkeit von Wasser und Energie war wichtig. Vor allem aber hat der politische Wille eine Rolle gespielt. Hinzu kommt die Tatsache, dass es in Deutschland eine Halbleiter-Infrastruktur gibt mit Dresdens Saxony-Silicon-Valley, wo viele unserer Kunden einen Sitz haben und dadurch sehr viel Kompetenz gebündelt ist. Infineon, Globalfoundries, die Bosch-Halbleiterfabrik gibt es dort. Das sind mögliche Partner, aber auch Wettbewerber, man kann vielfache Beziehungen haben.

Wie sieht die Arbeitsteilung mit den anderen Intel-Produktionsstandorten in Europa aus?

Wir haben Fabriken in Irland und eine Fabrik in Israel. In Magdeburg wird die neueste und aktuellste Technologie aufgebaut. Es könnte die Intel-18A-Fertigung sein, aber es hängt von der Bauzeit ab und wann die Fabrik live geht. Noch haben wir vier Jahre Vorlauf, nach Plan öffnet Magdeburg im Jahr 2027.

Wie lief es mit den Behörden?

Es läuft zurzeit ein Genehmigungsprozess in Brüssel. Und wir sind durch die Bank sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit allen Behörden und der Politik. Alle sind auf das gleiche Ziel ausgerichtet. Das gilt sowohl für das Zusammenspiel zwischen Sachsen-Anhalt und Bund sowie von Bund und EU. Das mag am politischen Umfeld liegen. Im Februar hat die EU ihren „Chips-Act“ angekündigt. Der hat drei große Themen, die Sicherstellung der Versorgung mit Halbleitern durch den Aufbau von Kapazitäten in Europa. Zweiter Schwerpunkt ist der Aufbau von Chipdesign-Kapazitäten, also zur Forschung und Entwicklung von Halbleitern, deren Planung und Konstruktion. Die dritte Säule ist, dass Europa in Krisensituationen handlungsfähig bleiben will. Das geht einher mit dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung in Deutschland. Mit unserer Strategie tragen wir zur Erreichung dieser EU-Ziele bei. Aber wir werden die Welt nicht allein retten können. Die EU will den Anteil an Halbleiterprodukten in Europa verdoppeln. Dafür bräuchte es zehn bis 15 Fabriken. Das ist ein hoch gestecktes Ziel. Aber wenn man sich nicht solche Ziele setzt, wird man nicht viel erreichen. Die EU ist überzeugt, dass wir unabhängiger werden müssen von anderen Ländern, wenn wir es ernst nehmen wollen mit der digitalen Souveränität.

Wird die deutsche Fabrik vor allem Produkte für Deutschland produzieren?

Vor allem schafft sie neue Kapazitäten. Wir werden Produkte für unseren eigenen Bedarf herstellen, aber auch für unsere Kunden, oder solche, die wir mit Kunden gemeinsam entwickeln. Und dafür schauen wir vor allem auf unsere europäischen Kunden. Der Vorteil liegt darin, dass wir mit der neuen Fabrik in neue Produkte hineinwachsen können. Und es ist kein deutsches Projekt, sondern ein europäisches.

Intel geriet laut Experten zuletzt ins Hintertreffen im Vergleich zu Apple und AMD. Investieren Sie daher so massiv?

Das eine ist die Fertigung, das andere sind unsere Produkte. Wir gehen davon aus, dass wir in beiden Bereichen wettbewerbsfähig sind. So wird die Fabrik nicht nur von Intel designte Technologie fertigen, sondern auch ARM-basierte und solche für RISC-V-Anwendungen. Nvidia, die viele Lösungen für die Automobilbranche anbietet, hat schon Interesse an Intel Foundry Services – was auch in der neuen Fabrik angeboten werden wird – bekundet. Fabrik und Fertigung sind also ein eigenständiges Geschäft. Auf diesem Markt gibt es nicht mehr so viele, vor allem wenn es um die neuesten Technologien geht. Das können sich nur noch drei Konzerne leisten, Samsung, TSMC und Intel. Deshalb ist die Auftragsfertigung so spannend, auch für unsere Wettbewerber, die nur Chipdesign machen.

Das Interview führte Ralf Schönball.

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